Pflanzen im Hormonrausch

Steroide verleihen Kraft. Nicht nur uns Menschen – auch Pflanzen profitieren von den "stärkenden" Eigenschaften der Hormone. Sind es bei Mann und Frau Androgene und Östrogene, so bedienen sich Pflanzen sogenannter Brassinosteroide. Wie diese Pflanzenhormone wirken und wie sie das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen regulieren, hat die Arbeitsgruppe rund um die Molekularbiologin Brigitte Poppenberger im Rahmen zweier FWF-Projekte herausgefunden und vor kurzem im renommierten "EMBO Journal" publiziert.

"Mein Vater ist Gärtner, weshalb ich mich schon als Kind dafür interessiert habe, wie Pflanzen wachsen und wie sie sich gegen Krankheiten und andere Stressfaktoren schützen können", so Brigitte Poppenberger vom Zentrum für Molekulare Biologie. Wenn sich die Umweltbedingungen ändern, können Pflanzen nicht einfach wie Mensch oder Tier den Standort wechseln. Also haben sie eigene Schutzmechanismen entwickelt: Hormone ermöglichen es ihnen, ihre "Entwicklungsprogramme" an äußere Einflüsse anzupassen, um zum Beispiel nur dann zu wachsen oder zu keimen, wenn die Voraussetzungen dafür stimmen.

Die junge Pflanzenbiologin arbeitet schon seit längerem an einer ganz bestimmten Art von Pflanzenhormonen – den sogenannten Brassinosteroiden (BR) – und hat sich in diesem relativ neuen Forschungsfeld bereits international etabliert. Denn über die unterschiedlichen Wirkungen des Hormons und die genetischen Netzwerke, die es produzieren bzw. in seinen Funktionen kontrollieren, war bisher noch wenig bekannt.

Neues Protein entdeckt


Um sich an Temperatur- oder Lichtveränderungen anzupassen, regulieren Pflanzen u.a. ihre Hormonkonzentration, indem sie z.B. überschüssige Brassinosteroide ausschalten oder einfach weniger produzieren. Wie Aspekte dieser sogenannten "Hormon-Homeostasis" funktionieren, hat Poppenberger zusammen mit ihren MitarbeiterInnen nun geklärt: "Wir haben ein Protein identifiziert, das in der Regulation der BR-Biosynthese eine wichtige Rolle spielt." Die Identifizierung und Kategorisierung des "neuen" Proteins CESTA hat die Biologin erst kürzlich im "The EMBO Journal", der Fachzeitschrift der European Molecular Biology Organization, publiziert.

Hormonüberschuss

Den Namen Cesta (dt.: Korb) verdankt das Protein der eigenartigen Blattmorphologie einer Mutante: "Innerhalb der Gattung Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) haben wir bei einer bestimmten Gruppe von Pflanzen ein stärkeres Wachstum beobachtet und eine Überaktivität an Brassinosteroiden vermutet. Die Pflanzen hatten längere Blattstiele und gekrümmte, nach unten gewölbte Blätter, die aussehen wie der Wurf- und Fangkorb beim baskischen Ballspiel Pelota", so Poppenberger.

Um das Protein zu identifizieren, hat das ForscherInnenteam die Mutante biochemisch und molekular näher untersucht und herausgefunden, dass "CESTA-Pflanzen" tatsächlich viel an Brassinosteroiden produzieren. "Der Grund für diese erhöhte Hormonproduktion ist eine vermehrte Aktivität von Enzymen welche Brassinosteroide synthetisieren. Wir konnten zeigen, dass CESTA diese Enzyme in ihrer Funktion reguliert", erklärt Poppenberger.

Licht ins Dunkel

Brassinosteroide sind auch in Zusammenhang mit der lichtregulierten Entwicklung von Pflanzen von Bedeutung. Im Dunkeln entwickeln sich Pflanzen normalerweise wesentlich anders als im Licht. Ein Mangel an Brassinosteroiden hat zur Folge, dass diese lichtgesteuerte Entwicklung stark gestört ist: Pflanzen blühen z.B. im Dunkeln – was bei normalem Brassinosteroid-Haushalt nicht zu beobachten ist. "Es erscheint daher, dass Pflanzen Steroid-Hormone benötigen um zu wissen, ob sie sich im Dunkeln oder im Licht befinden. Wir interessieren uns nun auch für die Frage, ob beispielsweise die BR-Biosynthese lichtabhängig angepasst wird", erklärt die Wissenschafterin.

Pflanzenwachstum fördern

Werden Pflanzen mit Brassinosteroiden besprüht, erhöht sich ihr Wachstum, ihr Ertrag und ihre Stressresistenz. Einer Anwendung der Pflanzenhormone in der Landwirtschaft steht allerdings ihre kostspielige Gewinnung bzw. Herstellung im Weg. Poppenberger, die mit den Herausforderungen des Gartenbaus aufgewachsen ist, interessiert sich deshalb für die Frage, wie die interessanten Eigenschaften von Brassinosteroiden für die Pflanzenproduktion nutzbar gemacht werden können. Ihre Arbeit zu diesem Thema wird die junge Forscherin ab September 2011 in Deutschland – als neue Professorin für Biotechnologie gartenbaulicher Kulturen an der Technischen Universität München – fortsetzen. (ps)

Dipl.-Ing. Dr. Brigitte Poppenberger hat 2006 im Rahmen eines Hertha-Firnberg-Projekts mit der Erforschung der Regulation der Brassinosteroid-Biosynthese begonnen. Parallel dazu leitete sie das FWF-Projekt "Analyse der Funktion von CESTA", das von 1. Juni 2007 bis 31. Mai 2011 lief, und hat eine eigene Forschungsgruppe am Zentrum für Molekulare Biologie (Max F. Perutz Laboratories) aufgebaut.