Mein Business: Zeitintensiv, aber immer aufregend

Die promovierte Soziologin Veronika Haberler gründete mit Rechtsanwalt Peter Melicharek, ebenfalls Alumnus der Universität Wien, ein Legal Tech-Startup, das völlig neue Zugänge zur Quellenrecherche in juristischen Dokumenten ermöglicht.

Stellen Sie uns bitte Ihr Unternehmen in zwei Sätzen vor…
Veronika Haberler:
LeReTo steht für Legal Research Tool und ist ein Quellenrecherche-Tool für RechtsanwältInnen, RichterInnen und JuristInnen, das juristische Dokumente mit darin zitierten Quellen zusammenbringt. Das Tool erkennt und verlinkt Gesetze, Rechtsprechung und Fachliteratur in Schriftstücken – und das vollautomatisch.

Im Dossier "Mein Business" stellen Alumni der Universität Wien ihr Startup vor und verraten Tipps und Tricks für (zukünftige) GründerInnen. Das Dossier läuft in Kooperation zwischen dem uni:view-Magazin, der DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung und dem Alumniverband.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen und wann stand fest: Wir gründen eine Firma?
Haberler:
Unser Gründerteam hat jahrelange Erfahrung im streitigen Wirtschaftsrecht. Wir waren es einfach leid, juristische Dokumente – etwa Schriftsätze der Gegenseite – auf darin zitierte Quellen zu durchforsten. Manuell ist das unglaublich langwierig und ineffizient. Das wollten wir ändern. Als das Grobkonzept stand, fanden wir in Christian Artner und seinem Team von Cloudtech einen kreativen und versierten Entwickler und machten uns gemeinsam an die Umsetzung. Etwa nach zwei Jahren Entwicklungszeit haben wir LeReTo erstmals am österreichischen Markt vorgestellt.

Sie haben Soziologie an der Universität Wien studiert. Inwiefern hat ihr Studium beim Weg in die Selbstständigkeit eine Rolle gespielt?
Haberler:
Ich habe nach meinem Soziologie-Studium an der Uni Wien noch einen Master of Legal Studies an der WU abgeschlossen. Meine Abschlussarbeit befasste sich mit der Entscheidungsfindung am Obersten Gerichtshof. Das im Studium erworbene Wissen und der "soziologische Blick" haben bestimmt wesentlich zum Entstehen von LeReTo beigetragen, aber ebenso war das praktische Verständnis für Arbeitsabläufe von Gerichten und Anwaltskanzleien, das ich im Berufsleben gewonnen habe, essentiell.

Haben Sie sich das Gründen so vorgestellt?
Haberler:
In vielen Aspekten war das Gründen von LeReTo genauso, wie ich es mir vorgestellt habe: Zeitintensiv, motivierend, auch hin und wieder frustrierend, aber immer aufregend. Und letztendlich kommt einiges anders als gedacht. Gut, dass es bei uns vor allem positive Überraschungen waren.

Im Rahmen des WTZ Ost Weiterbildungsprogramms 2017/2018 findet am 10. Januar ein Workshop zum Thema Vereinsgründung statt. Welche Organisationsform der selbständigen Arbeit passt zu meiner Idee? Wie muss ein Verein aufgebaut sein? Darf er Geschäfte machen? Dieses und mehr wird in dem Seminar besprochen. Zur Anmeldung

Was war für Sie die größte Herausforderung?
Haberler:
Als Perfektionistin musste ich lernen, "good enough" als echten Wert für sich zu schätzen: Software ist niemals komplett fertig. Strebt man nach absoluter Perfektion, verpasst man wichtige Zeitfenster oder verzettelt sich in Details – hier muss man lernen, die Balance zu halten. Außerdem laufen leider einige Startups herum, die außer Konzept-Luftschlössern, schicker Web-Präsenz und Ankündigungspolitik wenig vorzuweisen haben. Diese entlarven sich mit der Zeit von selbst, aber in der medialen Aufmerksamkeit muss man auch mit diesem Phänomen zurande kommen. Hier gilt es, sich nicht von Behauptungen anderer verunsichern zu lassen, sondern hinter die mediale Fassade zu blicken und die Qualitäten des eigenen Produkts selbstbewusst zu vertreten.

Ihr schönster Augenblick?
Haberler:
Der schönste Augenblick bisher war auf jeden Fall, als ich LeReTo zum ersten Mal auf dem Bildschirm gesehen habe. Etwas monatelang zu konzipieren und zu gestalten und es dann erstmals "live in action" zu sehen, ist ein wirklich wunderbares Gefühl. Andere Highlights waren natürlich Auszeichnungen beim Constantinus Award 2016, beim eAward 2017 und beim STP Legal Innovation Award 2017 in Deutschland zu erhalten.

Haben Sie Vorbilder?
Haberler:
Ich habe nicht unbedingt Vorbilder, denen ich bewusst nacheifere, aber es gibt natürlich Menschen, deren Erfolge oder ungewöhnliche Talente mich beindrucken. Dazu zählen etwa Frauen wie die Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr, deren Arbeit wegweisend für moderne Technologien wie Bluetooth und WiFi war. Das Ungewöhnliche, Ungeahnte und Unterschätzte finde ich besonders spannend und inspirierend.

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Welche Tipps würden Sie Ihrem damaligen "Gründer-Ich" aus heutiger Sicht geben?
Haberler:
Finde einen guten Mix aus ausgefeiltem Masterplan, Flexibilität und Spontanität. Wer versucht auf alles vorbereitet zu sein, wird starr und unbeweglich, und wer nur spontan reagiert, verliert den roten Faden. Und ganz wichtig: Vergiss nicht, dir Zeit zu nehmen, um dich bewusst an deinen Erfolgen zu erfreuen.

Wie hätte Sie die Universität mehr unterstützen können?
Haberler
: Angebote wie gezielte Startup-Crash-Kurse zu Businessplan & Co oder auch GründerInnen-Mentoring sind sicherlich eine tolle Sache und sehr hilfreich. Ich persönlich hatte das Glück, bereits viel aus Ausbildung, beruflicher Erfahrung und Team-Knowhow abdecken zu können.

Steckbrief
Name: Veronika Haberler   
Alter: 36
Studium: Soziologie im geistes- und kulturwissenschaftlichen Zweig (Uni Wien und Klagenfurt), Kulturmanagement (IKM - MDW), Master of Legal Studies (WU Executive Academy)
Gründungsjahr (going public in AT): 2016
Mein Business: LeReTo | Legal Research Tool
Mein Tipp für GründerInnen: Der Abstand zur eigenen Arbeit macht den Blick fürs Wesentliche frei: Also hin und wieder kreative Pausen einlegen.
Link zur Webseite: www.lereto.at

Das Interview führte Siegrun Herzog vom Alumniverband.