Sieben Frauen erobern den Arkadenhof
Redaktion (uni:view) | 01. Juli 2016Bisher war der Arkadenhof der Universität Wien von Männerbüsten dominiert – nun haben sich ihnen vorerst sieben Denkmäler für Wissenschafterinnen hinzu gesellt. Am 30. Juni wurden die Kunstwerke im Beisein der KünstlerInnen, des Rektors und zahlreicher Gäste feierlich enthüllt.
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Im Arkadenhof der Universität Wien gab es bislang 153 Büsten und Gedenktafeln für Wissenschafter und lediglich eine Tafel für eine Frau – Marie von Ebner-Eschenbach. Das 650-Jubiläumsjahr nahm die Universität zum Anlass, dies zu verändern und schrieb einen Kunstwettbewerb aus. Das Resultat: sieben neue Denkmäler für Wissenschafterinnen der Universität Wien: Charlotte Bühler, Marie Jahoda, Berta Karlik, Lise Meitner, Grete Mostny-Glaser, Elise Richter und Olga Taussky-Todd.
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"Warum gibt es keine Frauen im Arkadenhof?" – in seiner Begrüßungsrede sagte Rektor Heinz W. Engl, dass er sich selbst auch immer diese Frage gestellt habe und sich freue, dass das Versäumnis erstmalig 2009 durch das Kunstprojekt "Der Muse reicht's" thematisiert wurde. Die 650-Jahr-Feierlichkeiten mit u.a. dem Themenschwerpunkt Gendergerechtigkeit waren Anlass, die Ehrung von Frauen im Arkadenhof zu forcieren. "Die KünstlerInnen haben die geehrten Frauen, deren wissenschaftliche Leistung längst unumstritten ist, nun auch im Arkadenhof eindrücklich positioniert", so Engl.
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Michael Viktor Schwarz, Vorsitzender des Senats, betonte, dass der Arkadenhof im Herzen der Universität Wien liege und es daher besonders wichtig sei, ihn fortlaufend umzudeuten und lebendig zu halten. Die neuen Denkmäler sollen die Kreativität, wissenschaftlichen Leistungen und gesellschaftliche Bedeutung der herausragenden sieben Wissenschafterinnen widerspiegeln.
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Eva Nowotny, Vorsitzende des Universitätsrats, sprach darüber, dass Frauen lange Zeit der Zugang zur universitären Ausbildung versperrt und erst 1897 ermöglicht wurde. Während damals lediglich 37 weibliche Studierende auf rund 7.000 männliche Studierende kamen, sei heute der Großteil der über 90.000 Studierenden weiblich. Die sieben neuen Denkmäler seien ein kraftvoller Beweis, dass aus der Geschichte Lehren gezogen werden, worüber sie sich nicht nur als Universitätsratsvorsitzende, sondern auch als ehemalige Studentin freue.
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Mona Hahn von der Akademie der bildenden Künste Wien und Mitglied der Wettbewerbsjury erläuterte die künstlerische Perspektive der Denkmäler und stellte den Zugang und die Intentionen der drei KünstlerInnen vor.
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Im Anschluss spielten die Schauspielerinnen Katrin Grumeth und Anita Zieher von portraittheater das Stück "Endlich da! – Eine sieben-Leben-Performance" der Regisseurin Sandra Schüddekopf und hauchten den Denkmälern durch ihre biographische Wiedergabe der Biografien der Wissenschafterinnen aus der Ich-Perspektive Leben ein.
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Catrin Bolt setzte Entwürfe zur Ehrung der Romanistin Elise Richter und Sozialpsychologin Marie Jahoda um. Sie arbeitet mit den sich im Laufe der Zeit angesammelten Patina-Schichten der Säulen: "Durch teilweise Reinigung können drei Helligkeitsstufen sichtbar gemacht werden: die ursprüngliche Farbe der Wand, eine mittlere und die derzeitige, dunkle, die belassen wird. Durch diese Variationen kann man fotografische Porträts zu einem Wandbild übersetzen, die in Lebensgröße auf den Seitenwänden der Säulen des Arkadenhofs auf Augenhöhe angebracht werden."
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Die Idee hinter dieser Technik ist, die Ehrenmäler direkt in die Architektur und über die Zeit entstandenen Schichten einzuschreiben und aus ihnen das Abbild herauszuarbeiten, als wäre es schon immer da gewesen. (zum Interview mit Catrin Bolt)
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Thomas Baumann realisierte Denkmäler für die Psychologin Charlotte Bühler sowie die Physikerinnen Berta Karlik und Lise Meitner. Für die Umsetzung von Charlotte Bühler erfolgte der Querverweis zur Entwicklungspsychologie durch ein auf einer Säule abgebildetes Labyrinth, auf dem das vier Millimeter starke Kunstwerk ihres modellierten Kopfes aufsitzt.
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"Meine Kunst hat mit Wissenschaft, vor allem mit Physik, eine Menge zu tun. Mich beschäftigt die Kybernetik, das Regeln und Steuern von Maschinen", erklärt Thomas Baumann, seinen Zugang.
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Die Technik für die Umsetzung der Physikerinnen-Denkmale erfolgt durch Lasergravur in Glas, wobei durch die Zusammensetzung mehrerer Glaskuben eine 3D-artige Darstellung erzielt wird. (zum Interview mit Thomas Baumann)
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Karin Frank gestaltete Denkmäler für die Archäologin Grete Mostny-Glaser und die Mathematikerin Olga Taussky-Todd. "Für die Ehrung von Grete Mostny wird die Verbindung zum Fachgebiet der Archäologie durch die Darstellung von Petroglyphen auf der Bekleidung umgesetzt", erklärt Karin Frank.
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Die Verbindung zum wissenschaftlichen Fach für die Darstellung von Olga Taussky-Todd erfolgt über das Fünfeck als mathematisches Symbol. Ihr Relief wurde aus Aluminium gegossen. (zum Interview mit Karin Frank)
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Rektor Heinz W. Engl (2.v.li.) mit den KünstlerInnen Catrin Bolt, Thomas Baumann und Karin Frank.
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Ursula Wagner von der Abteilung Gleichstellung und Diversität freut sich, dass bei den neuen Denkmälern einzelne weibliche Persönlichkeiten im Vordergrund stehen. "Ich finde es sehr erhebend zu sehen, was die Wissenschafterinnen geleistet haben. Da ich selbst Feldforschung betreibe, stehe ich natürlich vor dem Denkmal von Marie Jahoda."
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Robin Golser, Dekan der Fakultät für Physik, freut sich, dass durch die Denkmäler ausgezeichnete Wissenschafterinnen, wie u.a. die beiden Physikerinnen Lise Meitner und Berta Karlik, sichtbar werden. "Das ist ein Anfang, der fortgeführt werden wird", so Golser.
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Im Anschluss nutzen die zahlreichen Gäste die Gelegenheit, sich bei Getränken und Buffet über die Denkmäler auszutauschen und den Abend feierlich abzuschließen. (Fotos: derknopfdruecker.com/Text: uni:view)