Wer lehrt, hat auch einmal studiert: Sylvia Mieszkowski

Sylvia Mieszkowski ist eine der PreisträgerInnen des UNIVIE Teaching Award 2019. Für uni:view erinnert sich die Professorin für Britische Literatur an ihr eigenes Studium zurück und berichtet von Schocks, Fußballnetzen und kreativen Freiheiten.

uni:view: Erinnern Sie sich zurück: Was haben Sie damals an Ihrem ersten Tag auf der Universität erlebt?
Sylvia Mieszkowski: Große Desorientierung. Ich kann mich gut daran erinnern, dass es fast ein Semester gedauert hat, bis ich einigermaßen verstanden hatte, wie eine Universität funktioniert, was sie von der Schule unterscheidet und dass man sich einfach nicht entmutigen lassen darf, sondern dauernd selbst für Anschub sorgen muss. Ich habe an der Ludwig-Maximilians-Universität München Komparatistik, Anglistik und Neuere Deutsche Literatur studiert. Ein großer Schock war für mich, dass man, wenn man die Bayerische Staatsbibliothek oder die Münchner Universitätsbibliothek betritt, fast keine Bücher sieht. Mir war damals nicht klar, dass die riesigen Bestände unterirdisch oder außerhalb der Stadt gelagert werden.

Sylvia Mieszkowski, 1997. In diesem Jahr schloss die damals 24-jährige ihr Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München ab. (© S. Mieszkowski)

uni:view: Welches Motto hat Sie während Ihres Studiums begleitet?
Mieszkowski: Motto hatte ich keines. Aber als ich meine ersten Einführungskurse machte, ist mir schnell klar geworden, dass man, wenn man sich mit Literaturen beschäftigt, nie und nie und nie an ein Ende kommt. Und dass der Trick bei der Sache ist, dies nicht als Sisyphos-Aufgabe misszuverstehen oder sich davon frustrieren zu lassen, dass man unmöglich jemals alles gelesen haben kann. Stattdessen muss man es hinkriegen, diese Tatsache lustvoll zu besetzen. Das ist mir gelungen. Heute denke ich mir, mein Wissen ist wie ein Fußballnetz: jede Menge Löcher, aber genug Knoten, um die großen Bälle, für die das Netz gemacht ist, aufzuhalten.

uni:view: Was vermissen Sie am meisten aus Ihrer Studienzeit?
Mieszkowski: Das Gefühl, Zeit zu haben, ganz klar. Nicht in der Früh schon von einer Liste erwartet zu werden, auf der die Dinge stehen, die am Abend oder in der nächsten Woche oder am 16. des übernächsten Monats bis 17 Uhr erledigt sein müssen. Aber so ist das eben in diesem Job. Dafür darf ich die Arbeit machen, die ich liebe. Das ist ein Luxus, den viele andere Menschen – wenn sie in Lohn und Brot stehen – nicht haben.

UNIVIE Teaching Award 2019
Am Donnerstag, 6. Juni 2019 ab 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien, werden heuer die UNIVIE Teaching Awards 2019 verliehen. Sylvia Mieszkowski erhält die Auszeichnung in der Kategorie "(Peer-)Feedback geben und nehmen" für ihre Lehrveranstaltung: "Queer/Ing Film".

Alle Teaching Award-PreisträgerInnen 2019

uni:view: Welche Tipps geben Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg?
Mieszkowski: Ich schwanke zwischen den Slogans "Findet raus, was Euch begeistert, dann gebt alles" und "Aufgegeben wird auf der Post." Aber da wäre auch noch der Hinweis darauf, dass die Uni der Raum und das Studium die Zeit ist, in dem/der man seinen Geist entfalten kann, ohne das mit teurem Geld zu bezahlen und ohne sich jede Minute schmerzhaft aus den Rippen schneiden zu müssen. Zumindest ist das in Österreich im Moment noch so. Es ist die Phase im Leben, in der man Experimente machen und kreativ sein kann, ohne dass immer alles sofort perfekt gelingen muss. Lernen auf einem Gebiet, das einen interessiert, nur, weil man Bock drauf hat. Wunderbar! Aufruhend auf dieser Weisheit, wäre mein Tipp: Genießt es!

Sylvia Mieszkowski, geb. 1973, hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München Komparatistik, Anglistik und Neuere Deutsche Literatur studiert. 2003 folgte die Promotion; anschließend war sie Postdoc an der Amsterdam School of Cultural Analysis und habilitierte sich 2011 an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Seit September 2017 ist Sylvia Mieszkowski Professorin für Britische Literatur am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Wien.