Buchtipp des Monats von Bea Maas
| 07. Mai 2018Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen und Naturschutz sind für Biodiversitätsforscherin Bea Maas inspirierend für ihre Forschung. Ihre jüngste Publikation zeigt den Nutzen von Vögeln und Fledermäusen im ökologischen Kakaoanbau. uni:view verlost drei Bücherpakete.
uni:view: Sie erforschen das Zusammenspiel von Vögeln, Fledermäusen und Kakaoplantagen in Indonesien. Wie sind Sie auf Kakao gekommen bzw. was macht ihn so interessant für Sie?
Bea Maas: Wenn man heute in die Tropen reist und aus dem Flugzeug blickt, sieht man häufig ein dramatisches Bild: Die tropischen Regenwälder sind in vielen Teilen der Welt großflächigen, intensiv genutzten Landnutzungssystemen gewichen. Als Studentin stellte sich da auch mir die Frage: Wie können wir nachhaltiger mit unseren Ressourcen umgehen und das Zusammenleben von Mensch und Natur verbessern?
Spendenaufruf für Palu, Indonesien
Die Stadt Palu in Indonesien wurde Ende September von einem Erdbeben und Tsunami zerstört und hat zahlreiche Menschen schwer getroffen. Bea Maas hat über sieben Jahre in diesem Gebiet geforscht und hat bis heute viele Freunde dort: "Palu ist für mich wie eine zweite Heimat." Daher hat sie gemeinsam mit KollegeInnen eine Spendenkampagne ins Leben gerufen, um Menschen in Palu zu helfen. (© Fabian Brambach)
Indonesien ist ein Hotspot für weltweite Artenvielfalt, der größte Produzent von Palmöl und der drittgrößte Kakaoproduzent. Im Vergleich zu vielen anderen Landnutzungssystemen kann der Kakaobaum, der häufig zusammen mit anderen Pflanzen und vor allem von Kleinbauern angebaut wird, sehr artenreich sein. Biodiversität und Produktivität gehen hier zusammen: Vögel und Fledermäuse leisten natürliche Schädlingskontrolle, die zu 30 Prozent mehr Kakaoertrag führen kann. Dieses Potenzial für ökologisch nachhaltige Landnutzung in Verbindung mit Naturschutz sowie die enge Zusammenarbeit mit Kakaobauern, begeistern und inspirieren mich in meiner Forschung.
Eine gesunde Biodiversität kann zu bis zu 30 Prozent mehr Kakaoertrag führen, fand Bea Maas – im Bild mit einer Kakaobohne – heraus. (© privat)
uni:view: Immer wieder hört man von schwierigen Arbeitsbedingungen auf Plantagen. Wie gestaltet sich die Situation in Ihrer Forschungsgegend?
Maas: Die Kakaopflanze, die aus dem Unterwuchs des Amazonasregenwalds stammt und somit ökologisch auf Schattenbäume angewiesen ist, erreichte die Insel Sulawesi erst vor dreißig Jahren. Kakao verbreitete sich schlagartig und dieser "Boom" verbesserte die Lebensbedingungen von vielen Kleinbauern. Doch es mangelt vielen an Erfahrung und Wissen über den Kakao-Anbau, was dazu führt, dass viele Plantagen nicht so produktiv und nachhaltig sind, wie sie sein könnten. Dadurch werden zahlreiche Kakaoplantagen aufgegeben oder in artenärmere Monokulturen ohne Schattenbäume verwandelt, die sich nur wenige Jahre halten können und anschließend durch Ölpalmen und andere intensive Landnutzungsformen ersetzt werden. Die Förderung von ökologisch nachhaltigem Kakao, die wir auch als KonsumentInnen unterstützen können, könnte daran vieles verbessern.
uni:view: Zu Ihren Erkenntnissen: Wie wichtig sind Vögel und Fledermäuse für die Landnutzung, konkret für Kakaoplantagen?
Maas: Vögel und Fledermäuse sind durch ihren Artenreichtum und ihre Mobilität sehr nützlich für uns. Sie leisten durch natürliche Schädlingskontrolle, Bestäubung und Samenverbreitung Funktionen, die einen hohen ökologischen und ökonomischen Wert haben. Wenn sie im Kakao fehlen, wie wir durch Ausschluss-Experimente gezeigt haben, geht ein Drittel der Kakaoernte verloren. Das entspricht einem Verlust von 730 US-Dollar pro Hektar und Jahr – auf die Fläche von Indonesien gerechnet ein Schaden in Milliardenhöhe! Dieser hohe Wert hat sich auch in anderen tropischen Nutzungssystemen wie Kaffee und Macadamia gezeigt, wie wir durch eine internationale Studie belegen konnten.
Bea Maas zur aktuellen Semesterfrage: Steigende Temperaturen sind eine Herausforderung für viele Lebewesen und die Ökosysteme, besonders in den ohnehin schon warmen Tropen. Sie können zu Anpassungen oder Verlusten von Arten führen, deren Folgen noch weitgehend unbekannt sind. Daher sind lösungsorientierte Forschung und Aufklärungsarbeit wichtig, um negativen Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken und das gesellschaftliche Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen.
Zusammen mit meinen KollegInnen von der Universität Göttingen, Teja Tscharntke, und der Universität Tadulako in Palu, Aiyen Tjoa, habe ich ein zweisprachiges Buch zu diesem Thema herausgebracht, das unsere Ergebnisse in leicht verständlicher englischer und indonesischer Sprache zusammenfasst. Neben der Publikation unserer Ergebnisse in wissenschaftlichen Fachzeitschriften, ist es uns sehr wichtig, auch die lokalen Kleinbauern, Familien und Studierenden zu erreichen. Der gemeinsame Austausch über den Nutzen von Biodiversität und Nachhaltigkeit im Kakao kann das Wohlergehen von Mensch und Natur verbessern – auch wenn mehr Forschung und Aufklärungsarbeit gebraucht wird, um dieses Potenzial besser auszuschöpfen.
uni:view: Was ist Ihre Lieblingsschokolade und wie genießen Sie diese am liebsten?
Maas: So vielfältig wie der Kakaoanbau ist, so zahlreich sind auch die Schokoladensorten, die er hervorbringt. Wenn ich nicht gerade das Glück habe, eine rohe Kakaobohne und ihr köstliches Fruchtfleisch direkt im Anbaugebiet zu genießen, dann greife ich gerne zu einem Stück dunkler Schokolade zusammen mit einem guten Buch. Da kommt für mich nur ökologisch zertifizierte Schokolade in Frage – die macht besonders glücklich.
Das Gewinnspiel ist bereits verlost. Doch die gute Nachricht: In der Universitätsbibliothek stehen die Bücher interessierten LeserInnen zur Verfügung:
1 x "Effects of Ecosystem Services Provided by Birds and Bats in Smallholder Cacao Plantations of Central Sulawesi" von Bea Maas, Teja Tscharntke und Aiyen Tjoa
1 x "Der Malayische Archipel" von Alfred Russel
uni:view: Welches Buch empfehlen Sie unseren LeserInnen?
Maas: "Der Malayische Archipel". Darin beschreibt der britische Naturforscher Alfred Russel Wallace seine größte Forschungsreise, auf der er von 1854 bis 1862 mehr als 20.000 Kilometer zurücklegte. In diesem Buch steckt so viel zeitloses Abenteuer und Wissen. Kein anderes Buch beschreibt die Vielfalt der Natur und Kultur der indonesischen Inseln so umfassend und fesselnd und kein anderer als Wallace war es, der damals Charles Darwin einen entscheidenden Brief über seine Theorien zur natürlichen Selektion der Arten geschrieben hat, gebeutelt von einem Fieberschub auf der Insel Ternate.
uni:view: Einige Gedanken, die Ihnen spontan zu diesem Buch einfallen?
Maas: Dieses Buch ist ein Klassiker, Standardwerk und Geheimtipp. Es ist bei weitem nicht so bekannt wie "Die Entstehung der Arten" von Charles Darwin, dem Wallace dieses Buch gewidmet hat – doch nicht weniger bedeutend. Wer sich für kulturelle und natürliche Vielfalt interessiert, sowie für Reiseabenteuer und Geschichte, wird von diesem Buch begeistert sein. Das Buch begleitet mich bis heute auf jede Reise nach Indonesien und in meinem Büro in Wien greife ich bei der wissenschaftlichen Arbeit immer wieder danach, um etwas nachzuschlagen. Begeistert hat mich zudem, dass ich in Indonesien bereits zahlreiche Eltern getroffen habe, die ihre Söhne Alfred oder Russell genannt haben, inspiriert von dieser großen Geschichte eines einmaligen Naturforschers und Entdeckers.
uni:view: Sie haben den letzten Satz gelesen, schlagen das Buch zu. Was bleibt?
Maas: Lust auf Reisen, Abenteuer und Natur – mit einer großen Portion Demut und Dankbarkeit. (td)
Mag. Dr. Bea Maas ist am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Fakultät für Lebenswissenschaften an der Universität Wien tätig.