Mein Element: Stickstoff

Stickstoff ist nach Kohlenstoff der zweithäufigste Baustein aller Lebewesen. Ökogenetikerin Christa Schleper forscht an der Uni Wien zur Rolle von Mikroorganismen im Stickstoffkreislauf und präsentiert ihr ambivalentes Lieblingselement in der Reihe

Stickstoff ist ein wichtiger Dünger für das Pflanzenwachstum. Wenn stickstoffhaltige Verbindungen abgebaut werden, wird jedoch auch Lachgas freigesetzt, ein viel stärkeres Treibhausgas als CO2. Ökogenetikerin Christa Schleper von der Uni Wien präsentiert dieses ambivalente Element anlässlich des Jubiläums "150 Jahre Periodensystem".

An Stickstoff fasziniert mich besonders, ...
... dass er so vielseitig und ambivalent ist. Unsere Luft besteht zu 80 Prozent aus unreaktivem Stickstoff, aber in seiner reaktiven Form ist er eines der wichtigsten Lebenselemente und in jedem Protein vorhanden. Gleichzeitig kann ein Übermaß an Stickstoff sehr schädlich für die Umwelt und unsere Gesundheit sein, z.B. als Nitrat im Grund- oder Trinkwasser und als Treibhausgas.

In meiner Forschung arbeite ich mit Stickstoff, weil …

... ich mich für die Rolle von Mikroorganismen im Stickstoffkreislauf interessiere. Im Jahr 2006 haben wir entdeckt, dass Archaea eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Ammoniak in Böden spielen. Diesen Prozess wollen wir nun besser verstehen. Unser "Haustierchen" ist dabei das Archaeon Nitrososphaera viennensis, das im 9. Wiener Bezirk aus dem Gartenboden vor unserem Department isoliert wurde.

 
Lesetipp:

Lesen Sie aktuell auf "DerStandard" im Rahmen der Semesterfrage "Wie schützen wir die Artenvielfalt" den Gastkommentar von Christa Schleper "Mikroorganismen: Warum die Kleinsten die größte Rolle im Ökosystem spielen" und die Antworten der Expertin auf die Fragen der User*innen im Q&A-Beitrag "Die Landwirtschaft braucht biotechnologische Weiterentwicklung".

Mehr über die Forschung von Christa Schleper und die Entdeckung von Nitrosophaera viennensis (im Bild) erfahren Sie im Forschungsartikel mit Video "Aller Anfang ist Archaeon" im uni:view Magazin. (© Christa Schleper)

Mein Element in 3 Worten:
Düngemittel, Muskelmasse, Treibhausgas

Stickstoff: "Held oder "Bösewicht"?
Beides. Stickstoff ist nach Kohlenstoff der zweithäufigste Baustein aller Lebewesen. Wenn Pflanzen und Tiere zerfallen oder kompostieren, entsteht dabei Ammoniak, der wiederum von Mikroorganismen weiterverwertet wird zu Nitrat. Ammoniak und Nitrat sind wichtige Dünger für das Pflanzenwachstum. Leider bildet sich bei diesen mikrobiellen Umsetzungen auch Lachgas, das ein 300 Mal stärkeres Treibhausgas als CO2 ist. Auch Nitrat ist in zu hoher Dosis für die Ökosysteme und für Menschen schädlich. Je mehr Stickstoff durch Kunstdünger in Umlauf gebracht wird, desto mehr Nitrat und Lachgas gelangen in die Atmosphäre. Daher ist es wichtig, dass wir unsere Essgewohnheiten und landwirtschaftlichen Verfahren nachhaltiger gestalten und weniger Kunstdünger verwenden.


Viele, auch lebenswichtige Verbindungen finden sich im globalen Stickstoffkreislauf: Molekularer, nicht reaktiver Stickstoff (N2) bildet 78% unserer Atmosphäre. Durch physikalische Ereignisse (Blitze) und durch Wurzelknöllchen- und andere Bakterien kann dieser Stickstoff fixiert werden. Durch diesen Prozess und durch das Recyclen aus Biomasse entsteht Ammoniak (NH3). Dieser wird bei der Nitrifizierung durch Bakterien oder Archaea zunächst in Hydroxylamin (NH2OH), über Nitrit (NO2-) zu Nitrat oxidiert (NO3-). Alternativ kann auch aus Ammoniak und Nitrat wieder N2 entstehen. Das Produkt der Nitrifizierung, Nitrat, ist sehr gut löslich und wird von Pflanzen als wichtiger Mineralstoff aufgenommen, wird aber leider auch zunehmend in das Grundwasser gespült (leaching), oder kann zurück in NH3 umgewandelt werden (DNRA). Nitrat wird von Mikroorganismen schrittweise reduziert bis zum N2, das zurückkehrt in die Atmosphäre. Wenn das nicht vollständig geschieht, entweicht Lachgas (N2O), welches ein 300 Mal stärkeres Treibhausgas ist, als Kohlendioxid. (© Christa Schleper)

Mit wem bei Stickstoff "die Chemie stimmt":
Stickstoff bildet viele Verbindungen, in der organischen Materie meistens mit Sauerstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff.

Wussten Sie, dass ...
… Hülsenfrüchte nicht auf Düngung angewiesen sind, weil Wurzelknöllchenbakterien in ihre Wurzeln eindringen und dort Stickstoff aus der Atmosphäre fixieren können?

Die wichtigsten Kenndaten von Stickstoff
Ordnungszahl:7; Symbol: N; Gruppe: Stickstoffgruppe; Masse (gerundet):14,007 u; Vorkommen: natürlich

"Moments of Fame" von Stickstoff:
Die Verbindung Nitroglyzerin ist nicht nur wirksamer Bestandteil des Dynamits, das Alfred Nobel Reichtum verschaffte, sondern wird auch in der Medizin zur Gefäßerweiterung eingesetzt. Stickstoff hat Fritz Haber 1918 und Carl Bosch 1931 zum Nobelpreis für Chemie verholfen. Ihr Verfahren, in dem aus atmosphärischem Stickstoff und aus Wasserstoff Düngemittel (Ammoniak) hergestellt wird, hat ermöglicht, dass so viele Menschen auf der Erde ernährt werden können. Allerdings ist das auch die Ursache für die enorme Umweltbelastung durch Stickstoff (Überdüngung der Böden und Gewässer). Im Durchschnitt stammt die Hälfte des Stickstoffs in unserem Körper heute aus Kunstdünger, denn durch die Produktion von stickstoffhaltigem Kunstdünger hat sich die Menge an biologisch aktivem Stickstoff auf der Erde mittlerweile verdoppelt.

Eine Welt ohne Stickstoff wäre …
... leblos, denn ohne Stickstoff gäbe es keine Proteine und kein genetisches Material, denn auch unsere DNA enthält Stickstoff.


Christa Schleper
ist seit 2007 Professorin für Mikrobiologie/Ökogenetik an der Uni Wien und derzeit Leiterin des Departments Ökogenomik und Systembiologie in der Fakultät für Lebenswissenschaften. Sie promovierte 1993 in München, hatte mehrere Postdoc-Aufenthalte in Kalifornien, bevor sie Assistenzprofessorin in Darmstadt und 2004 dann Professorin für Mikrobiologie in Bergen, Norwegen wurde. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Ökologie, Physiologie und Evolution von Archaea: Mikroorganismen die neben Bakterien und Eukaryonten (Pflanzen und Tieren) eine dritte Gruppe des Lebens bilden. (© Christa Schleper)

Der Advent steht im uni:view Magazin ganz im Zeichen der Elemente: Im Dossier "Mein Element" präsentieren Wissenschafter*innen Überraschendes und Wissenswertes zu Elementen, mit denen sie in Forschung und Lehre arbeiten.