Charlotte Bühler Festsymposium: 90 Jahre Entwicklungspsychologie in Wien

Stephan Brodicky (uni:view) | 15. November 2013

Die menschliche Entwicklung von der frühen Kindheit bis hin zum langwierigen Prozess des Erwachsenwerdens – damit beschäftigen sich ForscherInnen der Universität Wien nun bereits seit 90 Jahren. (Foto: Helene Souza)

Vor 90 Jahren nahm rund um Charlotte Bühler eine Wiener Forschungstradition ihren Anfang, die heute fest an der Universität Wien verankert ist: die Psychologie der Kindheit. Das Festsymposium am 22. und 23. November spannt den Bogen zur aktuellen Forschung an der Fakultät für Psychologie.

1923 begann Charlotte Bühler ihre Lehrtätigkeit an der Universität Wien, wo sie 1929 zur außerordentlichen Professorin ernannt wurde. In diesen Anfangsjahren legte sie die wissenschaftlichen Grundlagen für das internationale Ansehen der "Wiener Kinderpsychologischen Schule".

Heute werden an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien – rund um Lieselotte Ahnert, die den Arbeitsbereich Entwicklung leitet – Themen aus der Frühen Kindheit und Vorschulzeit sowie der Pubertät und des Erwachsenwerdens untersucht: die "hoch-dynamischen Phasen der menschlichen Entwicklung". Dabei sehen sich die ForscherInnen der Universität Wien in der Pflicht, das weltweite Bemühen um optimale Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Kindern durch aktuelle sozialpolitische Beiträge zu unterstützen.

Charlotte Bühler, geb. am 20. Dezember 1893 in Berlin, gest. am 3. Februar 1974 in Stuttgart, Frau von Professor Karl Bühler, war Privatdozentin (ao. Prof.) für Psychologie (Ästhetik und Jugendpsychologie) an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Die Begründerin der Entwicklungspsychologie gründete die "Wiener Kinderpsychologische Schule"; ihre Forschungen, in deren Mittelpunkt die Lebenslaufperspektive stand, haben wesentlich zu den heutigen Erkenntnissen über die Entwicklung in der Kindheit beigetragen. Charlotte Bühler wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 ihres Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Sie konnte über Oslo nach Los Angeles/USA emigrieren. 1998 wurden Charlotte und Karl Bühler durch die Benennung eines der "Tore der Erinnerung" am Campus der Universität Wien geehrt (Tor Spitalgasse nächst Alserstraße). Foto: Archiv der Universität Wien
Charlotte Bühler im Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938


Festsymposium

Am Freitag, 22. und Samstag, 23. November 2013 wird Charlotte Bühler und der "Wiener Kinderpsychologischen Schule" an der Universität Wien ein Festsymposium gewidmet. Präsentiert wird die heutige Wiener Forschung zur Psychologie der Kindheit, ihre Einbettung in die moderne internationale Forschung sowie ihre Relevant für aktuelle sozialpolitische Herausforderungen. Im Mittelpunkt steht die Forschung über soziale Beziehungen und Bindungen, ohne die Entwicklung und Wohlbefinden von Kindern heute nicht mehr erklärbar sind. So ist auch das in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebene Recht des Kindes auf Liebe, Fürsorge und Bildung ohne beziehungsbezogene Entwicklungserkenntnisse nicht umsetzbar.

Dabei wartet das Symposium mit renommierten internationalen Gastvortragenden auf, die gemeinsam mit KollegInnen der Universität Wien den "state of the art" skizzieren: Ross Thompson von der University of California (USA) mit Barbara Supper und Bernhard Piskernik von der Universität Wien zum Thema "Relationships and Attachment",  Michael Lamb von der University of Cambridge (UK) und Lieselotte Ahnert von der Universität Wien zum Thema "Vaterschaft", Megan Gunnar von der University of Minnesota (USA) gemeinsam mit Nina Tupy und Tina Eckstein-Madry von der Universität Wien über "Stress", und um "Trauma" drehen sich die Vorträge von Zahava Solomon von der University of Tel-Aviv (IL) und Brigitte Lueger-Schuster von der Universität Wien.

Lieselotte Ahnert im Interview
Ab den 1920er-Jahren galt Wien – rund um Charlotte und Karl Bühler – als das "Mekka der europäischen Psychologie". Durch den Nationalsozialismus jäh unterbrochen, wurde die Bühler-Tradition in den 70ern aufgegriffen. Lieselotte Ahnert erzählt vom erneuten Aufblühen der Wiener Entwicklungspsychologie.
Zum Interview


Buchpräsentation und "Meet the Scientists"

Speziell an Studierende und JungwissenschafterInnen richtet sich die Lehrbuchpräsentation am Freitagabend im Senatssaal der Universität Wien (19 Uhr) – präsentiert wird das Buch "Theorien der Entwicklungspsychologie von Lieselotte Ahnert (Hrsg.) – und der Programmpunkt "Meet the Scientists" an beiden Nachmittagen des Symposiums: Hier haben Studierende die Gelegenheit, sich bei informellen Meetings und in Workshops mit renommierten FachvertreterInnen auszutauschen (jeweils 16 bis 18 Uhr, Räumlichkeiten der Fakultät für Psychologie). (sb)


Charlotte Bühler Festsymposium: 90 Jahre Entwicklungspsychologie in Wien
Freitag und Samstag, 22. und 23. November 2013, jeweils 9 bis 15 Uhr
Großer Festsaal der Universität Wien
Universitätsring 1, 1010 Wien
Um  unverbindliche Voranmeldung wird gebeten.

Lehrbuchpräsentation: "Theorien der Entwicklungspsychologie"
Freitag, 22. November 2013, 19 bis 21 Uhr
Senatssaal der Universität Wien
Universitätsring 1, 1010 Wien

Meet the Scientists
Freitag und Samstag, 22. und 23. November 2013, jeweils 16 bis 18 Uhr
Fakultät für Psychologie der Universität Wien
Liebiggasse 5, 1010 Wien
Anmeldung bis 17.11.2013 möglich.

Programm des Festsymposiums
Flyer (PDF)

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