Was weiß der Film von der Wissenschaft?

Am Montag, 15. Juni, startet im Arkadenhof der Universität Wien das viertägige Filmfestival "Science Fictions". Filmwissenschafter Vrääth Öhner und Patrick Holzapfel von der AG Filmfestival über filmische Entdeckungen und die Herausforderung, ein kostenloses Festival zu organisieren.

uni:view: Vom 15. bis 18. Juni findet im Arkadenhof der Universität erstmals das Filmfestival "Science Fictions" statt. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Vrääth Öhner: Sie kam eigentlich von Stefan Hulfeld (Anm.d.R: Professor am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft). Wir wollten für das Jubiläumsjahr etwas Besonderes auf die Beine stellen und es war schnell klar: Es soll ein Filmfestival im Arkadenhof werden. Im Rahmen einer Arbeitsgruppe – die sich aus wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Studierenden zusammensetzt – haben wir drei Vorschläge erarbeitet, uns aber ebenfalls ziemlich schnell auf den recht naheliegenden Titel "Science Fictions" geeinigt.

uni:view: Es stehen nun insgesamt acht Filme verschiedener Genres und Epochen auf dem Programm von "Science Fictions". Wie ist diese Auswahl zustande gekommen?
Öhner: Zunächst haben die TeilnehmerInnen der Arbeitsgruppe einen umfangreichen Pool an Filmen zusammenzutragen und angeschaut. Schließlich wurden die einzelnen Filme in einer Reihe von Sitzungen diskutiert und Punkte vergeben: Auf wie viele verschiedene Aspekte von Wissenschaft, Campusleben oder Studium gehen die einzelnen Filme ein? Damit wollten wir eine wissenschaftliche Grundlage schaffen und sicherstellen, dass die Auswahl der Filme nicht allein vom Geschmack der Einzelnen bzw. dem rhetorischen Talent der BefürworterInnen abhängt. Die Idee war natürlich: Je mehr Aspekte, desto besser!

uni:view: Spielt bei der Auswahl nicht immer auch der Filmgeschmack mit rein?
Patrick Holzapfel: Natürlich ist so eine Filmauswahl immer irgendwie subjektiv. Es ist uns aber gelungen, einen demokratischen Ablauf zu schaffen. Schlussendlich ist also kein Film dabei, den jemand aus der Gruppe komplett abgelehnt hat, und keiner konnte einen Film im Alleingang durchboxen. Neben dem inhaltlichen Aspekt der Wissenschaft haben wir natürlich auch darauf geachtet, dass es sich um filmisch interessantes Material handelt.
 
Öhner: Deshalb war von Anfang an klar, dass wir auch ältere Sachen zeigen wollen. Dabei war es nicht immer einfach, herauszufinden, wer der richtige Ansprechpartner für den jeweiligen Film ist bzw. bei wem die Rechte liegen.

uni:view: Gab es noch andere "Stolpersteine" bei der Organisation?
Öhner: Uns zusammenzuraufen (lacht). Nein, im Großen und Ganzen ist es sehr gut gelaufen. Während man bei alten Filmen aber oft das Problem hat, die richtige Ansprechperson zu finden, ist es bei neuen Filmen meist so, dass man diese für ein Gratis-Festival nicht so einfach bekommt. Der Verleih will nicht, dass die Filme – solange sie noch in der Auswertung sind – gratis gezeigt werden und rückt sie daher nicht raus.

Holzapfel:
Obwohl wir als FilmwissenschafterInnen ja bereits sehr viele Filme gesehen haben, ist uns aufgefallen, dass es relativ wenige gibt, die im wissenschaftlichen Milieu angesiedelt sind. Und natürlich war unsere große Angst, etwas Entscheidendes zu übersehen – sprich einen Film, der ganz einfach in diesen Themenschwerpunkt gehört. Es war daher wichtig und es ist uns auch gelungen, ein gewisses Selbstbewusstsein zu entwickeln, und wir trauen uns zu behaupten: Wir haben eine sehr gute Auswahl getroffen.

Vrääth Öhner (li.) und Patrick Holzapfel (re.) sind Teil der AG Filmfestival, die das Filmfestival kuratiert und sich aus wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Studierenden des Instituts für Theater-, Film- und Medienwissenschaften zusammensetzt. Mit dabei waren außerdem: Andrey Arnold, Angelika Beckmann, Sebastian Brunner, Andreas Ehrenreich, Nicole Kandioler und Joachim Schätz.

uni:view: Und was weiß nun der Film von der Wissenschaft?
Öhner:
Das Programm zeigt, dass man diese Frage nicht so allgemein beantworten kann. Am ersten Tag des Festivals geht es um die Frage, wie wissenschaftliche Community funktioniert oder welches Bild von der wissenschaftlichen Community entworfen wird – Stichwort "Elfenbeinturm". Auf der einen Seite gibt dieser Tag einen Rückblick auf das Bild der Wissenschaft der 40er Jahre – ein Bild allerdings, das auch damals schon als Groteske wahrgenommen werden konnte – und auf der anderen Seite einen Blick auf die Machinationen rund um die Verleihung von Wissenschaftspreisen.

Holzapfel:
Zwischen "Ball of Fire" und "Footnote" liegen zwar knapp 70 Jahre, aber die Talmud-Wissenschaft, um die es im zweiten Film geht, ist wahrscheinlich ähnlich unbekannt in der Öffentlichkeit wie die lustigen Wissenschafter aus den 40er Jahren, die in "Ball of Fire" an der Enzyklopädie des menschlichen Wissens arbeiten.

uni:view: Was war Ihnen bei der Auswahl der Filme besonders wichtig?

Öhner: Dass verschiedene Bereiche von Wissenschaft in Verbindung mit etwas anderem thematisiert werden. Am letzten Tag steht ganz klar die Forschung im Zentrum. Im Film "Computer Chess" geht es um die Entwicklung von künstlicher Intelligenz – im weitesten Sinn. Bei "Altered States", übrigens ein visuell sehr beeindruckender Film, geht es um bewusstseinserweiternde Experimente und experimentelle Forschung im Hollywood Kontext. Am Mittwoch, 17. Juni, steht die Atomforschung und Raketenentwicklung im Mittelpunkt. In diesen Filmen spielt natürlich der politische Hintergrund dieser Zeit eine wichtige Rolle.

Holzapfel: Ich glaube, dass Filme, die Wissenschaft thematisieren, immer dann interessant sind, wenn sie die Wissenschaft kontextualisieren: sie gegen etwas stellen, in eine andere Welt setzen oder in einem sozialen oder politischen Zusammenhang verhandeln. Gleichzeitig zeigen wir, dass es auch spannend sein kann, in die Strukturen des Wissenschaftsbetriebs an sich einzutauchen: Das passiert am zweiten Tag mit den Filmen "Führung", "Unibrennt" – der ja an unserer Universität entstanden ist – und "At Berkeley". An diesem "Doku-Tag" geht es tatsächlich um verschiedene Ansichten und Aspekte der Existenz von Universitäten. Berkeley ist dafür ein wichtiger Ort: Hier wird eine ganz besondere Form von Wissenschaft und Vermittlung im Kontext amerikanischer Spitzenunis betrieben.

uni:view: Was lernt man durch das Kuratieren eines Filmfestivals für das Studium?
Holzapfel: Es war auf jeden Fall eine interessante Erfahrung! Ich musste mich erstmals ganz anders mit Filmen auseinandersetzen, als ich das aus dem Studium gewohnt bin: Anhand eines Themas habe ich mich durch alle Zeiten und Genres durchgearbeitet und viele Inszenierungsstrategien von Regisseuren und Möglichkeiten, an ein Thema heranzugehen, kennengelernt. Das Verbinden unterschiedlicher Zugänge, das Suchen nach Parallelen und die Kommunikation des Ganzen waren sehr spannend. Ich habe gelernt, zu argumentieren und mich für einen Film fachlich und sprachlich richtig einzusetzen: Ich konnte nicht einfach sagen, ich finde diesen Film gut, sondern musste das vor der Gruppe diskutieren und zum Teil auch den WissenschafterInnen widersprechen.

uni:view: Es gab neben der AG Filmfestival noch zwei Lehrveranstaltungen, die sich mit dem Filmfestival beschäftigten. Welche Aufgabe hatten die Studierenden dabei?
Öhner: Das Rahmenprogramm zu gestalten: Unter der Leitung von Holger Reichert haben sie in der gleichnamigen Lehrveranstaltung kurze Videoclips zum Thema "My Personal University" geplant, geschnitten und vertont. Diese werden als Vorfilme gezeigt.

Holzapfel: Bei den meisten Filmfestivals werden Filme ja nicht nur gezeigt, sondern auch diskursiviert. Weil wir nicht über die logistischen und finanziellen Ressourcen verfügen, um die RegisseurInnen unserer Hauptfilme zum Gespräch einzuladen, werden Studierende unseres Instituts diesen Part übernehmen. Im Rahmen der Lehrveranstaltung "Filmfestival 2015" haben sie daher die Einführungen zu den acht Hauptfilmen vorbereitet.

uni:view: Und was ist nun Ihr persönlicher Lieblingsfilm aus dem Programm?
Öhner: Natürlich alle (lacht).

Holzapfel: "At Berkeley" ist in ganz vieler Hinsicht mein persönlicher Lieblingsfilm. Zwei wundervolle Entdeckungen für mich – also Filme, die ich durch diese Sache erst kennengelernt habe – sind "9 Tage eines Jahres" und "Altered States". Es freut mich sehr, dass es diese Filme in die finale Auswahl geschafft haben. Sie sagen zwar etwas über Wissenschaft aus – aber völlig anders, als man es zuerst glauben würde. "Altered States" ist einfach eine Explosion von einem Film, der die wissenschaftliche Erfahrung und den Ehrgeiz, der damit verbunden ist, auf einer sinnlichen Ebene filmisch greifbar macht.

uni:view: Wird es nach dem Jubiläumsjahr wieder ein Filmfestival vom Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Uni Wien geben?
Öhner: Das hängt natürlich vom Erfolg ab. Aber ich habe gehört, dass es bereits solche Ideen geben soll ... (ps)

Gewinnspiel: uni:view verlost Platzreservierungen!
Die Sitzplatzzahl beim Film Festival "Science Fictions" ist begrenzt (ca. 200 Sitzplätze im Kleinen Festsaal, ca. 400 Sitzplätze im Arkadenhof). Sichere dir einen fixen Platz: uni:view verlost 10 x 2 Platzreservierungen! Einfach eine E-Mail mit dem Wunschfilm an uniview.gewinnspiel(at)univie.ac.at und Betreff "Platzreservierung Film Festival". Aus allen Einsendungen werden die GewinnerInnen am Montag, 15. Juni, ausgelost und erhalten neben der Platzreservierung für ihren Wunschfilm noch ein kleines Überraschungsgeschenk.

Filmfestival "Science Fictions" der Universität Wien
Montag, 15. Juni 2015, bis Donnerstag, 18. Juni 2015
jeweils 19 Uhr: Kleiner Festsaal der Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien
jeweils 22 Uhr: Arkadenhof der Universität Wien (Open Air), Universitätsring 1, 1010 Wien (bei Schlechtwetter im Kleinen Festsaal)
Programm
Freier Eintritt