Mein Business: "Ohne meine Mitgründerinnen hätte ich es nicht ausgehalten!"
| 12. April 2018Von Chancengleichheit in der Berufswelt können viele nur träumen. Deswegen hat Julian Richter gemeinsam mit seinen Co-Gründerinnen Lisa -Maria Sommer und Nina Poxleitner ein Social Business ins Leben gerufen, das hochqualifizierte Geflüchtete beim Einstieg in die Arbeitswelt unterstützen soll.
Stellen Sie uns bitte Ihr Unternehmen in zwei Sätzen vor …
Julian Richter: MORE THAN ONE PERSPECTIVE (MTOP) ist ein Social Business, das hochqualifizierte Geflüchtete und Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt zusammenführt. Wir bieten Geflüchteten ein sechsmonatiges Weiterbildungsprogramm an, in dem wir sie auf den Arbeitsmarkt in Europa vorbereiten und anschließend an passende Unternehmen weitervermitteln.
Im Dossier "Mein Business" stellen Alumni der Universität Wien ihr Startup vor und verraten Tipps und Tricks für (zukünftige) GründerInnen. Das Dossier läuft in Kooperation zwischen dem uni:view-Magazin, der DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung und dem Alumniverband.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen – und wann stand fest: Ich gründe eine Firma?
Richter: Die Idee hat sich im Sommer 2015 gefestigt, wo wir, meine zwei Co-Gründerinnen und ich, gemeinsam erkannt haben, dass wir sehr gut zusammenarbeiten und es viele spannende Bereiche gibt, in denen wir gemeinsam etwas verändern wollen. Ungefähr zur selben Zeit habe ich einen Geflüchteten in meine WG aufgenommen und musste miterleben, wie dieser mittlerweile enge Freund mit seiner akademischen Ausbildung und all seiner Motivation nicht am Arbeitsmarkt ankommen konnte.
Daraus entstand dann die Idee, genau dort anzusetzen und geflüchteten Menschen mit guter Ausbildung die Unterstützung zu geben, die sie brauchen. Ende 2015 stand fest – wir probieren das aus und gründen gemeinsam.
Sie haben Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien studiert. Inwiefern hat ihr Studium beim Weg in die Selbstständigkeit eine Rolle gespielt?
Richter: Mein Studium hat mich nicht direkt auf die Gründung eines Unternehmens vorbereitet – VWL ist nicht unbedingt das Studium für Entrepreneure. Dennoch habe ich im Laufe des Studiums die Grundlagen für Problemlösung gelernt und einen Blick für gesamtwirtschaftliche Probleme bekommen – das hilft oft.
Am Montag, 18. Juni, findet in der Aula am Campus der Universität Wien zum zweiten Mal die Entrepreneurship Night statt. Keynote Speaker aus der Gründerszene und ein vielfältiges Rahmenprogramm mit Workshops, Tipps und Tricks von erfolgreichen GründerInnen bieten die Gelegenheit, alles über Entrepreneurship in Erfahrung zu bringen. Zum Video: Das war die Entrepreneurship Night 2017 (© Shutterstock)
Haben Sie sich das Gründen so vorgestellt?
Richter: Vieles ja und vieles auch nicht, denn es war komplett anders, als alles, was ich davor gemacht habe. Aber durch unser dreier Team, welches gemeinsam die Idee entwickelt hat und jetzt umsetzt, sind wir in der glücklichen Lage, uns gegenseitig viel Halt zu geben. Zusätzlich werden wir von tollen Mentoren mit unterschiedlichem Background begleitet.
Was war für Sie die größte Herausforderung?
Richter: Es gibt aus meiner Sicht nicht diese eine große Herausforderung, die es zu überwinden gilt und dann ist alles gut. Es ist eher die Summe der Herausforderungen, die manchmal überwältigend wirkt. Schwierig war für mich die Entscheidung, statt eines sicheren Jobs in die absolute Unsicherheit zu wechseln und das Ganze als eine Lernchance zu sehen und nicht als "ich darf nicht scheitern"-Situation.
Ihr schönster Augenblick?
Richter: Bisher gab es schon so viele schöne Augenblicke. Wenn ich einen rauspicken müsste, war es der Moment, als wir gemeinsam realisiert haben: Das, was wir da machen, funktioniert und es gibt dafür finanzielle Unterstützung. Wir dürfen weitermachen! Es ist auch jedes Mal schön, wenn wir miterleben dürfen, wie eine/einer unserer TeilnehmerInnen die Zusage für den ersten Job hier in Österreich bekommt.
Im Rahmen des WTZ Ost Weiterbildungsprogramms 2017/2018 findet am 19. April ein Workshop zum Thema "Creativity Confidence & Design" statt. Dieser wendet sich an Entrepreneure bzw. Selbstständige, die durch verschiedene Tools aus dem Design-Bereich Innovation begünstigen wollen. (© WTZ Ost) Zur Anmeldung
Haben Sie Vorbilder?
Richter: Ich habe nicht diesen einen Menschen, dieses eine Vorbild, dem ich versuche nachzueifern. Ich bin aber von Menschen umgeben, die ich auf eine bestimmte Art und Weise bewundere und mir für Teile meines Lebens als Vorbild nehme: Seien das Teile meiner Familie, wie meine Eltern oder Großeltern, aber auch gute Freunde, ehemalige KollegInnen und WegbegleiterInnen, die ich erst im Rahmen der Gründung richtig kennengelernt habe.
Welche Tipps würden Sie Ihrem damaligen "Gründer-Ich" aus heutiger Sicht geben?
Richter: Nur Mut, das wird schon! Man muss nicht alle Fehler selbst machen – manchmal reicht es, jemanden um Rat zu fragen, der/die dasselbe schon erlebt hat.
Wie hätte Sie die Uni mehr unterstützen können?
Richter: Für mich wäre ein Netzwerk von Alumni, die selbst gegründet haben, hilfreich gewesen. Mit anderen GründerInnen vernetzt zu werden und vielleicht einen Zugang zu Studierenden zu schaffen, die Interesse daran haben, an einem bestimmten Problem mitzuarbeiten.
Steckbrief
Name: Julian Richter
Alter: 31
Studium: Volkswirtschaftslehre
Gründungsjahr: 2016
Mein Business: MORE THAN ONE PERSPECTIVE
Mein Motto: Potenziale sehen und aufzeigen
Mein Tipp für GründerInnen: Findet jemandem, mit dem ihr gemeinsam gründen wollt – ohne meine Mitgründerinnen hätte ich es nicht ausgehalten.
Link zur Webseite: www.mtop.at
Das Interview führte Lisa Grabner (DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung sowie Wissenstransferzentrum Ost).