Neue Technik, neue Fragezeichen

Ob selbstfahrende Autos, Sprachlerntechnik oder Hightech-Prothesen: Roboter halten Einzug in alle Lebensbereiche. Den damit verbundenen ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen stellen sich die Medien- und Technikphilosophen Mark Coeckelbergh und Michael Funk in einem internationalen EU-Projekt.

Roboter kennen viele aus Science Fiction-Filmen, doch sind sie weit mehr als Menschen und Tieren nachempfundene Maschinen. Bereits heute sind sie überall: Als Hightech-Prothesen werden sie in der Medizin eingesetzt; Kinder verbessern mit intelligentem Spielzeug ihre sprachlichen Fähigkeiten. SportlerInnen vertrauen auf Smartwatches, die bequem am Körper getragen werden können und auch Eingang in die Arbeitswelt finden. In vielen Bereichen der Produktion sind Roboter ohnedies kaum mehr wegzudenken.

Der rapide technologische Wandel schafft Vorteile. "In den vergangenen Jahrzehnten hat das Internet tiefgreifende Veränderungen mit sich gebracht. Globale Kommunikation funktioniert in Echtzeit, Arbeitsabläufe wurden vereinfacht", erläutert Forschungsgruppenleiter Mark Coeckelbergh von der Universität Wien. Neue Technologien werfen aber auch ethische und rechtliche Fragen auf, fährt Projektmitarbeiter Michael Funk fort: "Wer haftet für Unfälle, die durch selbstfahrende Autos verursacht werden? Wem steht das Patent zu, wenn Roboter an der Entwicklung neuer Produkte oder Geräte beteiligt sind? Wie setzen wir sie so am Arbeitsplatz ein, dass sie den Beschäftigten zugutekommen?"

Unlängst sorgten auch interaktive Puppen für mediale Debatten: Was für die einen harmlose Spielzeuge sind, identifizierten die anderen als Datenschutzrisiko. "Sie zeichnen auf, was das Kind sagt, um ihm passende Antworten zu geben. Da sich das Kind in der Wohnung bewegt, werden dort alle Gespräche und Geräusche mitgeschnitten. Über diese Eingriffe in die Privatsphäre müssen wir nachdenken", erklärt Mark Coeckelbergh.


Wie werden wir morgen arbeiten?
Mark Coeckelbergh: "Wir werden in unserem Arbeitsleben zunehmend abhängig von künstlicher Intelligenz bzw. neuen Technologien. Einerseits erleichtern sie uns die Arbeit, andererseits kann damit auch die Erwartung an Beschäftigte einhergehen, schneller und mehr zu arbeiten. Ebenso ist absehbar, dass technische Innovationen Arbeitskräfte überflüssig machen und Arbeitsplätze verloren gehen. Aber ob lediglich wenige vom technologischen Wandel profitieren, während andere benachteiligt werden, ist eine politische Problemstellung. Es stellt sich die Frage, wie wir mit dieser Form von Ungleichheit umgehen."

Michael Funk: "Wir haben heute die Chance, morgen menschlicher zu arbeiten. Denn dass Tätigkeiten durch Maschinen ersetzt werden, entmenschlicht nicht die Arbeit, sondern zeigt, dass wir uns einen zu einfachen Arbeitsbegriff angewöhnt haben. In der heraufziehenden Krise liegt die Chance, endlich einmal das Berechenbare und Quantifizierbare den Automaten zu überlassen und sich aus der Deckung der eigenen Routine zu wagen. Wir können so viel mehr. Hoffentlich werden technische Innovationen durch echte politische und soziale Innovation geprägt – nicht umgekehrt. Daran sollten wir heute schon arbeiten."

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International und interdisziplinär

Hier setzt das Projekt "Inclusive Robotics for a better Society" (INBOTS) an, das im Horizon 2020-Programm der EU finanziert wird. Darin widmen sich 25 wissenschaftliche und privatwirtschaftliche Forschungsinstitutionen aus zwölf europäischen Ländern gemeinsam den wünschenswerten oder negativen Effekten, die für die Gesellschaft mit technischen Innovationen in der Robotik verbunden sind.

Mit den Philosophen Mark Coeckelbergh und Michael Funk ist auch die Forschungsgruppe Medien- und Technikphilosophie an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien als Projektpartnerin beteiligt. "Das INBOTS-Konsortium vereinigt technische EntwicklerInnen und Forschende unterschiedlicher Fächer – von der Informatik, Medizin bis hin zur Philosophie, der Pädagogik oder den Wirtschafts-, Sozial- und Rechtswissenschaften. Diese fachliche Breite ist sogar in EU-Projekten selten", freut sich Michael Funk.

Teilhabe ermöglichen

"Im Projekt geht aber es weniger um die Entwicklung neuer Technologien als darum, technische Innovationen in der Robotik wissenschaftlich zu begleiten", betonen die Philosophen. "Dabei binden wir die Perspektiven all jener ein, die mit Neuerungen in der Robotik zu tun haben." Dazu gehören nicht nur WissenschafterInnen und Unternehmen, sondern auch NutzerInnen, Interessengruppen und PolitikerInnen.

Das Zauberwort bei INBOTS heißt Inklusion. "Ein inklusiver Ansatz wirkt einer technologischen Entwicklung entgegen, von der lediglich manche profitieren, andere aber ausgeschlossen bleiben oder einseitig Nachteile in Kauf nehmen müssen", erläutert Mark Coeckelbergh. "Wir untersuchen die Konsequenzen technologischer Entwicklungen und fokussieren auf den zukünftigen gesellschaftlichen Umgang mit neuer Robotertechnik: Werden nur die ExpertInnen gefragt oder auch die Öffentlichkeit in die Entscheidungsprozesse einbezogen? Die Vision des Projekts ist eine Verbesserung von Kommunikation und gegenseitigem Verständnis aller Beteiligten."

Die ProjektpartnerInnen aus zwölf europäischen Ländern und diversen wissenschaftlichen Disziplinen stehen kontinuierlich miteinander im Austausch. Auf den jährlichen Konferenzen präsentieren sie, wie hier Mark Coeckelbergh, Leiter der Forschungsgruppe Medien- und Technikphilosophie an der Fakultät Philosophie und Bildungswissenschaft, ihre Forschungszugänge und -ergebnisse. (© Jaime Lara Sanchez)

Forschung für alle

Dies setzt voraus, dass Projektergebnisse sichtbar und leicht zugänglich sind. Die ProjektpartnerInnen organisieren öffentliche und Fachkonferenzen, engagieren sich in der Politikberatung und erstellen Berichte in allgemeinverständlicher Sprache, die über die Webseite der Europäischen Kommission abgerufen werden können. "Wir klären Grundbegriffe, vermitteln einen Überblick über derzeitige Entwicklungen in der Robotik und untersuchen die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen und Effekte auf verschiedene Personengruppen", erklärt Michael Funk.

"Das Recht hinkt der Entwicklung neuer Technologien und ihrer vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten meist hinterher. Unsere Aufgabe als Philosophen besteht auch darin, ethische Grundsätze für die Roboterforschung zu formulieren und für alle Beteiligten nachvollziehbar zu begründen." (jr)

Veranstaltungstipp zum Thema: "AI ethics and policy"
Im Rahmen der Lecture-Reihe "DSUniVie Talks: "What is Data Science @ Uni Vienna?" der Forschungsplattform Data Science @ Uni Vienna spricht Mark Coeckelbergh über ethische Fragen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz.
Freitag, 8. März 2019, 12.30 Uhr
Universität Wien, SR Geschichte 1, 1. Stock
Universitätsring 1, 1010 Wien
Weitere Informationen

Das Projekt "Inclusive Robotics for a better Society" (INBOTS) wird vom Horizon 2020-Programm der Europäischen Kommission gefördert und läuft von Jänner 2018 bis Dezember 2020. Das Projekt, das vom Consejo Superior de Investigaciones Científicas, CSIC in Spanien koordiniert wird, vereinigt 25 Partner aus 12 europäischen Ländern. Die Universität Wien ist mit Univ.-Prof. Mark Coeckelbergh, PhD und Michael Funk, BA MA, Forschungsgruppe Medien- und Technikphilosophie an der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft als Projektpartnerin beteiligt.