Unter einem guten Stern

Warum ist auf der Erde Leben möglich, auf vielen anderen Planeten aber nicht? Manuel Güdel und sein Team vom Institut für Astrophysik der Universität Wien wollen in ihrem aktuellen FWF-Projekt existenzielle Fragen beantworten – und nutzen dazu die Rechenpower des Wiener Supercomputers VSC.

"Eigentlich ist das Leben auf der Erde ein glücklicher Zufall", so die Einschätzung des Astrophysikers. Manuel Güdel und sein Team an der Universität Wien wollen herausfinden, unter welchen Bedingungen ein Planet bewohnbar ist. "Es geht uns dabei aber nicht um biologische, sondern um rein astrophysikalische Faktoren", stellt der Wissenschafter klar. Nach der klassischen Definition erfüllt ein Himmelskörper die Bedingungen für Belebbarkeit oder "Habitabilität", sobald flüssiges Wasser an der Planetenoberfläche stabil existieren kann. Dies wurde bisher an dem Abstand des Planeten zum zentralen Stern festgemacht; Güdel und seine KollegInnen sind allerdings der Meinung, dass weitaus mehr Kriterien erfüllt sein müssen.

Es war einmal …

Um die astrophysischen Einflüsse auf die Entstehung von Leben zu verstehen, gehen die ForscherInnen an den Beginn der planetaren Geschichte zurück. Das Sonnensystem gibt es seit circa 4,5 Milliarden Jahren; anfangs entstanden die Planeten und kurz darauf ihre Atmosphären. "Die UV- und Röntgenstrahlung der Sterne sind für die Bildung erdähnlicher Planeten von hoher Bedeutung. Diese Strahlungsarten der jungen Sonne waren wesentlich intensiver als heute und haben so die zuerst noch sehr großen, umliegenden Gasschichten der Erde zum Teil zum Verdampfen gebracht", erklärt Güdel.

"Fehler im Sonnensystem"

Bei der Erde standen viele Dinge "unter einem guten Stern": Ihre Masse, die Strahlung der Sonne und die astronomische Architektur des Sonnensystems haben die Entstehung von Leben begünstigt. Es gab allerdings auch einige "Fehler im Sonnensystem" – die meisten der heute bekannten Planeten sind nicht bewohnbar. Auf Venus zum Beispiel herrscht bedingt durch das Treibhausgas Kohlendioxid eine Oberflächentemperatur von über 500 Grad, Neptun hingegen verschwindet unter dichten Gasdecken, die durch die schwache Röntgenbestrahlung in großer Distsanz von der Sonne nicht verdampft werden konnten.

Das  Team von Manuel Güdel hat herausgefunden, dass auch Planeten mit einer zu großen Masse und folglich zu großer Gravitation bei ihrer Entstehung eine dichte Gashülle bilden und in der Folge auch behalten, die jegliche Habitabilität unmöglich macht.

Bewohnte Planeten?

WissenschafterInnen haben mittlerweile über 1.000 extrasolare Planeten entdeckt. Diese sogenannten Exoplaneten sind Himmelskörper, die nicht unserem Sonnensystem angehören und somit einen anderen Stern umkreisen. Die AstrophysikerInnen der Universität Wien können anhand der jüngsten Forschungsergebnisse die Liste der habitablen Planeten eingrenzen: "Es ist durchaus möglich, dass es auf einigen dieser jungen Exoplaneten Leben gibt bzw. dass sie im Prinzip habitabel sind", so die Prognose von Manuel Güdel, "bevor allerdings über außerirdisches Leben spekuliert wird, sollten die theoretischen Grundlagen geklärt werden."


Projekt-Postdoc Dr. Colin Johnstone simuliert kollidierende Sternwinde in einem Doppelsternsystem am VSC. Diese Winde verursachen eine Wechselwirkung mit Magnetosphären und Atmosphären und beeinflussen so die Habitabilität von Exoplaneten. (Foto: Colin)



Forschungsalltag auf der Universitätssternwarte

Am Institut für Astrophysik simulieren Manuel Güdel und sein Team Winde, Schockwellen und Atmosphären an hausinternen Clustern, die sich mit dem "Vienna Scientific Cluster (VSC)" verbinden: Dieser Supercomputer, den die Universität Wien gemeinsam mit TU Wien, BOKU Wien, TU Graz und Universität Innsbruck betreibt, ist seit letzter Woche mit einer dritten Ausbaustufe aktiv. Der sympathische Professor setzt große Hoffnungen in das überarbeitete Cluster: "Der VSC-3 wird für uns wichtig, weil wir dann komplexere Rechnungen effizienter durchführen können. Wir haben hier insbesondere 3D-Codes, die sehr schnell sehr anspruchsvoll werden!"

Lichtverschmutzung über Wien

Mit Sternenbeobachtung verbringen die AstrophysikerInnen heute nur noch wenig Zeit: "Die Teleskope der Sternwarte der Universität dienen der Öffentlichkeit und der Ausbildung von StudentInnen, für wissenschaftliche Zwecke ist Wien mit seiner städtischen Lichtverschmutzung wenig geeignet", erklärt der Forscher. Astrophysische Daten werden heutzutage primär auf entfernten Bergen oder auch von Satelliten eingeholt, welche dann elektronisch an das Institut in der Türkenschanzstraße übermittelt werden. Güdel reist nur noch anlässlich von Konferenzen an solche Orte, während Beobachtungen vor Ort nicht mehr zum Programm gehören. "Auch ist unsere Forschung wenig beobachtungsorientiert, wir stützen unsere Arbeit großteils auf computerbasierte Simulationen", erklärt er.

Der gebürtige Schweizer ist seit 2010 an der Universität Wien und kann hier seinem Interesse an jungen Planeten nachkommen. Im Rahmen seines Großprojekts kollaboriert er mit dem Grazer Institut für Weltraumforschung und den AstrophysikerInnen der Universität Graz. "In unserem Projekt sind u.a. MagnetosphärenexpertInnen, Fachleute für die Evolution der Sterne und HydrodynamikerInnen involviert – durch diesen interdisziplinären Zugang hat unser Team ein Alleinstellungsmerkmal in der astrophysischen Forschung", erläutert Manuel Güdel abschließend. (hm)

Das Nationale Forschungsnetzwerk (NFN) des FWF "Pathways to Habitability: From Disks to Active Stars, from Planets to Life" von Univ.-Prof. Dr. Manuel Güdel vom Institut für Astrophysik der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien läuft vom 1. März 2012 bis zum 29. Februar 2016 und soll darüber hinaus für weitere vier Jahre verlängert werden. KooperationspartnerInnen sind das Grazer Institut für Weltraumforschung und die Universität Graz sowie zahlreiche internationale Partner.