Biotop Universität: zwischen Öffnung und Schließung

Im letzten Beitrag im Rahmen der Ringvorlesung "Die Wiener Universität 1365-2015" beschäftigt sich die Europäische Ethnologin Klara Löffler mit Portalen, Hintertüren, Grenzziehungen und Spielräumen des Hauptgebäudes der Universität Wien.

Schiefen Bildern – etwa das vom Elfenbeinturm – entsprechen schiefe Blicke auf die Institution der Universität. Nicht selten wird diese als ganz eigene Welt, als geschlossene Veranstaltung verhandelt. Doch ist jede Universität immer auch Abbild und Funktion jener Gesellschaften, die sie so gerne kritisieren und steht in spezifischen Wechselbeziehungen zu diesen Gesellschaften. Wer sich für diese Relationen interessiert, tut gut daran, sich von den so häufig strapazierten Bildern und den damit verbundenen, zumeist einsinnigen Urteilen zu verabschieden. Vielmehr gilt es, den Blick auf das Verhältnis, auf die Gleichzeitigkeiten von Öffnung und Schließung in universitären Alltagen zu richten. Dazu lässt sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen ansetzen.

Den Traditionen der Europäischen Ethnologie folgend setzt die Vorlesung bei den Deutungen im Zusammenspiel mit den tagtäglichen Praktiken an und bezieht in die Erforschung der Alltage Räume und Dinge systematisch mit ein. Architektur wird in dieser Perspektive als Medium der Steuerung und Regulierung der Alltage verstanden. Der Fokus dieser praxeologisch angelegten Forschung liegt auf den unterschiedlichen Logiken und Mechanismen der Öffnung und Schließung – als den Basisfunktionen der Architektur –, wie sie Bewegungen und Begegnungen derer, die in den jeweiligen Räumen arbeiten, kommunizieren, sich aufhalten, modellieren können.

Portale und Hintertüren

Das Hauptgebäude der Universität Wien steht im Mittelpunkt einer virtuellen Exkursion, die ihren Ausgangspunkt an den Zugängen zu einem multifunktionalen Amtsgebäude nimmt, das durch die Monumentalität des späten Wiener Historismus gestimmt ist. Hintertüren ebenso wie großartige Portale, aber auch allgemein die Gestaltung von Türen werden in Hinblick auf deren Materialität und Funktionalität, auf den ästhetischen Aufwand und die symbolische Aufladung wie auch auf deren Benutzung diskutiert. Gerade auch der Empfangsbereich, in Plänen von 1892 als "Aula" bezeichnet, der heute durch eine Kombination aus Theke und Loge, als Raum im Raum inszeniert ist und persönliche Präsenz – in Gestalt der Portiere – repräsentiert, wird Gegenstand von Raumbeobachtungen und -analysen sein. Besonders interessant ist an dieser Eingangssituation der Einsatz von Glas, der einerseits in der Tradition der klassischen Moderne des Bauhauses für eine optische Entstofflichung und für gesellschaftsreformerische Ideale steht, andererseits aber auch sakrale Inszenierungen zitiert.

Die Universität Wien feiert 2015 ihr 650-Jahre-Jubiläum. Auch im Sommersemester 2015 bieten die HistorikerInnen Marianne Klemun und Martin Scheutz die bereits im Wintersemester erfolgreich abgehaltene Jubiläums-Ringvorlesung "Die Wiener Universität 1365-2015" an. Termine der Jubiläums-Ringvorlesung im Sommersemester 2015

Grenzziehungen und Spielräume

Doch bewegt sich diese Exkursion auch durch die großzügigen Wandelhallen und breiten Korridore der Universität und frägt, welche Ordnungen, aber auch Spielräume diese definieren und wie diese angeeignet werden. Im Vergleich zwischen den höheren Stockwerken, die in hohem Maß historisch gestimmt sind, nimmt die Gestaltung von Räumlichkeiten auf Straßenniveau, die Konsumzeile rund um das Audimax wie auch die Räume des Studienservice deutliche Anleihen bei jener Service-Ästhetik, wie wir sie heute auf Flughäfen und anderen Terminals vorfinden.

Welche Möglichkeiten und Formen des Aufenthalts und damit der Kommunikation und des Gesprächs sind in diesen Räumen und deren – sehr reduzierten Möblierung – vorgesehen, welche werden durch Raum- und Dingordnungen verweigert? Treppenanlagen und deren Umnutzung zu Sitzgelegenheiten werden uns ebenso beschäftigen wie Sitzordungen in Seminarräumen und Hörsälen, deren Ausstattung mit Dingen wenig Flexibilität und Mobilität zulassen und eine Ordnung des Blicks vorgeben. Auch mit Fenstern, die ja in jeder Architektur eine zentrale ästhtische und funktionale Rolle erfüllen, werden uns beschäftigen – gerade weil wir Fenster im Hauptgebäude kaum wahrnehmen, nicht zuletzt weil diese kaum mehr sicht- und nutzbar sind. Auch mit unterschiedlichen Versionen und Bauweisen von Aufzügen und wie sie die täglichen Praktiken des Gebrauchs, der vertikalen Erschließung von Raum, im genauen Wortsinne bedingen, werden wir uns beschäftigen.

Dazwischen: Sicherheit und Zugänglichkeit

Ziel der Vorlesung ist die Sensibilisierung insbesondere für die Ensembles von Haupt-, Neben- und Zwischenräumen von Übergängen und Schwellen, wie sie sowohl Öffnungen zulassen als auch Schließungen bedingen, wie sich das in gegenwärtigen Alltagen so präsente Dilemma zwischen Sicherheit und Zugänglichkeit auch an diesen Räumen abzeichnet und alle diese Faktoren die Alltage in den Räumen dieses Hauptgebäude prägen und letztlich auch jenseits dieser Räume den Blick auf die Universität bestimmen (können).

Klara Löffler ist Professorin am Institut für Europäische Ethnologie an der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät.