Warum überhaupt arbeiten?

Im Interview zur aktuellen Semesterfrage "Wie werden wir morgen arbeiten?" spricht die Technikphilosophin Janina Loh über Roboterethik, die Beziehung von Mensch und Maschine und die Transformation der Arbeitswelt.

uni:view: Frau Loh, in Ihrer Arbeit beschäftigen Sie sich mit Technikphilosophie und der Beziehung von Mensch und Maschinen. Roboter und Arbeitswelten sind bereits unweigerlich miteinander verbunden. Erleichtern Roboter unser Arbeitsleben?
Janina Loh: Roboter sind ja ursprünglich dafür gebaut worden, Menschen bestimmte Arbeiten zu erleichtern. Die Hoffnung war von Anfang an, dass Roboter für stupide, gefährliche oder schmutzige Arbeiten – die sogenannten drei D's: dull, dangerous and dirty – eingesetzt werden. Nur: Welche Tätigkeiten fallen in diese Kategorien und wer entscheidet das? Warum dürfen Menschen nicht auch stupide oder gefährliche Arbeiten machen wollen? Das ist die Herausforderung, die in Ihrer Frage liegt. Sie führt uns zu der philosophischen Frage zurück: Warum überhaupt arbeiten? Können wir uns nicht eine Gesellschaft vorstellen, in der Menschen auf der Grundlage eines bedingungslosen Grundeinkommens Zeit haben, all das zu machen, was ihnen gefällt?

Das Problem dabei ist, dass wir einzelnen nicht darüber entscheiden können, sondern dass diese Entscheidungen gesellschaftlich, politisch und ökonomisch für uns getroffen werden. Natürlich erleichtern uns Roboter die Arbeit, aber sie erschweren sie uns auch, und zwar genau dann, wenn wir unsere Arbeit gerne machen und Roboter sie uns wegzunehmen drohen.


Am Montag, 27. Mai, findet um 18 Uhr im Großen Festsaal der Uni Wien die abschließende Podiumsdiskussion statt. Johannes Kopf (Vorstand AMS) hält den Impulsvortrag und diskutiert anschließend mit Annika Schönauer (Arbeitsforscherin FORBA), Ali Mahlodji (Whatchado-Gründer), Eva Zehetner (Personalchefin A1 Telekom Austria Group), Laura Wiesböck (Soziologin, Universität Wien) und Mark Coeckelbergh (Technikphilosoph, Universität Wien) unter der Moderation von Martin Kotynek (Der Standard). Live Scribbling: Kathrin Gusenbauer (Studentin)

uni:view: In Kürze wird Ihre Publikation "Einführung in die Roboterethik" im Suhrkamp Verlag erscheinen. Welche ethischen Fragen stellen sich in Bezug zu unserem Verhältnis zu Robotern?
Loh: Menschen können auf ganz vielfältige Weise mit Maschinen Umgang haben, angefangen bei der Industrierobotik über autonomes Fahren, Pflegeroboter, Militärroboter bis hin zu Sexrobotern. In der Konstruktion all dieser Maschinen stellen sich ethische Fragen. Etwa wer diese Maschinen programmiert hat und welche Normen und Werte durch diese Menschen implementiert wurden. Kommt ein selbstfahrendes Auto zum Beispiel in eine Dilemma-Situation und muss sich entscheiden, ob es den Abhang hinunterfährt, um eine Kollision zu vermeiden oder doch in den Gegenverkehr fährt, dann ist das eine ethische Entscheidung. Und diese Entscheidung ist bereits vorher durch die Programmierung festgelegt worden. Sobald wir die Entscheidung getroffen haben, dass wir Roboter bauen, ist klar, dass ethische Werte mit implementiert werden.

uni:view: Kommen wir konkreter zum Thema Arbeit. Welchen Wert hat Arbeit für Menschen?
Loh: Arbeit hat ganz unterschiedliche Werte für Menschen: Sie verschafft soziale Anerkennung, sie ermöglicht uns gesellschaftliche Teilhabe in der Interaktion mit anderen Menschen. Arbeit gibt uns einen gesellschaftlichen Sinn – das Gefühl, wertvoll zu sein und etwas beizutragen. Aber wie schaffen wir es, die Werte, die uns Arbeit vermittelt, zu kompensieren, wenn Maschinen uns diese Arbeit abnehmen?

uni:view: Wie sehen Sie die Entwicklung in diese Richtung?
Loh: Ich bin ja Philosophin und keine Prophetin. Alles, was ich über die Zukunft sagen kann, ist bestenfalls ein vorsichtiges Abwägen. Es gibt tatsächlich Leute wie Ray Kurzweil und andere, die prognostizieren, dass wir in naher Zukunft unseren Geist auf einen Computer hochladen können und dann in die sogenannte "Singularität" eintreten. All diese Prognosen basieren aber auf dem "Induktionsfehlschluss" – das heißt auf der Annahme, dass man von Einzelereignissen in der Vergangenheit auf die Zukunft schließen kann. Und das können wir einfach nicht.


uni:view: Wie ist dann Ihre persönliche Einschätzung?
Loh: Ich glaube, uns steht eine Transformation der Arbeitswelt bevor, die stark digitalisiert und automatisiert ist. Wir sollten die zukünftigen Generationen bereits in der Schule darauf vorbereiten, in eine veränderte Arbeitswelt einzutreten. Vielleicht werden wir es aber tatsächlich so weit bringen, dass wir die Gesellschaft über ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzieren. Dann müssen Menschen in der Schule nicht zwangsläufig auf ein Berufsleben vorbereitet werden, sondern auf ein sinnvoll gestaltetes Leben. Persönlich glaube ich aber nicht, dass Roboter alle unsere Jobs übernehmen werden, einfach deshalb, weil viele Tätigkeiten dafür zu komplex sind, wie beispielsweise Lehrberufe.

Hingegen werden Maschinen, das zeichnet sich durchaus jetzt schon ab, in bestimmten Bereichen besonders stark vertreten sein. Um eine vollständige Antwort auf die Semesterfrage geben zu können, müssten wir zuerst einmal die Frage beantworten, was uns Arbeit überhaupt bedeutet und was "gute Arbeit" ist.

uni:view: Sind das nicht Fragen, die wir uns ständig stellen?
Loh: Natürlich werden diese Fragen diskutiert, aber nicht in diesem grundlegenden Rahmen, in dem es jetzt nötig ist. Wir sehen nicht erst morgen, sondern bereits jetzt Tendenzen, dass Maschinen uns bestimmte Arbeiten abnehmen. Jetzt müssen wir uns tatsächlich fragen: Welche Arbeiten sollen das denn sein?

Wenn wir in diesem Diskurs zu dem Schluss kommen, dass wir Arbeit eigentlich nicht brauchen und Selbstwert und soziale Anerkennung anders bekommen können, wenn unsere Existenz durch beispielsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen gesichert ist, dann könnte die Antwort auf die Semesterfrage auch lauten: Wir werden morgen nicht mehr arbeiten.

uni:view: Vielen Dank für das Gespräch! (td)

Janina Loh ist Postdoc am Institut für Philosophie in der Gruppe "Philosophy of Media and Technology" rund um Mark Coeckelbergh. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Technikphilosophie, Roboterethik, Trans- und Posthumanismus und Mensch-Maschine-Beziehungen.