Mein Business: "Ich würde es wieder tun"

Mit ihrer Firma Ruffboards trat Alumna Melanie Ruff den Beweis an, dass Sportartikelproduktion auch nachhaltig passieren kann. Im Herbst letzten Jahres sperrte das anfangs äußerst erfolgreiche Start-up allerdings zu. Im Interview erzählt die ehemalige Unternehmerin ihre Beweggründe.

Ruffboards war ein Vorzeige-Unternehmen im Upcycling und Social Business. Dass ihr zugesperrt habt, überraschte viele, wie kam's dazu?
Melanie Ruff:
Wir waren in der Wachstumsphase und eine Expansion wäre angestanden, uns ist es aber nicht geglückt, die Prozesse zu skalieren. Das heißt, je höher unser Umsatz wurde, desto aufwendiger wurde die Produktion. Das Geschäftsmodell war nicht geeignet, um es groß aufzuziehen, das war uns vorher nicht bewusst. Gravierend war außerdem, dass wir verabsäumt haben, rechtzeitig das Gründungsteam zu erweitern. In der Geschäftsführung waren wir zu zweit, alles lag auf unseren Schultern, irgendwann wurde es uns zu viel.

Im Dossier "Mein Business" stellen Alumni der Universität Wien ihr Startup vor und verraten Tipps und Tricks für (zukünftige) GründerInnen. Das Dossier läuft in Kooperation zwischen dem uni:view-Magazin, der DLE Forschungsservice und Nachwuchsförderung und dem Alumniverband.

Ihr wurdet ziemlich gehypt…
Ruff:
Ja, zwei Frauen in der Sportbranche, die mit Haftentlassenen ein umweltfreundliches Produkt erzeugen, das war die ganze Hipster-Welt vereint in zwei Personen und alle haben gezerrt, eh verständlich. Wir haben gedacht, da kommt jetzt viel Presserückmeldung und für Marketing hat man sowieso nie Kohle, also setzen wir auf PR, aber direkt in Umsatz ist es nicht gemündet.
 
Lag es auch an der Struktur des Social Business, dass ihr letztlich gescheitert seid?
Ruff:
Nein, es war das umweltfreundliche Produkt. Es ist unglaublich billig, zehn Snowboards zu organisieren, aber unglaublich teuer, 1.000 aufzutreiben. Wo Firmen Rohstoffe zukaufen und skalieren, gehen Preise normalerweise runter, wir dagegen sind mit dem Rohstoffpreis immer weiter raufgeschnallt. Hätten wir klassisch Holzbretteln in China produzieren lassen, wäre es anders gelaufen. Wir wollten ein nachhaltiges Sportgerät etablieren, auf diesen Grundgedanken hätten wir nie und nimmer verzichtet. Als Vorbild diente uns das Geschäftsmodell von "Freitag" (Taschen, Anm.). Sie haben allerdings den gravierenden Vorteil, aus einer Lkw-Plane 500 Taschen fertigen zu können. Wir dagegen konnten aus einem Snowboard ein Longboard machen, im Jahr waren das 500 bis 800 Stück.

Im Rahmen des WTZ Ost Weiterbildungsprogramms 2017/18 findet am 9. November der Workshop Mein Social Business statt. Wer die Kombination von unternehmerischer Tätigkeit und gesellschaftlichem Mehrwert spannend findet, kann eigene Ideen diskutieren und von zwei erfolgreichen Wiener Social Entrepreneurs erfahren, worauf zu achten ist. (Foto: WTZ Ost) Weitere Informationen

Habt ihr mit der Gründung zu viel riskiert?
Ruff
: Ich habe die Gründung damals überhaupt nicht als Risiko empfunden, die Sache stand einfach im Mittelpunkt. Nach der Schließung ist mir erst bewusst geworden, was da eigentlich passiert ist. Uns ist der Erfolg derart zum Verhängnis geworden, dass zum Nachdenken keine Zeit blieb. Beruflich war es kein Risiko, auch im Nachhinein nicht. Aber privat. Wir haben uns beide bis zur Totalerschöpfung verausgabt, sehr viele persönliche Beziehungen aufs Spiel gesetzt, ohne es zu bemerken.

Wie riskant war es finanziell?
Ruff:
Am Anfang haben wir nicht viel gebraucht, ein paar hundert Euro für Maschinen, eine Werkbank, Klemmen und eine Fräse. Die Werkstatt hatten wir anfangs in unserer Wohnung untergebracht, wo wir die Bücher mit Leintüchern verhängt und daneben gefräst und geschnitten haben. Ab dem fünften oder sechsten Board haben wir bereits verkauft und so Geld hereinbekommen. Auch durch Unternehmenspreise kam Geld herein, wir haben etwa den globalen Ben & Jerry's Wettbewerb 2014 gewonnen. Doch am Schluss hätten wir die gesamten Fixkosten, unsere Gehälter sowie die der fünf Mitarbeiter und die Miete für den Shop in der Otto-Bauer-Gasse aus dem Umsatz zahlen müssen. Hätten wir da nicht die Reißleine gezogen, dann hätten wir uns verschuldet. Wäre ich vom Geschäftsmodell überzeugt gewesen, hätte ich schon einen Kredit aufgenommen, aber ich habe am eigenen Körper gespürt, dass es so nicht funktioniert. Zu diesem Zeitpunkt war die Schließung einfach pure emotionslose Vernunft.

Würden Sie's wieder tun?
Ruff:
Ja, sofort! Ich sehe es auch nicht als Scheitern, wir haben ja viel erreicht. Ich habe das Gefühl, jetzt wäre ich eine bessere Unternehmerin, obwohl ich erst vor Kurzem eine Firma geschlossen habe. Gelernt habe ich unglaublich viel und ich könnte jetzt auch meine persönlichen Ressourcen besser einsetzen.

Am 13. November findet der nächste Vortrag in der Reihe "Der Weg in die Selbstständigkeit" statt. Petra Haslinger vom Gründerservice der Wirtschaftskammer Wien spricht über rechtliche und steuerliche Aspekte beim Gründen. (Foto: shutterstock.com/Peshkova) Weitere Informationen

Ist Risikobereitschaft ein Muss für Gründungswillige?
Ruff:
Ja, weil es ganz oft Situationen gibt, wo man sehr schnell entscheiden muss und man nicht die Zeit hat, alle Optionen durchzudenken und abzuwägen. Es braucht Risikobereitschaft, damit man keine Chance verpasst.

Sie arbeiten derzeit als Expertin für Innovation und Entrepreneurship an der FH St. Pölten. Worin unterscheidet sich die Wissenschafts- von der Businesswelt?
Ruff:
Es geht darum, Start-ups zu fördern, die Forschungsverwertung anzukurbeln. Vom Publizieren zum Start-up, ganz so einfach ist es aber nicht. Ein Unternehmen zu führen ist schon etwas komplett anderes, als Forschungsarbeit zu leisten. Man hat viel zu organisieren, das muss einem liegen. Vom Intellekt her ist man schnell einmal unterfordert, weil es nur mehr darum geht, dass die Prozesse funktionieren, also klassische Managementaufgaben. Aber das Verwertungsinteresse seitens der WissenschafterInnen ist überraschend groß.

Am 14. November beantwortet die Expertin Hildegard Etz vom Österreichischen Patentamt Fragen rund ums Patentrecht. Im Anschluss gibt Markus Pietzka (INiTS) Infos zur Gründungsfinanzierung. Die Fachveranstaltungen finden im Rahmen von u:start statt, dem Ausbildungsprogramm zu beruflicher Selbstständigkeit und Unternehmensgründung für AkademikerInnen. Anmeldung

Was raten Sie Gründungswilligen in Bezug auf Risiko?
Ruff:
Sich hinsetzen und definieren, was ist mir das Wichtigste im Leben, und dann sagen, o. k., diese Bereiche greife ich nicht an, die sind risikofrei und den Rest verzocke ich. Das kann die Beziehung sein, der Ferrari vor der Tür oder die eigene Gesundheit. Den Fehler, alles aufs Spiel zu setzen, würde ich nicht mehr machen.

Sind Sie in anderen Bereichen auch risikofreudig?
Ruff:
Ich tendiere dazu (lacht). Beim Skaten ist Risiko einfach Teil des Sportes. Wenn man auf der Halfpipe steht und sich in die Hose macht, ist es der falsche Sport, weil dann verletzt man sich garantiert. Dem Skaten bin ich treu geblieben seit ich 13 bin, ansonsten fahre ich auch Mountainbike und nächste Woche gehe ich Paragleiten.

Zur Person:
Dr. Melanie Ruff ist Alumna der Geschichte der Universität Wien und Universität Stuttgart. Die ehemalige Start-up-Gründerin ist derzeit als Innovations- und Entrepreneurship-Beraterin an der FH St. Pölten tätig.

Das Interview führte Siegrun Herzog (Alumniverband der Universität Wien).