Die Zukunft der Arbeit beginnt heute

Die Podiumsdiskussion zur "Semesterfrage 2019: Wie werden wir morgen arbeiten?" am gestrigen Montag, 27. Mai 2019, entwickelte sich schnell zur Bildungsdebatte. Denn ob wir uns auf unvorhersehbare Veränderungen am Arbeitsmarkt bestmöglich vorbereiten oder diese aktiv mitgestalten wollen: Bildung sei der Schlüssel.

Ja, wir werden morgen arbeiten! In neuen Berufen - ja auch, aber vor allem in bestehenden, die sich verändern. Wie? Flexibler, digitaler, internationaler. So fasst Johannes Kopf, Mitglied im Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) und Absolvent der Uni Wien (Rechtswissenschaften), seine Antwort auf die Semesterfrage "Wie werden wir morgen arbeiten?" in seinem Einstiegsreferat zur anschließenden Paneldiskussion zusammen.

Der Große Festsaal ist voll – "Sie haben sich für das wichtigere Thema entschieden", so Rektor Engl in seiner Begrüßung in Anspielung auf die aktuellen innenpolitischen Ereignisse, die zwar den Standard-Chefredakteur Martin Kotynek davon abhielten, wie geplant den Abend zu moderieren – es übernahm seine Stellvertreterin Nana Siebert – nicht aber zahlreiche Studierende und Interessierte vom Besuch der Semesterfrage-Abschlussveranstaltung. Sie waren nicht dabei? Hier können Sie die gesamte Veranstaltung nachschauen.


Wie immer bildet die Podiumsdiskussion den Höhepunkt bzw. Abschluss der Semesterfrage – die Zukunft der Arbeit steht schon seit März 2019 im Mittelpunkt der Berichterstattung auf allen Kanälen der Uni Wien; in Kooperation mit "Der Standard" konnten UserInnen mit Uni Wien-ExpertInnen diskutieren. Zum Einstieg in die heutige "analoge" Diskussion wird ein Video-Zusammenschnitt der Antworten von Wissenschafterinnen auf die Frage "Wie werden wir morgen arbeiten?" gezeigt.

"Je höher die Bildung, desto niedriger die Arbeitslosigkeit", die Zukunft am Arbeitsmarkt sei "dunkel für jene, die nichts gelernt haben", "Jobs für Menschen ohne Ausbildung verschwinden", erklärt Johannes Kopf in seinem Impulsreferat und eröffnet damit den inhaltlichen Fokus des Abends: die Rolle von Bildung in der Diskussion zur Zukunft der Arbeit. Seine Empfehlung an Politik und Gesellschaft: in Frühförderung investieren, den Zugang zu Bildung für alle sicherstellen, Lernfähigkeit aufrechterhalten und, ganz konkret, auf das Modell "Lehre nach Matura" setzen.

Das Podium des Abends im Kurzporträt (v.l.n.r.): Neben Johannes Kopf (li.) sitzt Laura Wiesböck – sie ist Universitätsassistentin am Institut für Soziologie der Uni Wien und forscht schwerpunktmäßig u.a. zu Migration und zur Transnationalisierung von Arbeit. Annika Schönauer (3.v.li.) ist Mitglied des Leitungsteams der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA), hat an der Uni Wien Soziologie und Ethnologie studiert und arbeitet u.a. zur Flexibilisierung, Digitalisierung und Zukunft von Arbeit. Zur Rechten der Moderatorin Nana Siebert (Bildmitte) hat Whatchado-Co-Founder, Autor des "Work Report 2019" und Europäischer Jugendbotschafter Ali Mahlodji Platz genommen. Auch Eva Zehetner (2.v.re.), Personalchefin der A1 Telekom Austria Group, ist Alumna der Uni Wien, und zwar der Internationalen Betriebswirtschaft. Mark Coeckelbergh (re.) ist Professor für Medien- und Technikphilosophie an der Uni Wien; seine Arbeitsgebiete sind Robotics und Künstliche Intelligenz.

Angesprochen auf den Bestseller "Homo Deus. Eine Geschichte von morgen" des israelischen Historikers Yuval Harari, kritisiert Annika Schönauer den darin geprägten Begriff "Klasse der Nutzlosen". Anerkennung könne man nicht nur aus der Erwerbsarbeit, sondern auch aus anderen Bereichen schöpfen: "Soziale Teilhabe muss auch außerhalb der Erwerbsarbeit möglich sein".

Dass sich die (im Wohlstand aufgewachsene) Jugend sowieso über andere Werte definiere, zum Beispiel der Freizeitgestaltung viel Gewicht beimesse, kein Interesse an Work-Life-Balance habe, sondern an einer klaren Trennung von Arbeit und Freizeit (Ali Mahlodji), und schon mal im Bewerbungsgespräch nach dem CSR-Konzept der Firma frage (Johannes Kopf), sind weitere Aspekte dieses Themas, die im Laufe des Panel-Gesprächs diskutiert werden.

Außerdem müsse die Frage gestellt werden, wie Leistung definiert wird, betont Laura Wiesböck. "Wir sprechen nur von Erwerbsarbeit, aber wir müssen auch über Vermögen sprechen: Erben und Schenken sind leistungslose Transfers".

Für den Europäischen Jugendbotschafter Ali Mahlodji, der viel in Schulen unterwegs ist, dort aber "vor allem mit den Erwachsenen arbeiten muss", liegt die Zukunft der Arbeit in unseren Kindern, die noch Fragen stellen – diese Neugierde und Lernfreude werde ihnen von Schule und Erwachsenen genommen. Aber heute wollen auch UnternehmerInnen, dass ihre MitarbeiterInnen Fragen stellen, Risiken eingehen, eine "Fehlerkultur" haben. Der Unterricht ziele hingegen darauf ab, Fehler zu vermeiden.

Das bestätigt Personalchefin Eva Zehetner: In jedem Menschen sei eine Lernfähigkeit angelegt, irgendwann gehe diese aber verloren. Unternehmen müssen die Fähigkeit wieder wecken. Das könne u.a. über viele Angebote von Seiten des Arbeitgebers passieren. "Wir lernen auch voneinander und das wird verstärkt, indem wir immer mehr in Teams arbeiten." Den Unis komme hier eine wichtige Rolle zu: "Hier lernt man, sich selbst und die eigenen Stärken kennen und sich selbst zu organisieren."

"Warum sind manche Berufe "wertvoller" als andere, sprich besser bezahlt? Diese Frage stellt sich u.a. Laura Wiesböck in ihrer Forschung. Beispielsweise KindergartenpädagogInnen – obwohl wie bereits angesprochen gerade die Frühförderung für die Zukunft der Arbeit eine Rolle spielt – verdienen sehr schlecht. Ein anderes Beispiel ist der Pflegebereich. Johannes Kopf überlegt laut, ob sich dies ändern würde, wären mehr Männer in diesen Jobs beschäftigt. Laura Wiesböck widerspricht: Diese Jobs seien schlecht bezahlt, weil sich damit kein Gewinn machen lasse: "Hier zählen vor allem wirtschaftliche Interessen". Die Soziologin betont, und erntet dafür Applaus: "Die Zukunft der Arbeit können wir nicht prognostizieren. Doch bestimmt wird sie heute, durch den politischen Gestaltungswillen der Gegenwart." Lesen Sie hier das Interview zur Semesterfrage mit Laura Wiesböck: "Arbeit schützt nicht mehr vor Armut".

Auch der technologische Wandel sei eine politische Problemstellung, so Mark Coeckelbergh, der die Themen künstliche Intelligenz und Automatisierung in die Diskussion einbringt. Denn nicht alle werden davon profitieren. Wie gehen wir mit neuen Formen von Ungleichheit und mit ethischen Fragen im Kontext von künstlicher Intelligenz um? Unser Arbeitsleben werde in Zukunft zunehmend abhängig von neuen Technologien sein, so der Technikphilosoph. Sie gehen mit dem Versprechen einher, uns die Arbeit zu erleichtern – häufig werde sie aber komplexer. Lesen Sie hier den Artikel "Neue Technik, neue Fragezeichen" über die Forschung von Mark Coeckelbergh.

Eine visuelle Zusammenfassung der angeregten Diskussion gibt das Scribble von Kathrin Gusenbauer, Studentin im Masterprogramm Science-Technology-Society an der Uni Wien, die die Veranstaltung live zeichnerisch dokumentiert hat. "Über die angesprochenen Themen mache ich mir selbst auch viel Gedanken. Darum war es umso spannender, die Diskussion live zu erfassen und zu versuchen, sie grafisch wiederzugeben", so die Studentin.

Im Laufe der eineinhalbstündigen Gesprächsrunde werden noch viele weitere spannende Aspekte angeschnitten und Fragen aus dem Publikum beantwortet. Die Diskussion entspannt sich dabei vor allem entlang des Spannungsfelds Individuum versus Gesellschaft – geht es darum, sich in der Schule optimal auf eine sich verändernde Arbeitswelt vorzubereiten, seine Potenziale auszuschöpfen, sich selbst zu verwirklichen, oder darum, kritikfähige, mündige Menschen heranzubilden, die die Arbeitswelt umgestalten?

Aus dem Publikum kommt etwa die Frage, ob das Bedürfnis nach Sicherheit, das auch die junge Generation habe, in Zukunft erfüllt werden könne. Kopf meint, dass es bereits viele entsprechende Gesetze gäbe und in den letzten Jahrzehnten einiges passiert sei. "Heute ist vieles nicht mehr möglich, das zu meiner Studienzeit noch normal war. Damals waren die meisten StudentInnenjobs noch Schwarzarbeit". Heute gäbe es einen gewissen sozialen Schutz. "Doch die Digitalisierung läuft dem zuwider – Stichwort 'Gig Economy' oder 'Crowdworking'. Hier gibt es kaum Chancen, rechtlich einzugreifen", so Kopf.

Mahlodji meint, dass es heute im Vergleich zu der Elterngeneration keine sicheren Jobs mehr gäbe. "Die Sicherheit liegt bei einem selber und der eigenen Lernfähigkeit." (Text: Redaktion/Fotos: © Universität Wien/derknopfdruecker.at)