Manuel Güdel: Ohne Sterne kein Leben

Unter welchen astronomischen Bedingungen kann Leben entstehen? Damit beschäftigt sich der Leiter des Instituts für Astronomie Manuel Güdel. Ab März 2012 steht diese Frage auch im Mittelpunkt eines neuen Nationalen Forschungsnetzwerks (NFN) unter der Leitung des Astrophysikers.

Als Neil Armstrong am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond betrat, war Manuel Güdel gerade mal sieben Jahre alt. Dennoch sollte dieses Ereignis den Grundstein für seine spätere wissenschaftliche Karriere legen. "Die Mondlandung war ein magischer Moment für mich, ich war ganz fasziniert von Astronauten und Raketen, Sternen und Planeten", so Güdel rückblickend: "Die Frage, was 'da draußen' wirklich ist, hat mich seitdem nicht mehr losgelassen."

Der heutige Astrophysiker ist seinem Kindheitstraum treu geblieben und inskribierte nach der Matura in Aarau (Schweiz) an der ETH Zürich theoretische Physik, um 1991 ebendort im Fach Astrophysik zu promovieren. "Ohne Physik kann man keine Astronomie betreiben, sie bildet die Grundlage, auf der alles aufbaut", erklärt er seinen Zugang. In seiner Dissertation verband er dann auch beide Fachbereiche und untersuchte hochbeschleunigte Elektronen im Sonnenplasma.

Im Bann der Sterne

An der University of Colorado in Boulder – bis heute ein führendes astronomisches Forschungszentrum – gab sich Güdel anschließend als Postdoc ganz seiner Faszination für die Sterne hin: "Ich konzentrierte mich vor allem auf junge Sterne und wollte mehr über ihre Entstehung und ihren Einfluss auf die Umgebung herausfinden." Dutzende Faktoren, wie UV- und Röntgen-Strahlung, Magnetfelder und Sternwinde, spielen dabei eine entscheidende Rolle: Gibt es eine Planetenatmosphäre? Wie wird sie durch den Stern beeinflusst? "Denn wenn die Strahlung von Sternen zu groß ist, lässt sie die Atmosphäre in den Weltraum verdampfen und damit natürlich auch Wasser, die bis dato unbestrittene Grundlage allen Lebens", so Güdel.


Die Abbildung zeigt einen entstehenden Stern mit einem Röntgen-Jet, d.h. ein Ausfluss von sehr heißer Materie (ca. vier Millionen Grad). (Foto: Chandra/NASA)



Junge Sterne und deren Entstehungsphasen seien ganz besonders spannend zu untersuchen: "Denn sie 'erzählen' uns natürlich gleichzeitig etwas über die Anfänge unseres Sonnensystems." Mitte der 1990er Jahre, als Güdel noch als Postdoc tätig war, waren noch gar keine Exoplaneten bekannt, heute sind schon hunderte entdeckt worden – also genug "Forschungsmaterial" für den Astrophysiker. "Wie entstehen Sterne und ihre Umgebungen, in denen sich Planeten formen? Wie beeinflusst der entstehende Stern diese Umgebung? Ganz besonders interessiert mich dabei die Frage nach den Voraussetzungen für die Entstehung von Leben – angefangen bei der Chemie in protoplanetaren Scheiben bis hin zur Bestrahlung von Planetenatmosphären."

Die Grundlage von Leben

All jene Prozesse im Weltall, die dazu führen, dass Leben möglich ist, stehen nun auch im Mittelpunkt des kürzlich vom FWF bewilligten Nationalen Forschungsnetzwerks (NFN) "Pathways to Habitability: From Disks to Active Stars, Planets to Life" (PatH) unter der Gesamtleitung von Manuel Güdel. Knapp 100 internationale WissenschafterInnen werden dabei in den nächsten acht Jahren in sechs Teilprojekten stellare und planetare Bedingungen untersuchen, unter denen Leben entstehen könnte. "Wir suchen nicht nach Leben im All an sich, sondern nach den physikalischen und chemischen Voraussetzungen dafür – von der Stern- und Planetenentstehung bis zum Transport von Wasser", erklärt Güdel. der sich sicher ist, dass im Universum außer uns noch Leben existiert: "Es wäre doch seltsam, wenn das nicht auch irgendwo anders passiert wäre."

Er freut sich, dass dieses Forschungsgebiet durch das NFN ein zentrales Thema in der österreichischen Astronomie wird. "Das ist sicherlich ein Höhepunkt in meiner wissenschaftlichen Karriere", so der Sternenforscher: "Im NFN bündeln sich all meine bisherigen Forschungsfragen, angefangen von meiner Dissertation über die Sonne, der Arbeit zu jungen Sternen in Boulder und meinen späteren Forschungen zur Stern- und Planetenentstehung."


Der Start des "James Webb Space Telescope" soll 2018 erfolgen. Manuel Güdel ist dabei Co-Principal Investigator für das für die Stern- und Planetenentstehung wichtigste Instrument auf dieser Mission. (Foto: NASA).



Fokussiert, aber flexibel


Die Professur in Wien hat für den zweifachen Vater "ganz einfach gepasst": "Das Institut ist sehr offen für Forschung an Sternen. Auch durch die neue Mitgliedschaft in der Europäischen Südsternwarte ESO war die Stellung hier für mich sehr attraktiv." Selbst ist der Astronom an mehreren weltraumgestützten Satellitenprojekten – darunter XMM-Newton und künftig das James Webb Space Telescope – beteiligt, verwendet aber auch häufig bodengebundene Radioteleskope. Von ihnen allen bezieht Manuel Güdel seine Daten zur Berechnung und Modellierung von stellaren Begebenheiten. Dafür verbringt er viele, viele Stunden vor dem Computer: "Die Physik und die Formeln, die hinter den Mechanismen im All stecken, sind zwar kompliziert, aber sie erzählen uns, was wirklich vorgeht." Daher ist es ihm auch so wichtig, seinen Studierenden ein physikalisches Verständnis zu vermitteln: "Es reicht nicht, nur die Formel hinzuschreiben. Sie ist ein Hilfsmittel – wesentlich ist es, den Prozess dahinter zu begreifen." (td)

Univ.-Prof. Dipl.-Phys. Dr. Manuel Güdel hält am Montag, 16. Jänner 2012, um 18 Uhr im Großen Festsaal seine Antrittsvorlesung zum Thema "'Der bestirnte Himmel über mir': Von der Entstehung der Sterne zum Ursprung des Lebens".