Mein Business: "Das Wichtigste war, dass wir total Lust darauf hatten"

Das Team hinter Sindbad: Matthias Lovrek, Joseph Kap-herr und Andreas Lechner

Schon als Kind war es Uni Wien-Alumnus Joseph Kap-herr ein Anliegen, Verantwortung zu übernehmen. Mit seinem Kollegen Andreas Lechner gründete er deshalb Sindbad, ein Unternehmen, das sozial benachteiligte SchülerInnen sowie Studierende auf dem Arbeitsmarkt unterstützt.

Stellen Sie uns bitte Ihr Unternehmen in 2 Sätzen vor …
Joseph Kap-herr: Sindbad ist ein Chancengeber für Jugendliche und junge Menschen und versucht eine Plattform zu schaffen, von der alle Stakeholder gleichermaßen profitieren. In unserem Mentoring-Programm bekommen junge Führungskräfte unterschiedlicher Unternehmen sowie auch Studierende die Möglichkeit, ihre sozialen Kompetenzen zu schärfen. Gleichzeitig soll für SchülerInnen der neuen Mittelschule eine bestmögliche Vermittlung in den Arbeitsmarkt gewährleistet werden und eine geringere Arbeitslosenquote bei Jugendlichen erzielt werden.

Im Dossier "Mein Business" stellen Alumni der Universität Wien ihr Startup vor und verraten Tipps und Tricks für (zukünftige) GründerInnen. Das Dossier läuft in Kooperation zwischen dem uni:view-Magazin, der DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung und dem Alumniverband.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen – und wann stand fest: Wir gründen eine Firma?
Kap-herr: Verantwortung zu übernehmen ist mir seit meiner Kindheit schon ein großes Anliegen. Das Unternehmen Sindbad habe ich erst mit meinem Kollegen Andreas Lechner in Gesprächen erarbeitet – es war nicht von Anfang an klar, was wir genau gründen wollen. Wir wussten nur, dass wir aktiv werden wollen. Der wichtigste Motor für uns beide war: Wir möchten etwas tun und wir wollen unseren Beitrag auf eine Weise leisten, die es, in unseren Augen, so noch nicht gibt: Ein Unternehmen, das vor allem auf enge zwischenmenschliche Zusammenarbeit baut.

Sie haben Politikwissenschaft an der Universität Wien studiert. Inwiefern hat ihr Studium beim Weg in die Selbstständigkeit eine Rolle gespielt?
Kap-herr: Das Studium hat mir in Sachen Gründung gar nicht geholfen, dafür als Mensch umso mehr. Ich habe es genossen, dass die Politikwissenschaft auf der Uni Wien einen stark philosophischen Einschlag hatte. Das hat mir geholfen, unsere Gesellschaft zu hinterfragen und auf unterschiedlichen Ebenen stärker ins Detail gehen zu können. Das war für die Gründung von Sindbad und die einhergehenden gesellschaftspolitischen Fragestellungen, wie zum Beispiel soziale Mobilität und die Verteilung von Produktionsmitteln, enorm hilfreich und wichtig.

Im Wintersemester 2018/19 startet ein neuer Durchgang von u:start, dem Gründungsprogramm für AbsolventInnen und Studierende. Details zum Programm und zur Bewerbung gibt es beim u:start-Infoabend am 26. September am Campus der Uni Wien. Mehr Informationen (© Alumniverband der Universität Wien)

Haben Sie sich das Gründen so vorgestellt?
Kap-herr: Nein, überhaupt nicht, weil ich es mir gar nicht vorgestellt hatte. Das wichtigste war, dass wir totale Lust darauf hatten. Wir kannten die Grundlagen des Gründens, dennoch gab es immer wieder Überraschungen – und die wird es immer geben. Manchmal kommt es mir sogar so vor, als würden wir noch gründen. Wahrscheinlich gründen wir in zehn Jahren immer noch.

Was war für Sie die größte Herausforderung?
Kap-herr: Abgesehen vom Geld gibt es nur schöne Herausforderungen. Geld ist tatsächlich "a Schaß", weil du dann irgendwann anstehst. Wir hatten Glück, denn wir sind relativ schnell finanziert worden, aber Geld stellt immer eine unangenehme Herausforderung dar. Es ist auch das, was viele Sozialunternehmen einer "Mission Drift" aussetzt: Auf der einen Seite hast du das Unternehmerische, wo du eine Performance abliefern musst, damit die Leute dich bezahlen. Auf der anderen Seite hast du den sozialen karitativen Teil, wo du dann oft merkst, dass das so nicht zusammenpasst. Dann bleibt dir immer die Frage: Wohin gehst du? Wohin zieht‘s dich? Eine Seite komplett auszuschließen geht nicht, man wird gezwungen mal dort und mal da nachzugeben.

Ihr schönster Augenblick?
Kap-herr: Einer meiner schönsten Augenblicke mit Sindbad war, als ich bemerkte, wie groß der Andrang ist. Der Moment, als wir realisierten, dass das Projekt nicht an einer Knappheit an MentorInnen und Mentees scheitern wird. Auch für die Universitäten wäre es wichtig zu erkennen, welch ein Potenzial dort schlummert und nicht abgeholt wird. Es gibt eine große Anzahl an Studierenden, die etwas Sinnvolles machen wollen, die sich aber vielleicht vom klassischen Angebot einer NGO nicht angesprochen fühlen. Hier macht es Sinn, das Spektrum an Möglichkeiten zu erweitern und diesen Leuten eine Plattform zu bieten, um sich sozial zu engagieren. Es ist unglaublich schön zu sehen, wie groß das Interesse ist.

Haben Sie Vorbilder?
Kap-herr:
Ich habe kein allumfassendes Vorbild, aber ich habe für viele Teile meines Lebens ein Vorbild, "Fragmentvorbilder", sozusagen: Für das Unternehmerische, für das Friedliche in mir und für viele andere Aspekte meines Tuns.

Das war die Entrepreneurship Night 2018
Am 18. Juni 2018 verwandelte sich der Uni Wien Campus zum Treffpunkt für GründerInnen und alle, die es noch werden wollen. Hier geht's zum Foto-Nachbericht und zum Video. (© Suchart Wannaset, Collage: Alumniverband der Universität Wien)

Welche Tipps würden Sie Ihrem damaligen "Gründer-Ich" aus heutiger Sicht geben?
Kap-herr:
Es geht nur um Netzwerk: Rede jeden Tag mit 25 Leuten und nach zwei Wochen wird eine/r dabei sein, der oder die die richtige Person für dich ist und was mit Dir macht. Lerne die ganze Szene kennen, rede mit allen Leuten, gib allen das Gefühl, dass sie wichtig sind und irgendwann gibt auch dir wer das Gefühl, dass du wichtig bist!


Wie hätte Sie die Uni mehr unterstützen können?
Kap-herr: Eigentlich gar nicht, weil ich es gut finde, dass man am Institut für Politikwissenschaft nichts mit UnternehmerInnentum oder Gründen zu tun hat. Die Universität hat mich sehr stark darin unterstützt, dass ich zum Teil ein kritischer Geist geworden bin – teilweise vielleicht auch nicht, aber das war, finde ich, ausreichend Unterstützung. Ich bin froh darüber, dass zumindest in diesem Studium Businessaspekte ausgespart bleiben.

Steckbrief
Name: Joseph Kap-herr   
Alter: 27
Studium: Politikwissenschaft
Gründungsjahr: 2016   
Mein Business: Sindbad – Social Business   
Mein Motto: "Die Erfahrung hat keinerlei ethischen Wert. Sie ist nur ein Name, den die Menschen ihren Irrtümern verleihen." (Oscar Wilde)
Mein Tipp für GründerInnen: Vernetze dich mit anderen GründerInnen!
Link zur Webseite: www.sindbad.co.at/team

Das Interview führte Lisa Grabner (DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung sowie Wissenstransferzentrum Ost).