Lichtgerichtete Chemie
| 16. Juni 2015Ein Team von ChemikerInnen um Marc und Veronika Somoza von der Fakultät für Chemie hat ein hocheffizientes neuartiges Werkzeug für die Durchführung lichtgerichteter chemischer Reaktionen etabliert. Diese Neuerung könnte in diversen Feldern – von Optogenetik bis Pharmaforschung – nützlich sein.
"Unter Verwendung moderner chemischer Synthesen können außergewöhnlich komplexe Moleküle sowie Molekülverbände hergestellt werden. Dies ist die Grundlage für fast alle modernen technologischen Innovationen, angefangen bei der Synthese von pharmazeutischen Wirkstoffen bis hin zu hoch entwickelten Materialien", erklärt das Forschungsteam um Mark Somoza vom Institut für Anorganische Chemie und Veronika Somoza vom Institut für Ernährungsphysiologie und Physiologische Chemie der Universität Wien sowie vom Christian Doppler Labor für Bioaktive Aromastoffe.
Gut gewählte Schutzgruppen
Chemische Reaktionen können räumlich gesteuert werden, indem nur an gewissen Positionen Reaktionen unterbunden werden, um komplexe Synthesen durchzuführen. Um Reaktionen zu blockieren, werden Schutzgruppen verwendet, die später entfernt werden können, um das fertige Produkt freizusetzen oder anschließende Reaktionen zu ermöglichen. Daher werden Schutzgruppen so gewählt, dass sie unter leicht kontrollierbaren Bedingungen, so wie durch Zusatz von Säure oder Base, abgespalten werden können. Dabei bieten Gruppen, die durch Lichteinstrahlung entfernt werden können, den Vorteil räumlicher und zeitlicher Kontrolle der Reaktion.
Diese Gruppen werden in vielen anspruchsvollen Anwendungen, wie des hochauflösenden 3D-Drucks und der photolithographischen Synthese von DNA-Mikroarrays sowie photoaktivierbaren bioaktiven Molekülen zur Untersuchung lebender Zellen, eingesetzt. Industrielle Anwendungen, unter anderem zur Herstellung von Beschichtungen, Tinten und Klebstoffen, die unter UV-Einstrahlung sofort aushärten, können vom Einsatz dieser Gruppen profitieren. Auch Zahnärzte haben von der Entwicklung dieser Gruppen einen Vorteil: Quecksilberfüllungen können auf diese Weise mittlerweile durch Photopolymerfüllungen ersetzt werden. Intensive Forschung wurde über die letzten Jahre in die Weiterentwicklung photolabiler Gruppen, die schneller und effektiver, durch geringste Lichteinstrahlung abspaltbar sind, gesteckt. Trotz intensivster Bemühungen war der Fortschritt begrenzt, da man nicht über computergesteuerte Programme zum Design neuer, besserer Gruppen verfügt.
Nächste Generation der photolabilen Gruppen
Derzeit sind Nitrobenzyl-Derivate die am häufigsten eingesetzten photolabilen Gruppen. Diese benötigen allerdings lange Lichteinwirkung oder starke Strahlungsintensitäten um entfernt zu werden, da sie Licht ineffizient nutzen. Die neuen Ergebnisse zeigen zwei Nitrobenzyl-Derivate, die deutlich weniger Licht zur Entfernung benötigen: Bz-NPPOC und SPh-NPPOC. Diese benötigen zweimal bzw. 12 Mal weniger Licht als das am meisten verwendete NPPOC. Im Besonderen stellt SPh-NPPOC eine nahezu perfekte photolabile Gruppe dar, da sie mit Quecksilber-Dampflampen sowie neuartigen UV-LEDs und Laserdioden kombinierbar ist. "Neuartige Lichtquellen bringen unübertreffliche Vorteile in Flexibilität und Verlässlichkeit gegenüber Quecksilber-Dampflampen. Jedoch kommen UV-LEDs nicht an die Intensität von Quecksilber-Dampflampen. SPh-NPPOC ermöglicht die Verwendung von UV-LEDs für die meisten Anwendungen, da die Gruppe wesentlich photosensitiver ist", so die ForscherInnen. (af)
Das Paper "o-Nitrobenzyl-photolabile Gruppen der nächsten Generation in der lichtgesteuerten Chemie und der Synthese von Mikroarrays" (Nicole Kretschy, Ann-Katrin Holik, Veronika Somoza, Klaus-Peter Stengele und Mark M. Somoza) erschien kürzlich in "Angewandte Chemie".