Letzte Tage in Zentralasien: Touristenkarawanen und Monumentalbauten

Usbekistan steht im Mittelpunkt des aktuellen und letzten Reiseberichts der Exkursion des Instituts für Geographie und Regionalforschung – die 24 Studierenden sind dabei u.a. mit der Metro Taschkents und auf Teilen der Seidenstraße unterwegs.

Taschkent – Die Stadt der Raketen und Kosmonauten

Der zweite Sonntag unserer Exkursion steht im Zeichen der Architektur in der usbekischen Hauptstadt: Taschkent ist ein Hotspot sowjetischer Architektur in Zentralasien und aus stadtgeographischer Sicht besonders spannend.

Wir nutzen die Metro Taschkents, die im Vergleich zur Wiener U-Bahn mit drei Linien und etwa dreißig Stationen klein ist, um zu unseren ausgewählten Bauwerken zu kommen. Jede Station der Metro ist individuell gestaltet und ein Kunstwerk für sich. Das Fotografieren in den Stationen ist untersagt, da es sich bei der U-Bahn um ein militärstrategisch wichtiges Objekt handelt, ein riesiges Bunkersystems, das der Bevölkerung Taschkents im Falle eines Atomkrieges Schutz bieten soll. Als die Metro in der Zeit des Kalten Krieges gebaut wurde, gab es das Bedrohungsszenario einer militärischen Konfrontation mit dem Westen. Im Laufe des Nachmittags erkunden wir den Fernsehturm und das Hotel Uzbekistan.


Der Fernsehturm Taschkents. (Foto: Judith Schnelzer)

Diese beiden Bauwerke spiegeln in eindrucksvoller Weise den Zusammenhang zwischen Architektur und dem jeweiligen politischen und gesellschaftlichen System wider. Hier zeigt sich der sowjetische Einfluss, Technik und Fortschritt zu präsentieren: der als "startende Rakete" konzipierte Fernsehturm und die Metro-Station Kosmonavtlar mit zahlreichen Motiven aus der sowjetischen Raumfahrt. Aber auch traditionelle Muster und Designs haben in der sowjetischen Architektur in Zentralasien ihre Spuren hinterlassen. 


Hotel Usbekistan in Tashkent. (Foto: Patrick Kammerzelt)

Was haben wir gelernt? Die Macht der Sowjetunion ist in der Ästhetik immer noch deutlich spürbar. Anhand von Architektur kommen Zeitgeist und gesellschaftliche Gegebenheiten verschiedener Epochen zum Ausdruck.

Bukhara – Touristenkarawanen auf der Suche nach dem "Orient"

Nach einer überraschend kühlen Fahrt mit dem Nachtzug von Taschkent nach Bukhara tauchen wir in ein Handelszentrum der Seidenstraße ein. Bukhara ist eine Touristenmetropole Usbekistans und zählt gemeinsam mit Samarkand zu den ältesten Städten des Landes. Inmitten karger Landschaft bilden Bukhara und die umliegenden Baumwollfelder eine grüne Oase – bewässert durch den Amudarya Fluss. Die Altstadt ist trocken und staubig, die zahlreichen restaurierten blau-grünen Wandmosaike bieten einen erfrischenden Kontrast. Wir sind jedenfalls sehr beeindruckt von dieser wunderschönen Stadt. 


Gruppenfoto vor der einstigen Medressa, die heute als Gedenkstätte fungiert. (Foto: Fabian Lengheim)

Einst bedeutende Koranschulen, heute Orte der Erinnerung

In Bukhara stoßen wir auf eine von drei noch existierenden Medressen des Landes. Von diesen einst mehr als 300 im ganzen Land verteilten Koranschulen wurden zur Zeit der Sowjetunion alle bis auf diese drei zerstört. Da es im 15. und 16. Jahrhundert keine Universitäten gab, boten Medressen die einzige Ausbildungsmöglichkeit. Gelehrt wurden hauptsächlich die Inhalte des Korans sowie allgemeinbildende Fächer wie Philosophie, Medizin oder Mathematik. Jedoch zeigt sich an den Mauern dieser Bauwerke durch den steigenden Grundwasserspiegel die zunehmende Grundwasserproblematik der Region. Diese Tatsache weckt nicht zuletzt deshalb unser Interesse, da es in diesem Gebiet zu ineffizienter Wassernutzung des Amudarya Flusses kommt und wir uns somit die Frage stellen, warum das vorhandene Grundwasser nicht genutzt wird.

Wie die Seide nach Europa kam: die Seidenstraße

Bukhara liegt an einem Knotenpunkt der berühmten Seidenstraße. Sie repräsentiert geschützte Handelswege, die sich ab dem 2. Jahrhundert v. Chr. etablierten. Auf dieser Verbindung zwischen Ost und West wurden nicht nur Wissen, Religion und Luxusgüter wie Seide, Bernstein und Drogen, sondern auch Krankheiten verbreitet. Um den Handel über so große Distanzen – die Seidenstraße erstreckte sich von China bis nach Istanbul – zu ermöglichen, errichtete man Karawansereien, die als Umschlagsorte und Schlafmöglichkeiten für die Händler und deren Begleitung dienten. In Bukhara sowie auf dem Weg nach Samarkand besichtigen wir zwei Ruinen von Karawansereien. Heute erlebt der historische Handelsweg einen neuen Aufschwung. Tourismus und das Engagement Chinas sind hier zu erwähnen – so steht beispielsweise die "Silk Road Initiative" der UNESCO für die Tourismusförderung des historischen Handelsweges und China verfolgt seine regionalwirtschaftlichen Interessen.


Ruinen einer Karawanserei in der Nähe von Bukhara. (Foto: Wolfgang Prunner)

Samarkand – Zentrum nationaler Identitätsstiftung Usbekistans?

Nachdem wir mit Buchara das erste Juwel an der Seidenstraße erkundet haben, führt uns unsere Reise weiter nach Samarkand, der Hauptstadt des Timuridenreiches. Erste historische Erwähnungen Samarkands gehen auf chinesische Quellen aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. zurück. Unter dem Feldherren Tamarlan (auch Tamerlan oder Timur) stieg Samarkand im 15. Jahrhundert zu einem bedeutenden Kultur- und Wirtschaftszentrum der damaligen Zeit auf. Unsere stadtgeographische Analysen führen uns zum Registanplatz (arabisch: Sandplatz), zum Chorsu-Basar sowie zur Nekropole Shah-i-Zinda ("Stadt der Toten").


Der Registanplatz in Samarkand. (Foto: Michael Ritzinger)

Auf Spurensuche in Samarkand

Die Methodik der Spurensuche geht auf den Geographen Gerhard Hard zurück, sie begleitet uns während unseres Spaziergangs durch die Stadt Samarkand. Zentralitätsfunktionen einer Stadt stehen bei dieser Spurensuche im Fokus. In der anschließenden Diskussion kommen wir zu dem Ergebnis, dass Samarkand für Usbekistan eine identitätsstiftende Funktion einnimmt, vor allem durch den Nationalhelden Tamarlan, dessen Name damals wie heute eng mit der Stadt Samarkand verknüpft ist und dessen historisches Erbe in Monumentalbauten sichtbar ist.

Auf zur letzten Etappe – Taschkent

In den frühen Morgenstunden machen wir uns auf den Weg von Samarkand nach Taschkent. Dabei durchqueren wir drei Provinzen, die durch Polizeikontrollen an den Grenzen der administrativen Einheiten bemerkbar werden. Entlang der Straße fällt uns die intensive landwirtschaftliche Nutzung auf. So befinden sich vor der Stadt Samarkand mehrere Tabakfelder, die später von weitverbreiteten Baumwollfeldern abgelöst werden.

Der hohe Preis für's viele Grün

Während Samarkand mit seiner historischen Altstadt zur Identitätsbildung einer Nation dient und Einkommen aus dem Tourismus lukriert, ist Taschkent eine moderne Metropole. Die Bewässerungsanlagen, die sich wie Leitplanken entlang der Straße schlängeln, geben uns das nötige Indiz. Durch das Vorantreiben der Industrialisierung in der Sowjetunion wurde auch die Landwirtschaft grundlegend revolutioniert. Usbekistan diente zu dieser Zeit als Baumwollproduzent für ein Weltreich. Bekanntestes Opfer und Ergebnis des großflächigen Baumwollanbaus ist die ökologische Katastrophe um den Aralsee im Westen des Landes. Im Osten Usbekistans setzt sich auch heute der enorme Wasserverbrauch weiter fort.  

Asian Development Bank auf dem Weg der "Armutsbekämpfung"

In Taschkent angekommen sind wir zu einem Gespräch bei Takeo Konishi, dem Direktor der Asian Development Bank, ADB, in Usbekistan, eingeladen. Im fünften Stock des eindrucksvollen Bürogebäudes erfahren wir mehr über das Wirken und die Rolle der ADB in Zentralasien. Als Hauptziel der ADB gilt die Armutsbekämpfung, welche durch ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum erreicht werden soll. Schon seit 1966 unterstützt die ADB durch die Vergabe von Niedrigzinskrediten vorrangig staatliche Projekte im Bereich Transport, Energie und Landwirtschaft. Durch die Unterstützung weniger ressourcenintensiver Landwirtschaft versucht die ADB eine Veränderung der derzeitigen Wirtschaftsstrukturen zu erzielen. Erste Erfolge zeigen sich bereits im für den Export bestimmten Anbau von Wasser- und Zuckermelonen sowie auch Weizen.

Omnipräsenz Europas in Usbekistan

Am letzten Tag der Exkursion werden nochmals all unsere Energiereserven für ein dichtes Programm aktiviert. Unser erster Termin führt uns zur deutschen GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die weltweit in insgesamt 130 Ländern vertreten ist. Der Schwerpunkt der GIZ in Usbekistan liegt in der Nachhaltigkeit aller Projekte. Langfristige Projekte stehen im Fokus der GIZ, angeblich im Gegensatz zu jenen der EU in Zentralasien, die eher  kurzfristige Laufzeiten haben. Die Anliegen der GIZ werden von Gunnar Schrote an Beispiel von Projekten zur Gesundheitsförderung erklärt. Gerade der Ansatz "Hilfe zur Selbsthilfe", der eigenständige Entwicklung durch gezielte Aus- und Fortbildung der Bevölkerung bedeutet, ist bei der GIZ nichts Neues.

"Safety begins at home"

Am Nachmittag werden wir von der OSCE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, empfangen. Botschafter György Szabo erzählt mit einigem Wortwitz über die drei Dimensionen der OSCE: Politik und Militär, Wirtschaft und Umwelt, sowie die menschliche Dimension. Einer der wichtigsten Strategien der OSCE ist die Prävention von Konflikten bereits auf unterster Ebene, daher auch der Leitsatz "Safety begins at home". Zur Problematik des Drogenkonsums wie auch des Drogentransits durch Zentralasien kann in einer anschließenden Diskussion einer der vier Projektleiter der OSCE unsere Neugier nur teilweise stillen – Fragen bleiben im Raum stehen. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, werden zum Beispiel seit 2008 strengere Grenzkontrollen vorgenommen, die wir bei diversen Grenzübergängen bereits selbst erleben durften, und im Rahmen eines Projekts Trainingsprogramme der zentralasiatischen Staaten gefördert.


György Szabo, Diplomat der OSCE in Taschkent. (Foto: Judith Schnelzer)

"They measure a hundred times before they cut"

Unser letzter Exkursionstermin findet bei der EU-Delegation in Taschkent im 15.Stock eines gewaltigen Gebäudes statt, wo wir in den Genuss eines überragenden Ausblicks über die Hauptstadt Usbekistans kommen. Im Vergleich zur Delegation in Bishkek, die wir in der ersten Woche besuchten, ist diese eine der jüngeren in Zentralasien. Seit der Gründung 2011 beschäftigt sich die EU-Delegation mit folgenden Schwerpunkten: Menschenrechte, Handel, Sicherheit und wirtschaftliche und politische Themen. Derzeitige Projekte der EU-Delegation von Usbekistan beziehen sich beispielsweise auf Landwirtschaft, Privatwirtschaft, Umweltressourcen und die Verbesserung der Lebensqualität. Wie andere ausländische Institutionen leidet auch die EU unter der gemächlichen Bürokratie in Zentralasien, denn: "They measure a hundred times before they cut", wie ein Mitarbeiter es beschreibt. Als Highlight überraschen uns die VertreterInnen der Delegation mit einem Quiz zur EU: Wer war der erste Präsident des EU-Parlaments? Wie lautet der Leitspruch der EU 2015? Welcher ist neben Usbekistan der einzige Binnenstaat der Welt, der selbst nur von Binnenstaaten umgeben ist? Hätten Sie's gewusst?

Mit einer umfassenden Reflexion geht die Exkursion in Tashkent zu Ende. Jetzt steht der Rückflug via Istanbul auf dem Programm – die vielen neuen Eindrücke bleiben.


Blick über Taschkent vom Büro der EU-Delegation. (Foto: Judith Schnelzer)

AutorInnen: Eisinger Thomas, Haselberger Stefan, Kammerzelt Patrick, Koubek Magdalena, Kurzmann Julia, Lengheim Fabian, Pehböck Felix, Schlager Stefanie, Schmitt Sarah, Schrammel Julia, Steinhauser Beate, Steinlechner Sebastian und Sulzgruber Theresa.

Im uni:view-Dossier "Post aus Zentralasien" berichten die TeilnehmerInnen der Exkursion des Instituts für Geographie und Regionalforschung laufend über ihre Erfahrungen.