Frauen an der Universität Wien

Die Historikerin Christa Ehrmann-Hämmerle widmet sich in ihrem Gastbeitrag anlässlich der Ringvorlesung "Die Wiener Universität 1365-2015" der Geschichte der Frauen an der Universität Wien, die ihren Anfang erst Ende des 19. Jahrhunderts nahm.

"Der Muse reicht's", hieß noch 2009 ein von der Künstlerin Iris Andraschek im Arkadenhof der Universität Wien realisiertes Projekt. Mit dem Schattenriss einer weiblichen Figur, die – ihre Faust ballend – endlich aus dem die griechische Nymphe Kastalia repräsentierenden Brunnen in der Mitte des Hofes tritt, macht es auf die lange, von vielen Ausschlüssen, Hindernissen und Widerständen, Rückschlägen und Enttäuschungen geprägte Geschichte der Frauen in dieser Institution aufmerksam. So zeigen alle 154 Büsten im Arkadenhof nur männliche Wissenschafter, eine einzige Ehrentafel ist Marie von Ebner-Eschenbach gewidmet – was in der Tat Jahrhunderte Universitätsgeschichte abbildet.

Die umstrittenen Anfänge

Die Geschichte der Frauen an der Universität Wien beginnt erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts – zumindest wenn wir von der oft überlieferten, im 'Privaten' angesiedelten Mitarbeit von Ehefrauen, Töchtern oder Schwestern männlicher Gelehrter an deren Werken absehen. Aber erst seit den 1860er Jahren wurde die Möglichkeit eines 'Frauenstudium' breit debattiert; erst ab dieser Zeit begann der zähe Kampf um die verbesserte höhere Mädchen- und Frauenbildung. Sie wurde im damaligen Österreich besonders spät durchgesetzt; es gehörte, neben Preußen, zu den "Schlusslichtern" dieser Entwicklung, als eine Verordnung des Ministers für Kultus und Unterricht vom 23. März 1897 für Cisleithanien endlich das ordentliche 'Frauenstudium' ermöglichte. Daraufhin öffnete an der Universität Wien im Wintersemester 1897/98 zunächst die philosophische Fakultät ihre Tore für Frauen, gefolgt von der Medizinischen Fakultät im Jahr 1900. Die Juridische Fakultät tat dasselbe erst ab 1919/20, die Evangelisch-Theologische Fakultät erst ab 1928. Und erst ab 1946 konnten Frauen auch an der Katholisch-Theologischen Fakultät studieren.


Die Universität Wien feiert 2015 ihr 650-Jahre-Jubiläum. Auch im Sommersemester 2015 bieten die HistorikerInnen Marianne Klemun und Martin Scheutz die bereits im Wintersemester erfolgreich abgehaltene Jubiläums-Ringvorlesung "Die Wiener Universität 1365-2015" an. Termine der Jubiläums-Ringvorlesung im Sommersemester 2015



Vorausgegangen und diesen zögerlichen Prozess stets begleitend, war der Kampf vieler Frauen in- und außerhalb der damaligen Frauenbewegung/en um das 'Frauenstudium'. Sie fanden unter der männlichen Professorenschaft zahlreiche heftig opponierende Gegner, aber auch – gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend – Befürworter, wozu etwa der Mittelalterhistoriker Alfons Dopsch gehörte, der schon in den 1920er Jahren dezidiert Frauen als Wissenschafterinnen förderte. Doch gab es auch eine Fülle von biologistisch argumentierenden 'Fachgutachten' sowie polemische Schriften und Zeitungsartikel gegen das wissenschaftliche Studium der Frauen, die dazu – wie argumentiert wurde – aufgrund ihrer 'Natur', ihres 'weiblichen Wesens', einer geringeren Gehirngröße etc. nicht fähig seien. Die 'männliche' Bastion Universität wurde demnach heftig verteidigt, nicht zuletzt aus Furcht vor Konkurrenz am akademischen Arbeitsmarkt.

Die ersten Abschlüsse

Studierende Frauen haben sich dennoch nicht aufhalten lassen. Sie waren bereit, Umwege einzuschlagen und doppelte Mühen auf sich zu nehmen, um einen Universitätsabschluss in Österreich zu erlangen. Wie Gabriele Possaner von Ehrenthal, der am 2. April 1897 – ein Jahr nachdem ein Gesetz die Nostrifikation von ihm Ausland erworbenen Diplomen für Frauen erlaubt hatte – vom damaligen Rektor der Universität Wien, Leo Reinisch, der ein Befürworter des 'Frauenstudiums' war, als erster Frau das Doktorat der Medizin verliehen wurde. Zuvor hatte Possaner ihre Rigorosen schon an der Universität Zürich abgelegt; in Wien musste sie dann noch einmal 21 Prüfungen wiederholen, bis sie – unter großem öffentlichen Aufsehen – promoviert wurde und damit eine eigene Praxis als Ärztin eröffnen konnte.


Promotion der Gabriele Possanner von Ehrenthal am 2. April 1897. Sie war die erste an der Universität Wien promovierte Frau. (Grafik: Archiv der Universität Wien)



Oder wie die von den Nationalsozialisten 1942 ermordete Sozialwissenschafterin Käthe Leichter, der das Studium der Staatswissenschaften an der Universität Wien zunächst verweigert worden war. Sie klagte, setzte die Zulassung durch und inskribierte seit 1914, musste aber aufgrund vieler Hindernisse – mit Auszeichnung bei Max Weber – 1918 in Heidelberg abschließen. Die Romanistin Elise Richter wiederum, die erste Frau, die 1904 in Wien habilitiert wurde, bekam an dieser Universität, in der schon seit den frühen 1920er Jahren der Antisemitismus grassierte, trotz internationaler Reputation nie einen ordentlichen Lehrstuhl. Auch sie musste ihre Venia nach dem "Anschluss" 1938 aufgeben, auch sie wurde, wie ihre Schwester Helene Richter, die Anglistin war, als 'Jüdin' schließlich deportiert und ermordet.

Rückschläge und Beschleunigungen

Im 20. Jahrhundert gestaltete sich die Zulassung und Präsenz von Frauen als Studentinnen und Wissenschafterinnen an der Universität Wien demnach nicht einfach als lineare Zunahme, die sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges beschleunigte und ab den 1980er Jahren zu einem bleibenden Frauenanteil unter den Studierenden von über 50 Prozent führte. Pionierinnen dieser lange vergessenen Geschichte, wie die Historikerinnen Waltraud Heindl, Marina Tichy und Doris Ingrisch, haben auch die Brüche und Rückschläge im langwierigen Prozess des universitären Zugangs von Frauen aufgezeigt – einen Prozess der 'Aufholung' und Gleichstellung, der gerade auf der Ebene der Professuren, der höheren Positionen, bis heute nicht abgeschlossen ist. Er musste auch in der 2. Republik, beginnend mit der Zweiten Frauenbewegung, immer wieder erkämpft und durch spezifische Fördermaßnahmen begleitet werden.

Christa Ehrmann-Hämmerle ist Professorin am Institut für Geschichte sowie Leiterin der Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien.