Steinalte Zähne zeigen Schritt zu modernen Menschen

Als die Steinzeitmenschen begannen, ihre Mahlzeiten weich zu kochen, begannen ihre Zähne und Kaumuskeln zu schrumpfen. Dies könnte zur Schädelform des anatomisch "modernen Menschen" beigetragen haben, so Forscher rund um Gerhard Weber von der Universität Wien.

In der Qesem-Höhle, die im Jahr 2000 beim Bau einer Schnellstraße in der Nähe von Tel Aviv entdeckt wurde, fand man bis jetzt zehn menschliche Zähne, die ältesten drei hat das Team rund um Gerhard Weber vom Department für Anthropologie der Universität Wien nun mittels Micro-Computertomographie durchgescannt, virtuelle Modelle erstellt und diese mit den Zähnen von modernen Menschen, Neandertalern und ihren gemeinsamen Vorfahren, den Heidelbergmenschen, verglichen.


"Die Zähne stammen aus einer Zeit, nicht lange nachdem sich vermutlich die Neandertaler und die modernen Menschen aus gemeinsamen Vorfahren, den Heidelbergmenschen, entwickelt haben", erklärt Weber. Genetiker schätzen, dass dies vor 500.000 Jahren passiert ist, die Zähne könnten also schon die Entwicklung in die eine oder andere Richtung dokumentieren.



350.000 Jahre alte Zähne

Zwei der Zähne sind 350.000 Jahre alte Vormahlzähne (Prämolaren) und passen so gut zusammen, dass sie ziemlich sicher von einem Individuum stammen, so Weber. Sie haben die urtümliche Gestalt von Neandertaler- und Heidelbergmensch-Zähnen, sind aber kleiner, genau so wie jene von modernen Menschen. Der dritte Zahn, ein Mahlzahn (Molar), könnte etwa 50.000 Jahre jünger sein und entspricht sowohl in der Größe als auch in der Form jenen von Neandertalern und Heidelbergmenschen.

Die Zähne stammen daher vermutlich aus der Entwicklungslinie der modernen Menschen und dokumentieren wohl, wie ihr Kauapparat zu schrumpfen begann. Gerhard Weber leitet an der Universität Wien die Core Facility für Micro-Computed Tomography (kurz VIENNA micro-CT Lab), wo die Zähne untersucht werden: "Wenn unsere Hypothese stimmt, waren die Leute aus der Qesem-Höhle auf dem Weg zu modernen Menschen, und hatten auch ihr Verhalten offensichtlich so umgestellt, dass sie sich kleinere Vormahlzähne erlauben konnten", so der Forscher, der diese Ergebnisse derzeit im Rahmen der Konferenz der "European Society for the Study of the Human Evolution" (ESHE) präsentiert.

Feuer als Schlüssel

"Vor 300.000 bis 400.000 Jahren sind überall Feuerstellen aufgetaucht, wir können davon ausgehen, dass sich die Technologie damals durchgesetzt hat", erklärt der Experte weiter. Als ihre Nahrung meist weichgegart war, konnten die Zähne der Menschen kleiner werden, sie brauchten weniger Muskelansätze. Der Gehirnschädel konnte sich verändern, ohne dass dies ihrer biologischen Fitness geschadet hätte. "Genau in der Zeit, in der wir so eine Entwicklung erwarten, wurden bei den Menschen aus der Qesem-Höhle die Vormahlzähne kleiner", so der Anthropologe. In der Höhle habe man freilich auch eine prächtige, mit angerußten Steinen begrenzte Feuerstelle gefunden sowie jede Menge angerösteter Knochen verschiedener Tiere.

An der laufenden 3. Europäischen Konferenz der "European Society for the Study of the Human Evolution" (ESHE) an der Universität Wien nehmen 300 WissenschafterInnen aus aller Welt teil. Themen der Vorträge sind unter anderem Forschungsergebnisse über die frühesten, menschlichen Vorfahren (Australopithecinen), die Neandertaler, die ersten modernen Menschen, die Entwicklung des aufrechten Gangs und die Entstehung von Kunst, sowie neue Fundorte und Datierungsmöglichkeiten. (APA/red)