Wie Pflanzen merken, dass sie Stress haben

Gestresste Pflanzen: Damit beschäftigt sich der Molekularbiologe Markus Teige und hat unter anderem Kalziumsignale in Chloroplasten als Schlüssel zu einem besseren Verständnis des Pflanzenstoffwechsels gewählt.

Um zu verstehen, was Markus Teige im Rahmen seines neuen FWF-Projektes Kalziumsignale und Proteinphosphorylaierung in Chloroplasten erforschen will, muss man sich erst das Vorläuferprojekt COSI (kurz für "Chloroplast Signals", ein von der EU gefördertes Marie-Curie Trainings Netzwerk) erklären lassen. "Denn da wurden die Grundlagen erarbeitet", sagt der Biochemiker vom Department für Molekulare Systembiologie der Fakultät für Lebenswissenschaften.

Was wir hiermit tun.

Als Modell für ihre Untersuchungen wählten Markus Teige und seine MitarbeiterInnen die kleine unscheinbare Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), heutzutage das liebste Untersuchungsmodell (Studienobjekt?) von molekularen PflanzenforscherInnen. Diese Pflanze lässt sich gut auf Agarplatten im Labor kultivieren und kann dann für verschiedene Experimente untersucht werden. Alle paar Tage hielten die PflanzenforscherInnen dann Nachschau: "Diese Keimlinge kann man mit verschiedenen Substanzen inkubieren", sagt der Biochemiker vom Department für Molekulare Systembiologie.

Wozu? Weil er wissen wollte, wie die Pflanzen auf unterschiedliche Stresssignale reagieren - zum Beispiel auf Salz oder Pathogene wie Pilze (etwa Mehltau) oder Bakterien (etwa Bakterienbrand). Genauer gesagt wollte Teige mehr über Chloroplastensignale erfahren.


Salzstress-Phänotypen der Ackerschmalwand (Arabidopsis).



Reize wahrnehmen


Ein wichtiger Schlüssel zu vielen pflanzlichen Anpassungsleistungen sind Kalziumionen. Ohne sie kann die Pflanze keine Reize wahrnehmen oder darauf reagieren. Die überlebenswichtigen Signalgeber ermöglichen Prozesse wie Wachstum, Entwicklung und Abwehrreaktionen bei Stress. Stressspezialist Teige untersucht, wie Kalziumantworten in den Chloroplasten generiert und entschlüsselt werden und welche Proteine dabei eine Rolle spielen. Seine Modellpflanzen sind die Ackerschmalwand und die Erbse.

Chloroplasten, Dr. Teige? "Das sind die grünen Organellen von Pflanzen, in denen die Photosynthese abläuft", erklärt der Wissenschafter. Die pflanzlichen Organellen sind vor vielen Millionen Jahren einmal als photosynthetisch aktive Prokaryoten von einer Zelle "einverleibt" worden. "Das sind also von der Pflanze im Laufe der Evolution eingefangene Cyano-Bakterien". Daraus hat sich dann die Pflanzenzelle entwickelt, die in der Lage ist, CO2 zu fixieren und mit Hilfe von Lichtenergie organische Substanzen aufzubauen. Der Fachmann nennt so etwas einen endosymbiontischen Ursprung.

Im Rahmen von COSI konnte Teige mit seinem Team erste Daten zu Kalziumsignalen in Chloroplasten erarbeiten. Außerdem hat er in enger Zusammenarbeit mit den Projektpartnern der LMU München die Methoden entwickelt, um diese Signale zu untersuchen. "Dies kann man z.B. mit Hilfe von gentechnischen Methoden tun, wobei in bestimmten Organellen der Pflanzenzelle ein Protein exprimiert - also hergestellt - wird, mit dem man freie Ca2+ Ionen durch Lichtemission messen kann", erklärt er.

"Wir haben im Projekt COSI verschiedene dieser Linien hergestellt, mit denen wir jetzt die Kalziumsignale in unterschiedlichen Organellen unter Einwirkung bestimmter Stresse messen können." Das sei wichtig, weil diese Prozesse unmittelbar mit der pflanzlichen Produktivität verknüpft seien und ein tieferes Verständnis erforderlich sei, um in Zukunft die Erträge von Kulturpflanzen zu steigern.  

"Denn über viele dieser regulatorischen Faktoren weiß man viel zu wenig", sagt Teige und nennt als Beispiel die Lichtsammelprozesse, die man für die Photosynthese braucht. Wie bitte? Lichtsammelprozesse? "Die Chlorophyll-Moleküle in den Chloroplasten sammeln die Lichtenergie ein. Nun ist ein Molekül natürlich ziemlich klein. Daher wird ein Trichter auf die zentralen Photosysteme aufgestülpt, der die Lichtenergie von einer größeren Oberfläche zu dem aktiven Zentrum der Photosysteme in der Thylakoidmembran der Chloroplasten zuführt", erklärt der Biochemiker und gesteht gleich: "Das ist natürlich knallharte Grundlagenforschung, damit man versteht, wie sich Pflanzen an unterschiedliche Lichtbedingungen anpassen können. Das hat aber im Endeffekt entscheidenden Einfluss auf das Wachstum und damit eben auf die Produktivität der Pflanzen."


Isolierte Chloroplasten



Reaktion auf Umweltreize


Ein wichtiges Regulationsprinzip in Chloroplasten ist die sogenannte Redoxregulation. Dabei wird die Lichtreaktion der Photosynthese - genauer: der Elektronentransport - genutzt, um Enzyme durch Reduktion zu aktivieren und damit ihre Aktivität mit der Photosynthese zu koordinieren. Dies ist aber nicht das einzige Regulationsprinzip in Chloroplasten - auch Proteinphosphorylierung und Kalziumsignale spielen eine wichtige Rolle.

Diese Regulationsmechanismen sind außerhalb des Chloroplasten schon lange bekannt und man dachte eigentlich, dass sie nur in höheren Zellen ablaufen und nicht in den "primitiveren" Prokaryonten - denn als solche muss man die Chloroplasten ja aufgrund ihres endosymbiontischen Ursprungs ansehen. "Daher eröffnet die Untersuchung dieser Prozesse in Plastiden also auch ein völlig neues Kapitel in der Erforschung der Signalübertragung als Reaktion auf Umweltreize", scheibt Markus Teige in seinem FWF-Projektantrag und hat bereits "einige Beispiele gefunden, die wir aufarbeiten möchten".

Welche? "Ein Protein bindet an der Oberfläche der Organellen Kalzium. Wir wissen aus genetischen Studien, dass das Protein das Wachstum beeinflusst. Die Pflanzen sind einmal etwas größer, dann wieder kleiner. Wir wissen aber überhaupt nicht, wie das funktioniert. Das wird nun im Labor mit biochemischen Methoden angeschaut - das Protein wird heraus gereinigt, man schaut, womit es interagiert: Mit welchem anderen Protein arbeitet es zusammen?" Fragt der Biochemiker und denkt auch daran, dieses Protein gezielt auszuknocken oder es zu verstärken, einfach, um festzustellen "was passiert, wenn mehr oder weniger davon da ist." Wie gesagt: Knallharte Grundlagenforschung, um fundamentale Prinzipien im Chloroplastenstoffwechsel und der Photosynthese zu verstehen.


COSI-Forscher bei der Arbeit



Netzwerk


"Das Schöne ist: Wir machen das nicht alleine, sondern haben ein großes Netzwerk mit Spezialisten der verschiedenen Gebiete", sagt Markus Teige. Als ideale Ergänzung zu seinen Arbeiten wurde jetzt nämlich auch von der EU-Kommission ein Europäisches Netzwerk (EU Marie Curie Initial Training Network [ITN] CALIPSO) bewilligt.

An diesem von der Universität Wien koordinierten, internationalen Forschungsnetzwerk sind außerdem acht weitere europäische Forschungsinstitutionen beteiligt: die Universitäten Genf, Turku, Krakau, UPMC Paris, Durham, LMU München, Frankfurt, das Gregor-Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie und zwei Firmen, die auf dem Gebiet forschen, nämlich Bayer CropScience in Gent und Ecoduna in Bruck/L.

Zehn DoktorandInnen und drei PostdoktorandInnen werden über die Regulation der Photosynthese durch Licht- und Kalziumsignale und Proteinphosphorylierung in photosynthetischen Organismen arbeiten - über das ganze evolutionäre Spektrum von Algen bis zu höheren Pflanzen. Teige: "So bekommen die Doktoranden eine umfassende Ausbildung und können sich das Knowhow in den verschiedensten Labors holen."

Die angestellten "Fellows" durchlaufen also ein strukturiertes Trainingsprogramm an den verschiedenen Institutionen, um eine praktische Ausbildung in den modernsten Methoden und Technologien zu erhalten. Damit sei eine optimale internationale Einbindung der einzelnen Teilnehmer gegeben, und die Mitarbeiter können in einzigartiger Weise von direkten Kollaborationen mit führenden europäischen Arbeitsgruppen profitieren, ist der CALIPSO-Koordinator überzeugt. Das Projekt wird im Oktober 2013 mit einem Kick-off Meeting an der Universität Wien starten. (red)

Das FWF-Projekt "Proteinphophorylierung und Kalziumsignale in Chloroplasten" läuft unter der Leitung von Dipl.-Chem. Dr. Markus Teige vom Department für Molekulare Systembiologie der Fakultät für Lebenswissenschaften
und vom Department für Biochemie und Zellbiologie am Zentrum für Molekulare Biologie von 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2014.