Leticia González: Die Macht des Lichts

Seit 2011 ist sie Professorin für Theoretische Chemie. Warum sie erst jetzt ihre Antrittsvorlesung hält? Viel Arbeit und ein zweites Kind kamen dazwischen. Im Interview mit uni:view erzählt Leticia González, was sie antreibt und warum sie ihre Antrittsvorlesung ins Jahr des Lichts 2015 gelegt hat.

"Als ich mich für ein Chemie-Studium interessierte, hieß es, damit findest du keinen Job – ich studierte es trotzdem. Als ich dann auch noch die theoretische Richtung wählte, warnte man mich wieder – ich blieb aber stur. Beim Doktorat schließlich sagte man mir, an den Unis gäbe es keine Stellen – ich habe mich dennoch habilitiert. Und als ich schließlich Professorin werden wollte, hieß es, das schaffst du nie im Leben", erzählt Leticia González. Heute ist sie froh, dass sie sich in ihren Entscheidungen nicht beeinflussen ließ und ihrem Herzen gefolgt ist: "Wenn man den Mut hat, das zu machen, was einen wirklich interessiert, kann man alles schaffen."

Faszination Theoretische Chemie

Und sie hat es geschafft. Leticia González ist seit Oktober 2011 Professorin für Theoretische Chemie an der Universität Wien. Deshalb ist ihre Arbeitswelt nicht das Labor, sondern der Computer: "Aber natürlich kein einfacher Bürorechner. Wir arbeiten am Supercomputer – und zwar mit dem Vienna Scientific Cluster." Dort simuliert sie gemeinsam mit ihrem Team die Eigenschaften und Reaktionen von Molekülen sowie biologische Prozesse auf molekularer Ebene.

"Das Feld der Theoretischen Chemie ist unglaublich breit und deshalb sehr spannend", so die Professorin. "Das Verhalten der Moleküle und deren Reaktionen zu erklären und zu verstehen, wie Materie entsteht, hat mich schon immer fasziniert", antwortet González auf die Frage "Warum Chemie?". "Und die Theoretische Chemie eignet sich dafür besonders gut – denn in der Theorie gibt es keine Grenzen."

Wie sieht die Energie der Zukunft aus?

Auch nicht in Hinblick auf die Anwendung. Dabei fokussiert sich González gemeinsam mit ihrem Team vor allem auf die Photovoltaik und die artifizielle Photosynthese. "Mit unserer Arbeit tragen wir dazu bei, dass wir in Zukunft auf effizientere Solarzellen oder andere erneuerbare Energien zurückgreifen können." Dafür will die Forscherin v.a. verstehen, wie Moleküle und Licht wechselwirken, sprich wie Materie mit Licht reagiert: "Licht ist überall und es gibt sehr viele chemische Prozesse, in denen es eine wichtige Rolle spielt."

Der Forschungsschwerpunkt "Licht-induzierte Chemie" ist mit ein Grund, warum Leticia González ihre Antrittsvorlesung ins Jahr 2015 – das Jahr des Lichts – gelegt hat: "Im Rahmen der Vorlesung zeige ich, wo Licht überall eine Rolle spielt und wie die Theoretische Chemie über die Modellierung zur Entwicklung neuer Technologien, Materialien und Energiequellen beitragen kann." Programm der Antrittsvorlesung (PDF)

Von der Krebsforschung bis zur Neurowissenschaft

Licht hat aber auch seine Schattenseiten: "Es kann Krebs verursachen und unsere Haut altern lassen", unterstreicht die Chemikerin, die deshalb auch untersucht, wie DNA auf Licht reagiert. DNA ist photostabil. Wäre dem nicht so, würden chemische Reaktionen das genetische Material verändern. Warum sind diese Moleküle in der Lage, trotz dieser Energie stabil zu bleiben – und warum manchmal nicht? Dieser Frage geht González nach.

"Denn wenn wir wissen, wie Licht unsere Zellen schädigt, könnten wir es umgekehrt auch dazu nutzen, Krebs zu kurieren, indem wir gezielt geschädigte Zellen mit Licht ausschalten", erklärt die Forscherin, die auch im Bereich der Neurowissenschaften und neurologischen Krankheiten großes Anwendungspotenzial für die Theoretische Chemie sieht: "Wir können uns damit an immer komplexere biologische Systeme herantasten."

Mit den Herausforderungen wachsen

Vor ihrer Berufung nach Wien war die gebürtige Spanierin zehn Jahre lang in Deutschland. "Eigentlich bin ich als Postdoc an die Freie Universität Berlin, erhielt aber gleich eine Habilitationsstelle. Diese war zwar anfangs etwas zu groß für mich, aber dafür habe ich enorm viel dabei gelernt. Und als ich dann nach meiner Habilitation meine erste Professur in Jena antrat, konnte mich nichts mehr überraschen", schmunzelt sie.
 
Was sie im privaten Umfeld in Deutschland allerdings überrascht habe, war die ständige Frage: Familie oder Karriere? "Denn in Spanien war das nie ein Thema. Mir war immer klar, dass ich beides will – und auch schaffe", betont die Chemikerin und zweifache Mutter. "Hätte ich keine Kinder, würde ich vielleicht ein oder zwei Papers mehr im Jahr publizieren – oder mehr schlafen", lacht sie. "Aber ich möchte trotzdem nicht darauf verzichten."

Leticia González bei ihrer Habilitation an der Freien Universität Berlin im Jahr 2004. "Wenn man sich in Deutschland – oder in Österreich – habilitiert, ist klar, dass man ProfessorIn wird. Deshalb ist die Zeit danach für junge WissenschafterInnen meist schwierig", erinnert sich González. "Die Frage war: Werde ich es schaffen?"

It's not a Man's World

Auf immer neue Fragen kreative Antworten zu finden, der Austausch mit KollegInnen und die Ausbildung und Begeisterung junger Menschen treibt González in ihrem Job an. Die Reisen zu den verschiedenen Konferenzen sind für sie dabei ein "nice side effect". Wobei sie sich auf der einen oder anderen Konferenz auch manchmal wie eine "Exotin" gefühlt hat.

"Die Theoretische Chemie ist eine männerdominierte Welt. Als junge Frau wird man da oft nicht ernst genommen", erzählt die Professorin. "Mittlerweile bin ich aber zum Glück selbst älter geworden", schmunzelt sie und freut sich, dass an der Fakultät für Chemie der Universität Wien außergewöhnlich viele Professorinnen beschäftigt sind. "Es ist gut, dass die Uni Wien Gender Diversity fördert – denn Diversität ist in jeder Hinsicht wichtig". (ps)

Univ.-Prof. Dr. Leticia González Herrero, Vorständin des Instituts für Theoretische Chemie, ist seit Oktober 2011 Professorin für Computational Chemistry – Computergestützte Chemie – Theoretische Chemie/Scientific Computing an der Fakultät für Chemie der Universität Wien. Am Mittwoch, 18. November 2015, hält sie um 17 Uhr im Kleinen Festsaal der Universität Wien ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Watching molecules dancing to light".