Kosmische Einfälle
| 14. Juni 2013Druckfrisch: Die neue Ausgabe des Alumni-Magazins "univie" ist da. Als kleinen Vorgeschmack bringt uni:view ein Interview der Chefredakteurin Siegrun Herzog mit Christian Köberl, Professor für Impaktforschung und planetare Geologie an der Universität Wien und Direktor des Naturhistorischen Museums Wien.
Wie nehmen Sie als Meteoritenforscher einen Einschlag, wie vor einigen Monaten in Russland, wahr?
Christian Köberl: Gut fürs Geschäft (lacht)! Dieser Körper ist in 15 bis 20 Kilometern Höhe explodiert, vom Meteoriten ist nicht mehr viel übrig geblieben. Ursprünglich war das Objekt 15 Meter im Durchmesser, es zählt zu den kleineren Körpern. Das passiert relativ oft. Ein ähnliches Ereignis hatten wir 1908 über Sibirien, es wurde als Tunguska-Ereignis bekannt. Ein Objekt von 20 bis 30 m Durchmesser hat damals ein – glücklicherweise unbewohntes – Gebiet von 2.000 Quadratkilometern verwüstet.
Was fasziniert Sie so an Meteoriten?
Köberl: Meteoriten sind Boten aus dem Sonnensystem. Sie erzählen uns etwas über die Geschichte und Entwicklung unseres Planetensystems und der Erde. Sie führen uns vor Augen, dass die Erde nicht isoliert im Weltraum ist. Wir Menschen sind keineswegs die Herren über den Planeten, sondern nur ein Biofilm an der Oberfläche. Meteoriteneinschläge sind gut, weil sie uns daran erinnern, dass wir Teil des Weltraums sind.
Was können wir von Meteoriten lernen?
Köberl: Meteoritenforschung hat wesentlich zum Verständnis über die Entstehung der chemischen Elemente beigetragen. Es ist faszinierend, wo im Universum chemische Elemente "gebacken" werden. Alle chemischen Elemente sind durch nukleare Prozesse im Weltraum entstanden, meist im Inneren von Sonnen. Gold war z. B. einmal im Inneren eines Sterns und ist vermutlich bei der Explosion einer Supernova entstanden und im Weltraum verteilt worden. Diese kosmischen Zusammenhänge finde ich spannend.
Was waren die massivsten Impacts der Erdgeschichte?
Köberl: Der größte und wichtigste Einschlag war vor 65 Mio. Jahren am Ende der Kreidezeit. Da ist ein ca. zehn Kilometer großer Asteroid auf die Erde gestürzt, hat in Mexiko einen etwa 200 Kilometer großen Krater geschlagen. Man weiß heute, dass es zu einer Klimaänderung gekommen ist, dass Feuersbrünste auf dem Planeten gewütet haben und 30.000 Kubikkilometer Staub in die Atmosphäre geschleudert wurden. Es war jahrelang dunkel, das hat die Photosynthese unterbrochen, und es gab nichts zu fressen. 70 Prozent aller Arten sind damals ausgestorben, darunter auch die Dinosaurier.
Wie oft passieren solche Großereignisse?
Köberl: Man schätzt, dass sie alle 50 bis 100 Mio. Jahre in unregelmäßigen Abständen auftreten. In den nächsten paar Hundert Jahren wird uns mit Sicherheit kein derartiges Ereignis bevorstehen.
Was würde passieren, wenn ein mittelgroßer Meteorit auf Wien fallen würde?
Köberl: Wenn ein Objekt mit 100 Meter Durchmesser auf Wien stürzen würde, wäre Wien zerstört. Der Krater würde von der Innenstadt bis zur 2er-Linie reichen. Unsere BesucherInnen können sich dieses Szenario in einer Simulation im Meteoritensaal ansehen.
Das NHM beherbergt große Sammlungen – ist es noch zeitgemäß, ausgestopfte Tiere auszustellen?
Köberl: Das Museum hat die Aufgabe, die biologische und geologische Vielfalt des Planeten zu sammeln und zu dokumentieren. Im 19. Jahrhundert hat man ausgestopfte Tiere gesammelt, im 21. Jahrhundert sammelt man genetische Information. Eine Idee für die Zukunft ist, das Museum in die österreichweite Initiative "The Barcode of Life" einzubinden, wo die gesamte Biodiversität Österreichs digital erfasst werden soll. Ich würde gerne eine DNA- und Gewebebank im Museum einrichten, das wäre eine moderne Art und Weise, wie man unserem Auftrag nachkommen kann.
Die aktuelle Ausgabe von univie, dem Magazin des Alumniverbandes der Universität Wien ist erschienen. |
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