Mit dem Smartphone Politik entdecken
| 22. September 2015Aufmerksam die Umwelt erkunden, fotografieren, kommentieren – und mit Glück einen "Citizen Science Award" gewinnen: In einem aktuellen Projekt am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft werden SchülerInnen zu ForscherInnen und sammeln via Smartphone politische Alltagserfahrungen.
Das Interesse für Politik und die Teilnahme von Jugendlichen am politischen Prozess sind in der westlichen Welt in den letzten Jahren stetig gesunken. "Als Hauptgründe nennen die Jugendlichen das Gefühl, nicht verstanden zu werden, aber auch die mangelnden Partizipationsmöglichkeiten", erklärt Jörg Matthes, Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, und betont: "Das Desinteresse der jungen Menschen ist ein ernstzunehmendes Problem. Ihre Beteiligung ist für die Zukunft unserer Demokratie unabdingbar. Gerade in Österreich, wo bereits ab 16 Jahren gewählt werden darf."
Citizen Science: SchülerInnen werden zu ForscherInnen
Jörg Matthes und sein Team vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft möchten dies ändern. Sie analysieren nicht nur auf theoretischer Ebene das Politikverständnis von österreichischen SchülerInnen, sondern beziehen Jugendliche in dem neuen Projekt "Young Adults' Political Experience Sampling" (YAPES) mit ein. "Die Idee dahinter nennt sich Citizen Science", erläutert Jörg Matthes, "die SchülerInnen partizipieren auf Augenhöhe als ForscherInnen und ExpertInnen mit. Auf diese Weise können wir verstehen, was Jugendliche in Österreich in Bezug auf Politik interessiert und wie es besser möglich ist, sie für Politik zu begeistern."
Citizen Science bezeichnet eine Wissenschaftsform, bei der Forschung durch die Partizipation von Laien stattfindet. Die Zusammenarbeit zwischen den BürgerInnen und den WissenschafterInnen kann dabei auf unterschiedlichen Stufen stattfinden. Neben "Young Adults' Political Experience Sampling" (YAPES) gibt es aktuell noch sieben weitere Young Citizen Science-Pilotprojekte in Österreich.
Wie begegnet Jugendlichen Politik in ihrem Alltag?
Wann und wie oft fährt der Bus? Ab wann dürfen Jugendliche ausgehen? Für eine Woche im Oktober beobachten SchülerInnen, wie ihnen Politik im Alltag begegnet. "Über WhatsApp oder per E-Mail schicken sie uns ein Foto oder einen Screenshot, ein Kommentar, wieso sie das Fotografierte als ein politisches Problem empfinden und drittens, welche Lösungen sie sich diesbezüglich von der Politik wünschen", so Projektmitarbeiter Raffael Heiss. Auf diese Weise können die SozialwissenschafterInnen sehen, welche Probleme für die Jugendlichen tatsächlich relevant sind.
"Der Citizens Science-Gedanke ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Wir können auf diese Weise eine große Menge an Daten sammeln, die wir sonst niemals hätten generieren können. Den SchülerInnen wiederum ist es möglich, in die Wissenschaft hinein zu schnuppern, und sie gehen anschließend vielleicht sensibler durch ihren Alltag", so Matthes.
Mitmachen! Jede österreichische Klasse ist eingeladen, beim Projekt "Young Adults' Political Experience Sampling" (YAPES) mitzumachen. Interessierte LehrerInnen können sich und ihre Klassen ab sofort für die Forschungswoche im Oktober anmelden. Für die aktivste Klasse winkt der "Citizen Science Award" (1. Platz 1.500 Euro, 2. Platz 1.000 Euro, 3. Platz 500 Euro).
Computergestützte Datenauswertung
Die von den SchülerInnen erhobenen Daten werden am Institut für Publizistik computergestützt ausgewertet. Auch dabei arbeiten die Jugendlichen als ExpertInnen mit. "Eine Gruppe von SchülerInnen wird ein Advisory Board bilden und gemeinsam mit den WissenschafterInnen der Universität Wien die Daten diskutieren und interpretieren", erklärt Raffael Heiss den weiteren Projektablauf.
Auf dem Projektblog werden laufend Zwischenergebnisse und aktuelle Infos gepostet. Hier können die Jugendlichen auch über ihre Erfahrungen berichten und diskutieren. Zusätzlich finden sich die Ergebnisse anderer FacePolitics-Projekte, wie etwa von Gruppendiskussionen mit SchülerInnen oder die Analyse der Facebook-Profile österreichischer PolitikerInnen.
Richtlinien für Citizens Science-Projekte
Wie groß ist die Partizipation der Schulen? Wie lief die Kommunikation ab? Wer engagiert sich besonders? Aus den Erfahrungen des Projekts leiten Jörg Matthes und sein Team auch Richtlinien für zukünftige Citizens Science-Initiativen ab. Denn bislang gab es diese vor allem in den Naturwissenschaften. "Die Zusammenarbeit mit den SchülerInnen bedeutet für uns auch ein Heraustreten aus der eigenen wissenschaftlichen 'Comfort Zone'. Das ist eine Herausforderung, aber zugleich auch unglaublich spannend", schließt Jörg Matthes. (mw)
Das Projekt "Young Adults' Political Experience Sampling" (YAPES) ist ein vom BMWFW gefördertes Young Citizen Science-Pilotprojekt und läuft seit Dezember 2014 bis Mai 2016. ProjektleiterInnen sind Univ.-Prof. Dr. Jörg Matthes und Mag. Desiree Schmuck, BA, Projektmitarbeiter ist Raffael Heiss, BA.