Gern geschehen! Was Menschen motiviert, sich freiwillig zu engagieren

Fast jede/r zweite ÖsterreicherIn über 15 Jahre engagiert sich ehrenamtlich. Passend zur aktuellen Semesterfrage der Uni Wien beschäftigt sich die März-Ausgabe des Alumni-Magazins mit der Frage, was Menschen dazu motiviert, unbezahlt zu arbeiten. Lesen Sie hier Auszüge aus der Coverstory.

Keramikscherben, Knochensplitter, Glasteile und Mörtelreste waren heute im Fundsackerl von Hermine Jira. Die 70-jährige Absolventin der Uni Wien kommt seit einem Dreivierteljahr regelmäßig in die Stadtarchäologie Wien, um mitzuhelfen. Geld bekommt sie dafür keines, doch darum geht es der Pensionistin auch gar nicht. "Es geht mir gut, jetzt will ich der Gesellschaft etwas zurückgeben."

Dass sich Freiwillige keineswegs aus purem Altruismus engagieren, bestätigt Claus Lamm. Der Psychologe sieht vielmehr den Nutzen für beide Seiten als Voraussetzung dafür, dass das Engagement auch nachhaltig ist. Lamm erforscht an der Universität Wien die biologischen und neuronalen Grundlagen von menschlichem Sozialverhalten, wie Altruismus, Empathie und Mitgefühl.

"Warm Glow"

Reinen Altruismus, definiert als Handeln, von dem man selbst keinerlei Nutzen zieht, die andere Person aber sehr wohl, finde man unter Menschen kaum. "Wir sprechen hier lieber von prosozialem Verhalten, wo beide Seiten davon profitieren können, der Nutzen der anderen Person aber über meinen eigenen hinausgeht", so Lamm. Die Frage "Was habe ich davon?" werde allerdings meist nicht bewusst gestellt, oft sei es mehr ein diffuses "Fühlt sich gut an". "Warm Glow" nennt die Wissenschaft dieses angenehme Wohlgefühl, das uns nach einer guten Tat durchströmt.

"Die Empathie ermöglicht uns, die Gefühle anderer nachzuempfinden. Aus dieser Emotion heraus kann ein Mitgefühl entstehen, das uns dazu bringt, anderen zu helfen", sagt Psychologe Claus Lamm. (© Martin Zimmermann)

Was Menschen zu prosozialem Verhalten motiviert, untersuchen Lamm und sein Team im Experimentallabor. ProbandInnen bekommen dort etwa die Möglichkeit, Geld zu spenden. Wenn der Beitrag auch für andere sichtbar ist, wird mehr gespendet, als wenn niemand es sieht. "Reputation kann ein starker Motivator für prosoziales Verhalten sein, hier stellt sich allerdings die Frage, wie lange diese Motivation aufrechtzuerhalten ist", räumt Lamm ein. Wenn es darum geht, Geld für karitative Einrichtungen zu spenden oder diese in anderer Form zu unterstützen, spielt auch die Empathiefähigkeit eine große Rolle.

Höhere Bildung, höhere Beteiligung

Im EU-Vergleich wird deutlich: Die ÖsterreicherInnen engagieren sich – gemeinsam mit den NiederländerInnen, SchwedInnen und BritInnen – überdurchschnittlich häufig freiwillig und liegen mit je über 40 Prozent im EU-Spitzenfeld. "Rein volkswirtschaftlich gesehen ist klar, dass daraus eine riesengroße Wirtschaftsleistung entsteht", sagt der Verhaltensökonom und Volkswirt Martin Kocher von der Universität Wien. Sie monetär zu bewerten sei aber schwierig, denn die Trennlinie, was schon Freizeit und Spaß und was tatsächlich als Arbeit einzustufen ist, sei bei der Freiwilligenarbeit schwer zu ziehen. Kocher sieht in der gut organisierten Struktur der Freiwilligenarbeit in Österreich eine Voraussetzung und vergleicht die Vereinsstruktur auf dem Land mit einer "gut geölten Maschine".

"Rein volkswirtschaftlich gesehen ist klar, dass aus der Freiwilligenarbeit eine riesengroße Wirtschaftsleistung entsteht", so Verhaltensökonom und Volkswirt Martin Kocher. (© IHS)

Auch die Verhaltensökonomie beschäftigt sich mit der Frage, was Menschen dazu motiviert, etwas zu tun, was der Allgemeinheit nützt. Hier zeigt sich, dass viele dann bereit sind, etwas zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen, wenn sie erfahren, dass andere dasselbe tun. "Aus Entscheidungsexperimenten wissen wir, dass 50 bis 60 Prozent der Leute sogenannte konditionale Kooperierer sind", so Kocher. Und je mehr von ihnen wir in einer Gruppe haben, desto besser funktioniere die Kooperation insgesamt. Umgelegt auf Österreich, wo wir ein sehr gutes Netz an Freiwilligenarbeit vorfinden, führe das dazu, dass sich diese letztlich reproduziert, sagt Kocher.

Gemeinsam solidarisch

Für die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack ist klar, dass die institutionellen Rahmenbedingungen einen Einfluss darauf haben, ob Menschen solidarisch handeln können oder nicht. "In Staaten wie Österreich, wo es ein stabiles soziales Auffangnetz gibt, wissen die Leute, dass sie nicht in den Privatbankrott schlittern, wenn sie plötzlich krank werden oder ihren Job verlieren sollten. Das macht es leichter, auch andere zu unterstützen." 

"In den Kernbereichen der Leistungserbringung sollten wir nicht auf Ehrenamt angewiesen sein, das ist etwas, was der Staat tun muss", betont die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack. (© privat)

Prainsack hat an der Universität Wien vor kurzem die Forschungsgruppe "Zeitgenössische Solidaritätsstudien" gegründet. Aus der Solidaritätsperspektive ist das Erkennen von Gemeinsamkeiten letztlich der zentrale Moment, der Menschen zum Handeln treibt. "Das kann ein gemeinsames Interesse genauso sein wie eine Bedrohung, die man als Gruppe gemeinsam spürt. Gemeinsam gegen den Klimawandel oder gemeinsam für mehr ArbeitnehmerInnenrechte", so Prainsack. Ob es gelingt, Gemeinsamkeiten mit anderen zu identifizieren, hänge nicht zuletzt davon ab, wie seitens der Politik oder der Medien über bestimmte Gruppen gesprochen oder berichtet werde.

Lesen Sie den gesamten Beitrag in der März-Ausgabe von univie, dem Alumnimagazin der Universität Wien.