"The Heat is on": Von Nomaden, Stauseen und Grenzen

Beeindruckende Landschaften, ein nicht ganz einfacher Grenzübertritt und ein filmreifer Auftritt: Die 24 Studierenden des Instituts für Geographie und Regionalforschung, die derzeit in Zentralasien unterwegs sind, berichten für uni:view von ihren jüngsten Abenteuern.

Die Fahrt von Bishkek zur kirgisisch-usbekischen Grenze bringt uns über den auf 2.600 Meter gelegenen Pass Töö-Asbutt, der uns neben herrlichen Panoramen auch Einblicke in das Leben von Halbnomaden gewährt. Nach einem Zwischenstopp beginnt der 5. Exkursionstag früh morgens am Toktogul-Stausee, der mit 285 Quadratkilometer das zweitgrößte stehende Gewässer Kirgistans ist.


Der Toktugul-Staudamm in Kirgistan. (Foto: Wolfgang Prunner)

Auf unserem Weg begleiten uns beeindruckende Landschaften zur usbekischen Grenze.


Traditionelle Behausung der Halbnomaden Kirgistans. (Foto: Fabian Lengheim)

Die Macht der Grenze

Nach einem traditionell kirgisischen Mittagessen in Osh verlassen wir das kirgisische Staatsgebiet, um nach Usbekistan einzureisen. Wie sieht eine klassische usbekische Grenzkontrolle bei der Einreise von Kirgistan aus? Lange Wartezeiten, genaue Angaben über eingeführte Gegenstände, Kontrolle aller mitgeführten Bilder und Videos auf Smartphones, Kameras und Laptops – einmal Fiebermessen für alle, das Löschen privater Badefotos sowie das Erklären mitgeführter Medikamente. Nach löchernden Fragen seitens des Grenzpersonals können wir aber sagen: Ende gut, Alles gut – alle ExkursionsteilnehmerInnen dürfen nun in Usbekistan ihre Reise nach Kokhand aufnehmen – mit Blick ins Ferghana-Tal.


Erntezeit im Ferghana-Tal. (Foto: Wolfgang Prunner)

Ferghana-Tal: Brennpunkt Zentralasiens

Ferghana: Stadt, Gebiet und Tal zugleich, wird auch "Die grüne Stadt Usbekistans" oder "Die Perle Usbekistans" genannt. Die Stadt Ferghana mit einer heutigen EinwohnerInnenzahl von 250.000 wurde 1876 als russische Militärstadt gegründet und ist die bevölkerungsreichste Stadt im Ferghana-Tal. Der usbekische Teil des Ferghana-Tals besteht aus den drei Gebieten Andijan, Ferghana und Namangan – ein tadschikisches und drei kirgisische Gebiete sowie mehrere Enklaven machen das Ferghana-Tal komplett – und ist, weil es vor allem landwirtschaftlich geprägt ist, auffallend grüner als andere Teile Zentralasiens, die wir bisher gesehen haben. Das Ferghana-Tal insgesamt ist allerdings nicht nur durch seine Baumwoll- und Seidenproduktion über die Grenzen hinaus bekannt. Durch politische Unruhen ist das Ferghana-Tal immer wieder in den Medien vertreten, wie zum Beispiel durch das Andijan-Massaker 2005.


Reisfeldbewirtschaftung im Ferghana-Tal. (Foto: Micheal Ritzinger)

Nach einer kurzen Erkundung Kokhands verlassen wir noch am Vormittag des siebenten Tages Usbekistan für 24 Stunden. Bei Temperaturen jenseits der 40 Grad gilt es die nächste Grenze zu überqueren, nämlich jene nach Tadschikistan. Ein- und Ausreise gestalten sich einmal mehr bürokratisch und geduldstrapazierend, verlaufen aber insgesamt problemlos.


Khudajar Khan-Palast in Kokand. (Foto: Sarah Schmitt)

Uni Wien meets Uni Khujand – Wie die Filmstars

Über staubigen, aufgeheizten, im Großen und Ganzen jedoch soliden tadschikischen Asphalt nähern wir uns unserem nächsten Ziel: Khujand. Die am Rande des Ferghana-Tals gelegene Stadt wurde bereits um 329 v.Chr. von Alexander dem Großen gegründet und war später ein wichtiger Bestandteil der Seidenstraße. Im Fokus unseres Interesses stehen an jenem Tag allerdings nicht die Überreste dieser einst bedeutenden Handelsroute, sondern ein Termin bei den KollegInnen der Khujand State University.

Der Empfang übertraf alle unsere Erwartungen. Auf einem ausgerollten Teppich betreten wir unter einem nicht enden wollenden Blitzlichtgewitter durch ein Spalier von Menschen die Fakultät für Geographie und Ökologie. Diese ist eine von 16 Fakultäten der 1932 als Leninabad (Anm.: Ehemaliger Name Khujands) National Pedagogic Institute gegründeten Universität, an der etwa 15.000 Studierende immatrikuliert sind.


Blitzlichtgewitter in der Khujand State University. (Foto: Wolfgang Prunner)

Der Schwerpunkt des Treffens liegt auf interkultureller Diskussion, wobei die Neugier auf beiden Seiten enorm ist. Der örtliche Deutschprofessor – ja, eine kleine Minderheit in Khujand studiert auch Deutsch! – Abduhamid Schariqow fungiert als Dolmetscher und beantwortet geduldig die Fragen, welche von Studiengebühren über den Einfluss der Religion auf die Wissenschaft bis hin zur angespannten Lage zwischen den zentralasiatischen Staaten reichen. Herzliche und persönliche Gespräche bilden den Abschluss unseres Besuches und spiegeln vor allem die tadschikische Gastfreundlichkeit wider.

Suren und Süßes in Khujand

Am Samstag den 4. Juli besuchen wir die Freitagsmoschee in Khujand, welche erst 1949 erbaut wurde und daher als sehr junge Moschee gilt. Der an diesem Tag verantwortliche Kori, er kennt den Koran auswendig und kann daraus frei rezitieren, begleitet uns ins Innere des Gebäudes und erklärt uns die Regeln, die bei einem Besuch zu beachten sind: Teppichböden dürfen nur ohne Schuhe betreten werden und Frauen sollten sich bedeckt halten durch das Tragen eines Kopftuches.


Der Kori versammelt unsere Gruppe in einem Kreis, wobei Männer und Frauen getrennt sitzen, und singt Suren aus dem Koran. (Foto: Wolfgang Prunner)

Zur Mittagszeit betritt unsere Gruppe den Panchshanbe-Bazar (übersetzt Donnerstagsbazar), den größten Lebensmittelmarkt Zentralasiens. Verkaufsstände verteilen sich dicht gedrängt auf ein Netzwerk enger, teilweise überdachter Gassen. Das Angebot reicht von Lebensmittel aller Art über Kleidung bis hin zu technischen Produkten wie Mobiltelefone und Werkzeug. Mit getrockneter Zuckermelone in der Hand und tadschikischer Volksmusik in den Ohren machen wir uns auf den Weg nach Taschkent.


Vielfältige Auswahl am Panchshanbe-Bazar in Khujand. (Foto: Fabian Lengheim)

AutorInnen: Eva Artacker, Mate Esterhazy, Magdalena Koubek, Julia Kurzmann, Wolfgang Prunner und Sarah-Maria Schmitt.

Im uni:view-Dossier "Post aus Zentralasien" berichten die TeilnehmerInnen der Exkursion des Instituts für Geographie und Regionalforschung laufend über ihre Erfahrungen.