6 Fragen an Dekan Markus Arndt

Ab 1. Oktober 2012 folgt Markus Arndt seinem Vorgänger Christoph Dellago als Dekan der Fakultät für Physik. Im Interview erzählt der Quantenphysiker und Wittgensteinpreisträger von seiner Fakultät, den Herausforderungen der neuen Funktion und den Prioritäten in seinem Leben – und zeigt uns Bilder von einem ganz speziellen Doktorhut.

1) Welche Erwartungen haben Sie an Ihre neue Position? Welche Ziele verfolgen Sie als neuer Dekan?
Erwartungen? Ich lasse mich einfach positiv überraschen.
Ziele? Ich kann gar nicht ohne. Aber alle verraten?
Einige Ideen gären schon in meinem Kopf, obwohl mein Job erst Anfang Oktober beginnt. Aber was für die Fakultät gut und praktikabel ist, das werde ich erst noch mit verschiedenen Personen und Gruppierungen klären müssen.

2) Was sehen Sie als größte Herausforderung an?
Ich kann in der praktischen Arbeit auf den sehr vielen positiven Schritten aufbauen, die meine Vorgänger, Anton Zeilinger und Christoph Dellago als Dekane gesetzt haben. Aufgrund der vielen Neuberufungen ist unsere Fakultät derzeit so jung und aufbruchsbereit wie vielleicht vor 30 Jahren das letzte Mal.

Ich kenne auch schon das professionelle und eingespielte Team im Dekanat, und ich kann auf die Zusammenarbeit mit einem sehr versierten und engagierten Vizedekan bauen und auf die wohlwollende Beratung durch den noch amtierenden Dekan. Damit sind die wichtigsten Elemente für eine gute Arbeit schon gegeben.
Ich sehe viele gute Ideen wachsen. Ich sehe aber auch die Komplexität des "Unternehmens" Fakultät, mit einer vierstelligen Zahl von KollegInnen und Studierenden.
Ich sehe es daher als meine persönlich größte Herausforderung, mein persönliches Zeitmanagement so zu ordnen, dass ich freien Herzens den Hauptteil meiner Arbeitszeit weiterhin der Forschung und meiner Gruppe widmen kann und dabei die Aufgabe als Dekan zwar nicht unbedingt nach dem Willen aller, aber durchaus zum Wohle der meisten ausfüllen kann.
Ich habe dabei einen großen Joker, den kaum ein Politiker ausspielen kann: Meine Amtszeit ist strikt auf zwei Jahre beschränkt. Ich brauche, will und werde nicht wiedergewählt werden.
Das beinhaltet aber natürlich auch, dass mir vor allem die Dinge am Herzen liegen werden, von denen ich erhoffe, dass sie – evtl. nach Eingewöhnung – auch nachhaltig auf Zustimmung stoßen. 


BIOGRAPHISCHES:

Univ.-Prof. Dr. Markus Arndt, geb. 1965 in Unkel/RH (Deutschland), ist ab 1. Oktober 2012 Dekan der Fakultät für Physik der Universität Wien. 1985-1990 Studium der Physik, Universität Bonn und Universität München. 1991-1994 Doktoratsstudien, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching. 1994-1995 wiss. Mitarbeiter, Max-Planck-Institut für Quantenoptik, Garching. 1995-1997 Postdoc an der ENS Paris, 1997-1998 Postdoc an der Universität Innsbruck. 1999-2002 Universitätsassistent, Institut für Experimentalphysik, Universität Wien. 2002 Habilitation, Universität Wien. 2001 START-Preis. 2004-2008 V.-Professur für Quantennanophysik, seit 2008 Professur für Quantennanophysik an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Seit 2006 Sprecher des FWF-Doktoratskollegs "Complex Quantum Systems" der Universität Wien und der TU Wien, seit 2007 Gruppensprecher der Quantenoptik, Quantennanophysik und Quanteninformation der Fakultät für Physik der Universität Wien. 2008 Wittgenstein-Preis. Seit 2008 Mitglied der "Jungen Kurie" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Zum CV von Markus Arndt (PDF)


3) Wo sehen Sie die Universität Wien in zehn Jahren, und was ist auf dem Weg dorthin wichtig?
Ich glaube, dass die Universität Wien es in zehn bis 15 Jahren unter die TOP 50 in den internationalen Rankings schaffen kann. Das ist kein Ziel der Eitelkeit, sondern der qualitativen Zugangsvoraussetzungen für Studierende, der Qualitätssicherung unter den WissenschafterInnen und Lehrenden, der deutlichen Erhöhung des Budgets für Lehre und Forschung, und der Internationalisierung, die uns alle vier sehr gut tun werden.
Das ist kein Ziel eines einzelnen auf zwei Jahre beschränkten Dekans, sondern eine Aufgabe für die Universität und die österreichische Gesellschaft.
Ich maße mir nicht an, den Königsweg zu kennen, werde mich aber im Rahmen meiner Funktion an passender Stelle einbringen.
Inhaltlich bin ich optimistisch.

4) Ihr wissenschaftliches Vorbild?
Als Kind hat mich Carl Friedrich von Weizsäcker sehr interessiert, weil er Physik und Philosophie auf eine Art verbunden hat, die mir sehr nahe ging. Geprägt haben mich viele KollegInnen und Kollegen, aber unter den wissenschaftlichen Vorbildern haben mich drei Personen besonders inspiriert:

Theodor Hänsch hat mich während meiner Promotion in seiner Gruppe in München immer wieder überrascht. Ich habe bisher nur sehr wenige Menschen gesehen, die mit so viel frischer Begeisterung für raffinierteste Technik der Natur zu Leibe rückten und dabei die Grundlagen der Welt so neu und präzise definieren und vermessen konnten wie er.  Ich erinnere mich noch, wie er in einer Vorlesung Ende der 80er Jahre mit einer kleinen Streichholzschachtel zur Vorlesung kam, in die er einen Diodenlaser eingebaut hatte, als Laser generell sonst noch klobig waren. Schon zu der Zeit hatte er spielerische Visionen für einen Lichtfrequenzgenerator, dessen modifizierte Variante dann zehn Jahre später gebaut und 20 Jahre später mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Seine Lasererfindungen haben verschiedene Firmen hervorgebracht, die weltweit verkaufen. Seine Labors sind ein Paradebeispiel, wie Grundlagenforschung modernste Technologie hervorbringt und eben diese Technologie wieder neue Grundlagenforschung möglich macht. Das Wechselspiel zu verstehen, wäre für uns alle wichtig.

Jean Dalibard an der ENS in Paris verkörpert für mich das französische Forscherideal, in einer harmonischen Kombination aus unglaublicher intellektueller Schnelligkeit, detailliertestem theoretischem Wissen und spielerischer Leichtigkeit im Experiment.  Die Pariser Schule zeigt auch, wie man mit der Fokussierung auf ein wichtiges Thema einen Grad von Exzellenz erreichen kann, der weltweit seinesgleichen sucht.  

Anton Zeilinger an der Universität Wien hat mir, seit wir uns kennen, bei jeder einzelnen Begegnung nahezu jedes gesicherte Wissen in Frage gestellt. Und das ist das Wesen der Forschung: nichts zu glauben, bis es bewiesen ist, nichts ruhen zu lassen, bis es besser ist. Und selbst dann kommt in der Regel wenig später eine neue Sicht hinzu, die wieder alles in Frage stellt. Anton Zeilinger hat unglaublich oft visionären Mut bewiesen. Er hat viele Male das Feld seiner Expertise bewusst verlassen, experimentell komplett neu begonnen und mehrere wissenschaftliche Forschungsrichtungen mitbegründet, lange bevor sie von der Community als wichtig erkannt wurden. Seine Suche nach dem "Neuen" und nach den "Grundlagen" begleitet mich heute noch weiter und ist tatsächlich ein wesentlicher Grundstein für die Quantenoptik in Gesamt-Österreich.

Ich habe drei Personen erwähnt, gebe aber auch sehr gerne zu, dass ich täglich von meinen DoktorandInnen und DiplomandInnen inspiriert werde. Jeder und jede, der oder die sich auf den Weg macht, eine schwierige wissenschaftliche Frage mit Intelligenz und Beharrlichkeit, mit persönlichen Einsatz und Frustrationstoleranz, mit engagiertem Teamwork und Ausdrucksfähigkeit, mit kritischem Verstand und Redegewandtheit, mit technischem Geschick und Freude an der Innovation, mit Akribie und Detailtreue, mit Aufrichtigkeit und Konzentration anzugehen, ist eine Inspiration und ein Ansporn.

Das ist eines der Privilegien, die wir an der Universität alle genießen, vom Studierenden bis hin zum Professor: Man findet an allen Ecken spannende Persönlichkeiten, nicht alle einfach, aber alle interessant und jede/r für sich ein Anstoß, sich selber und die wissenschaftliche Arbeit zu überdenken.

5) Ihr Lieblingsplatz an der Universität Wien?
Es ist nicht der Ort, sondern das Thema. Es muss mit Physik zu tun haben und mit Physikern/Physikerinnen, wenn es Spaß machen soll: Diskussionen, Vorlesung, Laborarbeit.

6) Welches Buch liegt zurzeit auf Ihrem Nachtkästchen?
Gar keines...
Ich lese nur noch auf dem iPad (und sollte für die Reklame hier wohl Apple um Förderung unserer Wissenschaft bitten).
Aber ernsthaft:
Es gibt drei Prioritäten in meinem Leben:
- Meine Familie und alles was dazu gehört (inkl. gemeinsamer Sport etc.).
- Physik
- Und auf zwei Jahre strikt begrenzt ab Oktober auch das Dekanat.
Alle drei Teile könnten meine Zeit komplett füllen. Meine Familie hat sich wie jede Wissenschafter-Familie darauf eingestellt, dass ich viel arbeite.
Damit die Work-Life-Balance am Tag gewahrt bleibt, bedeutet das aber dennoch in der Praxis an vielen Abenden: Lesen von Fachartikeln vor dem Einschlafen.


 BLICK INS FOTOALBUM:

Theodor Hänsch (re. im Bild) ist eines meiner wissenschaftlichen Vorbilder. Er war, bevor er Direktor am Max-Planck Institut für Quantenoptik und Professor an der LMU München wurde, auch Professor an der Stanford University. Aus der Zeit hatte er noch einen Umhang, wie die Studierenden ihn in den USA für Graduiertenfeiern verwenden. Es war dann Tradition, dass jeder seiner erfolgreich promovierten Doktoranden am Tag der Prüfung auch diesen Umhang umgehängt bekam und damit (und mit dem Stanfordhut) fotografiert wurde. (Foto: privat)




Es gab bei uns auch den netten Brauch, dass von den Studienkollegen ein wissenschaftlicher Doktorhut gebastelt wurde, der Teile des Experiments symbolisiert. In meinem Fall war das ein Helium-Bad Kryostat inklusive Laserfenster, Lampen, Seilzug und vielem anderem Schnickschnack. Der Hut liegt noch bei mir zu Hause, wenn auch deutlich verbeult. Im Gegenzug wurde die Promotionsurkunde an der LMU in der Physik nicht im Rahmen einer Promotionsfeier im Beisein der Eltern übergeben, sondern ganz unzeremoniell nach schriftlicher Benachrichtigung beim Hausmeister abgeholt. Auch die habe ich natürlich noch. (Foto: privat)







VORSCHAU:
6 Fragen an die DekanInnen und ZentrumsleiterInnen der Universität Wien: bis 12. September 2012 täglich in uni:view.