Christiane Wendehorst ist neue Präsidentin des European Law Institute
Redaktion (uni:view) | 15. September 2017"Wien hat das Potenzial, neben Brüssel, Luxemburg und Straßburg eine 'Rechtshauptstadt Europas' zu sein", so Christiane Wendehorst, die im Rahmen der Jahreskonferenz und Generalversammlung des ELI, die von 6. bis 8. September in Wien stattfand, zur neuen ELI-Präsidentin gewählt wurde.
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Von Migrationsrecht, über Digitalisierung bis hin zu gemeinsamen, europäischen Verfassungsprinzipien: Die ELI-Konferenz bot den TeilnehmerInnen aus fünf Kontinenten ein vielfältiges Programm. Neben Diskussionen zu hochaktuellen Rechtsfragen wurden im Rahmen der Konferenz auch Entwürfe für Rechtsreformen in der EU präsentiert und neue Projekte beschlossen. Mit Christiane Wendehorst wurde außerdem eine Professorin der Universität Wien zur neuen Präsidentin des ELI gewählt. Sie folgt in diesem Amt Diana Wallis, vormals Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, und Sir Francis Jacobs. "Die Wahl empfinde ich als große Auszeichnung, aber auch als Auftrag, dem Institut in den nächsten zwei Jahren noch einmal wichtige Impulse zu geben. Wien hat das Potenzial, neben Brüssel, Luxemburg und Straßburg eine 'Rechtshauptstadt Europas' zu sein", so Wendehorst.
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Bei der Eröffnung der Konferenz wurden die TeilnehmerInnen herzlich von Heinz W. Engl begrüßt. Der Rektor unterstrich in seiner Rede die Bedeutung des Instituts und die Wichtigkeit von Kooperationen in Zeiten der Krise. Der Dekan der Juristischen Fakultät, Paul Oberhammer, knüpfte an: "Das ELI ist nicht einfach aus symbolischen Gründen an der Universität Wien beheimatet. Im Gegenteil, wir sind davon überzeugt, dass es eine exzellente, eigenständige Einrichtung ist, von der wir gleichermaßen pofitieren". Eine Botschaft erhielten die TeilnehmerInnen auch vom österreichischen Bundespräsidenten, Alexander Van der Bellen, mit den Worten: "Österreich ist stolz darauf, dass es zum Sitz des ELI Sekretariats an der Universität Wien wurde." (V.l.n.r: Diana Wallis, Heinz W. Engl, Ludwig Adamovich, Paul Oberhammer)
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Die DiskutantInnen der ersten Podiumsdiskussion des Tages präsentierten die Ergebnisse des ELI-Projekts zu Unternehmenssanierung und Insolvenz, das in der darauffolgenden Abstimmung der ELI-Mitglieder – alle abgeschlossenen ELI Instrumente bedürfen der Zustimmung des 60-köpfigen ELI Council und meist auch der Generalversammlung – mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde. (Im Bild: Bob Wessels, Leiter des Projekts zu Unternehmenssanierung und Insolvenz)
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Mit dem rechtsstaatlichen Umgang mit AsylwerberInnen stand ein weiteres hochaktuelles Thema auf der Agenda. Auch hier konnten die finalen Projektergebnisse präsentiert werden. Diese umfassen Checklisten für RichterInnen, die deren Arbeit maßgeblich erleichtern könnte. Ebenfalls erörtert wurde die Formulierung allgemeiner, europäischen Verfassungsprinzipien, welche zu einem neuen ELI Projekt reifen soll.
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Abgerundet wurde der erste Tag mit einer Grußbotschaft des österreichischen Vizekanzlers und Justizministers an die TeilnehmerInnen: "Die Themen des ELI, wie etwa Digitalisierung und Globalisierung, sind sowohl für die einzelnen Nationalstaaten von besonderer Bedeutung, als auch auf europäischer Ebene", so Vizekanzler Brandstetter.
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Die neu gewählte Präsidentin, Christiane Wendehorst, ist selbst auch an verschiedenen Forschungsprojekten des ELI beteiligt und präsentierte im Laufe der Konferenz etwa zum Projekt "Empowering European Families", das Familien die Freizügigkeit in der EU erleichtern soll, sowie zum Projekt "Principles for a Data Economy". Letzteres ist ein international viel beachtetes Vorhaben, welches das ELI gemeinsam mit dem American Law Institute (ALI) durchführen könnte. "Warum braucht es eigentlich einen Rechtsrahmen für die Datenwirtschaft? Weil Unternehmen Rechtssicherheit brauchen", so Wendehorst. Geleitet wurde die Diskussion von Lord John Thomas, Lord Chief Justice of England and Wales. (V.l.n.r.: Neil Cohen, Radim Polčák, Steven O. Weise, Lord Thomas, Christiane Wendehorst, Mikolaj Zaleski)
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Der rege Austausch zwischen den ExpertInnen der verschiedenen Disziplinen, Institutionen und Organisationen wurde auch in den Pausen fortgesetzt.
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Weitere Topthemen des zweiten Tages der Konferenz waren außergerichtliche Streitbeilegung, sowie gemeineuropäische Modellregeln des Zivilprozessrechts, ein Projekt, welches das ELI zusammen mit UNIDROIT, dem International Institute for the Unification of Private Law, betreibt. (V.l.n.r.: Xandra Kramer, John Sorabji)
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Mit anderen rechtlichen Herausforderungen der digitalen Welt setzten sich weitere Podien auseinander, speziell mit Online-Plattformen, dem Internet der Dinge und auch mit dem sogenannten "digitalen Nachlass", was etwa die Frage umfasst, wer nach dem Tod Zugang zu Social Media Profilen und digitalen Gütern haben soll. (V.l.n.r.: Hans Schulte-Nölke, Agata Wejman, Christoph Busch, Célia Zolynski)
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In einem mitreißenden Impulsvortrag betonte der Direktor der Agentur für Grundrechte der EU (FRA), Michael O’Flaherty, die Gemeinsamkeiten zwischen ELI und FRA im Bezug auf die Achtung von Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit.
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Auf der Tagesordnung standen auch Menschenrechtsverletzungen durch Wirtschaftsakteure, gefolgt von einer Debatte zur Problematik der Prozessfinanzierung durch Dritte.
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Bei der Gründung des ELI hatte das American Law Institute (ALI) als Vorbild gedient, weshalb die Rede des ehemaligen Direktors des ALI, Lance Liebman, bei der Abendveranstaltung im Palais Niederösterreich ein besonderes Highlight der Konferenz war.
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Der dritte Konferenztag wurde in den Räumlichkeiten der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien fortgesetzt. Auch hier wurden spannende Diskussionen geführt, so etwa über grenzüberschreitenden Erwachsenenschutz, Erleichterungen für internationale Familien und – unter Beteiligung von Professorin Kirchmayr-Schliesselberger vom Institut für Finanzrecht – über steuerliche Anreizsysteme für Forschung und Entwicklung. (V.l.n.r.: Jeffrey Owens, Georges Cavalier, Sabine Kirchmayr-Schliesselberger, Mehdy Ben Brahim)
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Während der Konferenz fanden zudem Wahlen für 30 von 60 Sitzen des ELI Councils und für das Executive Committee statt. Christiane Wendehorst, Professorin für Zivilrecht an der Universität Wien und Gründungsmitglied des ELI, wurde einstimmig zur neuen Präsidentin gewählt. Sie gilt als herausragende Wissenschafterin mit besonderem Schwerpunkt auf Europäisierung des Rechts und Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung. "Christiane Wendehorst war schon immer eine einzigartige, treibende Kraft, mit großem Engagement und Hingabe", so Rektor Engl während der Eröffnung der Konferenz. (V.l.n.r.: Raffaele Sabato, Hans Schulte-Nölke, Christiane Wendehorst, Sjef van Erp) (Text und Fotos: Ayper Deniz/ELI)
Die nächste ELI Jahreskonferenz und Generalversammlung findet im nächsten Jahr vom 5. bis 7. September in Riga (Lettland) statt. Das ELI ist eine unabhängige gemeineuropäische Einrichtung, deren Sekretariat seinen Sitz an der Universität Wien hat und von der Universität Wien finanziert wird. Es hat sich seit seiner Gründung 2011 zu einem wichtigen Gesprächspartner politischer Institutionen auf Augenhöhe entwickelt und bereits mit vielen seiner Projekte Anstöße für die europäische Rechtsentwicklung gegeben. Das ELI will eine europäische juristische Öffentlichkeit schaffen, die sich aktiv und nach demokratischen Grundsätzen an der Gestaltung des Rechts in Europa beteiligt, und steht insofern an der Schnittstelle von Open Science und Politikberatung.