Hajo Boomgaarden: Die Medien schlafen nie

"Nachrichtenjunkie" Hajo Boomgaarden hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht: Der Kommunikationswissenschafter ist seit August 2014 Professor für empirische sozialwissenschaftliche Methoden an der Universität Wien und beschäftigt sich mit politischer Kommunikation – ein Forschungsfeld, das niemals schläft.

Der Tag beginnt mit sieben Onlineportalen aus drei verschiedenen Ländern, zu Mittag gibt es den "Standard", am Abend TV-Nachrichten und vor dem Schlafengehen noch einen Blick in das Satiremagazin "Titanic" – so der tagtägliche Medienkonsum von Hajo Boomgaarden. Er selbst bezeichnet sich als "Nachrichtenjunkie", der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat: Als Kommunikationswissenschafter an der Universität Wien beschäftigt er sich nun auch in Forschung und Lehre mit Nachrichten.

Kein Stillstand in Sicht

Boomgaardens Forschungsinteresse gilt der politischen Kommunikation und der Medienwirkungsforschung: "Wie verändern die verschiedenen Arten politischer Kommunikation das Wissen bzw. die Einstellungen von BürgerInnen?", fragt er sich. Dazu arbeitet er mit aktuellen Fallstudien. "Ich schaue mir politische Kampagnen oder Berichterstattungen zu Wahlkämpfen an – das macht das Forschungsfeld sehr dynamisch. Und genau das gefällt mir an meinem Tätigkeitsfeld: Ich sehe keinen Stillstand. Meine Forschung wird mich auch in zehn Jahren nicht langweilen, denn ich weiß noch nicht einmal, wie wir in zehn Jahren kommunizieren werden."

Neue Perspektiven in der Kommunikationswissenschaft

Über ein Jahr ist Hajo Boomgaarden nun Professor für empirische sozialwissenschaftliche Methoden am Fakultätszentrum für Methoden der Sozialwissenschaften. Sein Spezialgebiet ist die Inhaltsanalyse, die er nicht nur anwendet, sondern auch erforscht: "Es geht mir nicht mehr nur um substanzielle Fragen der politischen Kommunikation, sondern auch darum, den methodischen Ansatz weiter voranzubringen."

Die digitale Kommunikation hat auch die Arbeitsweise und die Forschungsinstrumente der Kommunikationswissenschaft verändert, sodass im Fachbereich vermehrt automatisierte Verfahren der Inhaltsanalyse diskutiert werden. "Ich finde es spannend, welche Informationen oder auch Sinngehalte wir mit Hilfe von Computerprogrammen tatsächlich aus Texten ziehen können. Beispielsweise können wir soziale Netzwerke oder digitalisierte Pressearchive computergestützt über einen längeren Zeitraum anschauen und tiefgehend untersuchen", veranschaulicht er die neuen Möglichkeiten.

Hajo Boomgaarden 2007 beim Schlittschuhlaufen in Ostfriesland auf dem Fehntjer Tief: Für ihn sind das "die Tage auf dem Eis die besten". (Foto: privat)

Eng vernetzt in Forschung und Lehre

In 200 Metern Luftlinie von Hajo Boomgaardens Büro am Fakultätszentrum für Methoden der Sozialwissenschaften befindet sich das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Wien. Mit den KollegInnen vor Ort arbeitet Hajo Boomgaarden eng vernetzt und hält auch Lehrveranstaltungen am benachbarten Institut ab: "Meine eigene Begeisterung für das Fachgebiet will ich auf die Studierenden übertragen. Für ernsthafte Wissenschaft braucht es gute Methoden, die gerade zu Studienbeginn nicht einfach zu fassen sind,  deren Erlernung und Anwendung aber Spaß machen kann." Davon versucht Boomgaarden die Studierenden mit einer Mischung aus Begeisterung und Expertise zu überzeugen.

Frühe Förderung und frühe Karriere


Dieses "Mischverhältnis" in Sachen Lehre ist ihm aus seiner eigenen Studienzeit an der University of Amsterdam in Erinnerung geblieben: Er schätzte die DozentInnen, die aufrichtiges Interesse an Studierenden zeigten, mitreißen konnten und ihn wissenschaftlich prägten. Hier war es rückblickend vor allem Claes de Vreese, Professor für politische Kommunikation, der ihn als Doktorvater, Kollege und Freund bereits zu Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere unterstützt habe.

Aus der frühen Förderung wurde eine frühe Karriere: 2011 erhielt der damals erst 34-jährige Wissenschafter für sein Projekt "Media(ted) Populism: Properties and Consequences" die hochkarätige VENI Forschungsförderung der Dutch Science Foundation (NWO). Nur ein Jahr später begann er als Fellow am renommierten Netherlands Institute for Advanced Studies in the Humanities and Social Science (NIAS).

Ein Wochenende von der Wissenschaft

Doch Hajo Boomgaarden ist nicht nur Wissenschafter aus Leidenschaft, sondern auch Vater. Für seine Familie steckt er auch gerne zurück: Am Wochenende wird in seinem Haus in Klosterneuburg nicht gearbeitet, sondern gebacken, Musik gemacht und viel Zeit draußen verbracht – "das tut den Kindern gut und mir auch", verrät Boomgaarden. Nur auf das Zeitunglesen kann er an freien Tagen nicht verzichten – ein Nachrichtenjunkie bleibt nunmal ein Nachrichtenjunkie. (hm)

Univ.-Prof. Hajo Boomgaarden, PhD, Professor für empirische sozialwissenschaftliche Methoden mit Fokus auf Textanalyse am Fakultätszentrum für Methoden der Sozialwissenschaften, hält am Donnerstag, 19. November 2015 um 17 Uhr seine Antrittsvorlesung zum Thema "Text in Context: Advances and Limitations of Automated Text Analysis" im Kleinen Festsaal der Universität Wien.