Plakativ beworben

Die visuelle Umsetzung eines Kampagnenslogans ist vor allem aus US-amerikanischen Wahlkämpfen bekannt. "Aber auch unsere Parteien suchen verstärkt nach den richtigen Bildstrategien", so die PolitologInnen Petra Bernhardt und Andreas Pribersky der Universität Wien in ihrem Gastbeitrag für uni:view.

Obwohl heuer wieder über ihren Sinn und Unsinn diskutiert wurde, zogen die Plakate der Parteien sowohl im deutschen als auch im österreichischen Wahlkampf die Aufmerksamkeit auf sich. Zahlreiche Kommentare widmeten sich ihrer inhaltlichen und ästhetischen Qualität, der Dramaturgie ihrer Plakatierung oder der Frage nach einer möglichen Wirkung. Unbestritten blieb der Umstand, dass Plakate selbst bei online-affinen Parteien wie den Piraten nach wie vor zum Standardrepertoire des Wahlkampfes gehören. Das liegt nicht nur an der strengen Reglementierung politischer Fernsehwerbung in beiden Ländern, sondern auch an der Funktion von Plakaten: als einziges Medium erreichen sie eine Zielgruppen übergreifende Massenpräsenz und verdichten die zentralen Botschaften einer Kampagne zu Slogans und Bildern. Besonders auf der Bildebene lassen sich dabei oft Rückgriffe auf Darstellungstraditionen erkennen, die über den unmittelbaren tagespolitischen Kontext hinaus weisen.

Von überlegt bis kämpferisch

Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Porträtdarstellung politischer KandidatInnen zu. Als das bedeutendste Bildgenre der politischen Kommunikation gibt das Porträt seit Jahrhunderten die unterschiedlichsten Bedeutungen kund – von staatstragend bis volksnah, von überlegt bis kämpferisch. Während Parteien in der Regel mit so genannten Themenplakaten in den Wahlkampf starten, um inhaltliche Claims abzustecken, kommen KandidatInnenplakate vor allem gegen Ende zum Einsatz. Über die Gestaltung und Auswahl von Porträteinstellungen, Posen und Gesten werden unterschiedliche Traditionen politischer Bildlichkeit aufgerufen: im Sinne einer Personalisierungsstrategie findet die Kampagnenerzählung darin einen Höhe- und Schlusspunkt, der sich mit dem entsprechenden Wahlaufruf verbindet.

Von Rollen, Porträts und Posen


Sowohl in Deutschland als auch in Österreich wurde diese Dramaturgie von mehreren Parteien durchbrochen. Die SPÖ und das Team Stronach zeigten ihre beiden Spitzenkandidaten bereits in einer frühen Phase des Wahlkampfs und behielten dieses Prinzip bis zum Ende bei. Obwohl die Ausgangsposition der Kandidaten nicht unterschiedlicher sein könnte, bedienten sich beide auf der Ebene der Darstellung einer Bildsprache, die auf die Rolle eines Staatsmannes verweist. Auch im deutschen Bundestagswahlkampf war das Gesicht von Angela Merkel von Anfang an präsent – zunächst jedoch nicht auf Plakaten der CDU, sondern auf jenen der Opposition, die Merkel und etliche ihrer Kabinettsmitglieder im Rahmen einer Negativkampagne zeigten. So dominierte Merkels Konterfei bereits den Wahlkampf, noch bevor die CDU ihre Kandidatin überhaupt ins Bild rückte. Auf den Plakaten ihrer eigenen Partei wurde Merkel als Gesprächspartnerin bzw. aufmerksame Zuhörerin inszeniert, die im Laufe der Kampagne immer weiter ins Zentrum rückte, um sich im letzten Plakat als "Kanzlerin für Deutschland" zu präsentieren.

Die "Merkel-Raute"
 


Neben dem Gesicht von Angela Merkel dominierte auch ihre als "Merkel-Raute" bekannt gewordene und mittlerweile quasi zu einem Logo avancierte Handhaltung den Wahlkampf. Zahlreiche – zum Teil ironische – Zitate der Raute zeugen von einem hohen Bekanntheitsgrad der Pose, die gegen Ende des Wahlkampfes auch Eingang in die Plakatikonographie gefunden hat.




Die CDU präsentierte Anfang September ein Riesenposter am Berliner Hauptbahnhof, das den Schriftzug "Deutschlands Zukunft in guten Händen" mit der Raute illustrierte. Als bemerkenswert erweist sich die Kompositionslogik des Motivs, das sich aus 2.150 einzelnen Fotografien der Hände von UnterstützerInnen zu einem Mosaik zusammensetzt. Indem die CDU den Kampagnenslogan "Gemeinsam erfolgreich" visuell umsetzt, greift sie auf ein Kernmotiv zur Veranschaulichung eines politischen Machtanspruchs zurück. Das Fürstenbild, das sich aus den Mitgliedern des Gemeinwesens zusammensetzt und politische Führung als Sinnbild des gemeinsamen Willens erscheinen lässt, wird hier – bewusst oder unbewusst – zitiert.

Die visuelle Umsetzung eines Kampagnenslogans ist eine Strategie, die bislang vor allem aus US-amerikanischen Wahlkämpfen bekannt ist. Doch gewinnt die Frage, welche Bildstrategien Parteien im Wahlkampf anwenden, auch hierzulande zunehmend an Bedeutung. Künftig werden sich Parteien im Rahmen eines "visuellen Kampagnemanagements" nicht nur damit beschäftigen müssen, wie sie ihre KandidatInnen ins rechte Bild rücken, sondern auch die Frage zu klären haben, welche Bildtraditionen und Verweise sie mit der Darstellung aufrufen.

Petra Bernhardt und Andreas Pribersky, beide vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, forschen und lehren im Rahmen des Forschungsschwerpunkts "Visual Studies in den Sozialwissenschaften" an der Universität Wien. Für das Politik- und Wahljournal neuwal.com haben sie die Ikonographie des laufenden deutschen und österreichischen Wahlkampfs in einer fünfwöchigen Kolumne unter dem Titel "Ansichtssache" analysiert.