Mein Business: "Nicht alles perfekt planen"

"In einem Startup muss man einfach sehr agil denken und reagieren", so Tobias Homberger. Der Gründer und CEO von myClubs – Österreichs größtem digitalen Sportanbieter – und Alumnus der Universität Wien spricht im Interview über seine Erfahrungen als Gründer.

Stellen Sie uns bitte Ihr Unternehmen in zwei Sätzen vor...
Tobias Homberger:
myClubs verbindet das Sportangebot von mehr als 500 Sportanbietern in Österreich und der Schweiz in einer flexiblen Mitgliedschaft. In der myClubs App wählt man aus dem gesamten myClubs Angebot seine Workouts und checkt vor Ort ein – so kann man zum Beispiel montags zum Yoga, mittwochs zum Crossfit und freitags Klettern gehen.

Im Dossier "Mein Business" stellen Alumni der Universität Wien ihr Startup vor und verraten Tipps und Tricks für (zukünftige) GründerInnen. Das Dossier läuft in Kooperation zwischen dem uni:view-Magazin, der DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung und dem Alumniverband.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen – und wann stand fest: Wir gründen eine Firma?
Homberger:
In meinem Freundeskreis habe ich oft erlebt, wie schwierig es ist, unterschiedliche Sportinteressen zu kombinieren und neue Sportangebote auszuprobieren. Wenn man eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio hat, eine Zehnerkarte im Yogastudio und dann mal mit Freunden Badminton spielen möchte, wird es schnell teuer. Deshalb kam mir die Idee, die besten Sportangebote in einer digitalen Mitgliedschaft zum monatlichen Fixpreis zu bündeln. Das hilft auch kleineren und weniger bekannten Sportstudios, neue KundInnen zu gewinnen. Nach ersten Gesprächen mit Sportanbietern in Wien war dann klar, dass es einen Versuch wert ist. Mit einer Innovationsförderung haben wir den Prototypen der myClubs Plattform gebaut, die Firma gegründet und erste Investoren an Bord geholt.

Sie haben Internationale BWL und Politikwissenschaft an der Universität Wien studiert. Inwiefern hat ihr Studium beim Weg in die Selbstständigkeit eine Rolle gespielt?
Homberger:
Das ist eine spannende Frage. Ich denke indirekt hat mein Studium bzw. die Kombination meiner Studiengänge einen großen Anteil an meinem Einstieg ins Unternehmertum. Universitäten wird ja oft angelastet, dass sie zu wenig praxisrelevant ausbilden – und in der BWL stimmt das sicherlich auch zu einem gewissen Grad. Ich kenne aber kaum jemanden, der sich durch sein Studium allein für einen Job qualifiziert hat. Man erwirbt die Grundkenntnisse in einem Fachgebiet und eine strukturierte Lernfähigkeit, mit der man später "on the job" schnell in die Materie einsteigen und sich die erforderlichen spezialisierten Skills aneignen kann. Über den Zwischenschritt in der Unternehmensberatung war dann der Weg zum eigenen Unternehmen für mich nicht so weit. Als CEO eines Tech-Startups ist es vor allem wichtig, ein gutes Verständnis für den Markt, die Technologie und das Geschäftsmodell zu haben. Ich sage immer mein Job ist "Connecting the dots". Das betriebswirtschaftliche Know-how aus der IBWL und der kritische Denkansatz, den man in der Poltikwissenschaft lernt, sind dabei sehr hilfreich.

Haben Sie sich das Gründen so vorgestellt?

Homberger:
Ich hatte eigentlich keine konkreten Vorstellungen vom Gründen und wenn ich an die Reise der letzten drei Jahre zurückdenke, war das vielleicht auch ganz gut so. Ein Startup zu gründen und zielgerichtet zu entwickeln, ist sehr zeitintensiv und auch emotional anstrengend. Viele Aspekte des sozialen Lebens müssen dann einfach phasenweise zurückgestellt werden und das muss man letztlich auch bewusst in Kauf nehmen. Gerade zu Beginn, als ich eigentlich noch Vollzeit in der Beratung gearbeitet habe, waren Arbeitswochen von mehr als 80 Stunden eher die Regel als die Ausnahme. Auf der anderen Seite macht es einfach unglaublichen Spaß, diese Zeit in die Entwicklung einer eigenen Idee und eines Teams zu investieren.

Weiterbildungsprogramm des WTZ Ost ist online
Das WTZ Ost bietet auch dieses Jahr wieder zahlreiche Workshops rund um das Thema Entrepreneurship an: von Ideenfindung über Design Thinking bis hin zu Prototyping und Storytelling. In verschiedenen Hubs des WTZ Ost können dann Projekte danach weiterentwickelt werden – aktuelle Calls dazu befinden sich auf der Website des WTZ Ost.

Was war für Sie die größte Herausforderung?
Homberger:
Wenn die ersten KundInnen dein Produkt kaufen, ist es natürlich erstmal ein cooles Gefühl. Dann vergisst man schnell die ganzen stressigen Phasen. Richtig nervenaufreibend wird es aber eigentlich erst, wenn das Geld langsam knapp wird und sich die nächste Investorenrunde in die Länge zieht. Als Arbeitgeber fühlt man sich für seine MitarbeiterInnen verantwortlich und die Sorge, ob man die Gehälter pünktlich zahlen kann, ist in diesen Phasen einfach eine große Belastung. Ich kenne fast kein Startup, dass nicht einmal oder mehrfach an diesem Punkt war, aber als Single-Founder trägt man diese Verantwortung eben allein – und muss sich letztlich selbst motivieren. Ich habe damals "Embrace the Struggle" an unsere Tafelwand geschrieben und das drückt es eigentlich sehr treffend aus. Mittlerweile sind wir sehr gut finanziert und unser Wachstum freut uns und die Investoren, aber der Struggle bleibt genauso wie der Spruch an der Tafel.

Ihr schönster Augenblick?

Homberger:
Da könnte ich viele Augenblicke nennen. Letzte Woche war aber sicherlich ein Highlight, als wir uns mit dem gesamten Team aus zwei Ländern in einer Villa in Triest eingemietet haben, um gemeinsam die weiteren Entwicklungsschritte für myClubs zu planen. Die Qualität unserer Mitarbeiter und die Energie im Team, auch außerhalb der Workshops, fand ich einfach beeindruckend. Da sitzen mehr als 20 richtig gute Leute zusammen und diskutieren Prozesse und Features eines Produkts, das mir vor drei Jahren unter der Dusche eingefallen ist.

Haben Sie Vorbilder?
Homberger: Unter unseren Investoren sind einige Entrepreneure, die mit viel Risikobereitschaft und klugen Ideen ihre eigenen Unternehmen aufgebaut haben. Den offenen Austausch mit ihnen und ihre aktive Unterstützung finde ich immer wieder beeindruckend. Auf der internationalen Ebene ist Elon Musk, eine sicherlich kontroverse aber für mich extrem inspirierende Persönlichkeit. Die Konsequenz, mit der er seine Visionen verfolgt, und innerhalb weniger Jahre ein privates Raumfahrtunternehmen und mit Tesla den erfolgreichsten Hersteller für Elektromobilität entwickelt hat, finde ich absolut bemerkenswert.

Veranstaltung "Patente & Gründungsfinanzierung" am 14. November von 17:30 bis 19:30: Fragen rund ums Patentrecht beantwortet die Expertin Dr. Hildegard Etz vom Österreichischen Patentamt. Im Anschluss gibt Dr. Markus Pietzka (INiTS) Infos zur Gründungsfinanzierung. Die Fachveranstaltungen finden im Rahmen von u:start statt, dem Ausbildungsprogramm zu beruflicher Selbstständigkeit und Unternehmensgründung für AkademikerInnen. Anmeldung unter: ustart@univie.ac.at

Welche Tipps würden Sie Ihrem damaligen "Gründer-Ich" aus heutiger Sicht geben?
Homberger:
Ich würde mir vermutlich raten, viel schneller zu gründen und nicht alles perfekt zu planen. Unsere ausgeklügeltsten Pläne waren alle nach drei Monaten schon wieder obsolet, weil wir gemerkt haben, dass für unsere KundInnen andere Produktaspekte wichtiger sind oder wir uns schnell auf Veränderungen im Marktumfeld einstellen mussten. In einem Startup muss man einfach sehr agil denken und reagieren.

Wie hätte Sie die Universität mehr unterstützen können?

Homberger:
Ich habe mein Studium abgeschlossen, bevor Startups zum politischen und gesellschaftlichen Vorzeigethema wurden. Ich muss schon etwas schmunzeln, dass mittlerweile Kanzler und Außenminister ihre Besuche auf einer Büroeröffnungspartie terminlich koordinieren müssen. Es gibt mittlerweile so viele Acceleratoren, Incubatoren und Förderprogramme für Startups – da müssen aus meiner Sicht die Unis nicht auch noch vorne mitmischen. Ich denke fachliche und vor allem digitale Kompetenzen zu vermitteln, ist der relevantere Bildungsauftrag. Ich fände es aber spannend, wenn Universitäten mehr aktiven Austausch mit jungen Unternehmen fördern würden, um die Idee des Gründens als berufliche Option aufzuzeigen. In der Startup-Welt begegnen mir viel zu häufig Leute, die Startups für Lifestyle halten und fachlich nichts drauf haben. Gut ausgebildete AbsolventInnen mit dem richtigen Mindset sind hingegen auch als Gründer echt gefragt.

Steckbrief
Name: Tobias Homberger
Alter: 39
Studium: Internationale BWL, Politikwissenschaft und ein halbes Doktorat
Gründungsjahr: 2014
Mein Business: myClubs. Einfachen Zugang zu den besten Sportangeboten zu schaffen.
Mein Motto: Challenge everything
Mein Tipp für GründerInnen: Ich würde unbedingt schon früh den Austausch mit anderen GründerInnen suchen, um sich Tipps zu holen und die gröbsten Fettnäpfe zu vermeiden.

Das Interview führte Johanna Kober (DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung sowie Wissenstransferzentrum Ost).