Überwintern mit Vorrat

Seit über 15 Jahren forscht Eva Millesi vom Department für Verhaltensbiologie an der Universität Wien zum Winterschlaf. Anhand von Feldhamstern zeigt sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Carina Siutz, wie sich ihr Überwintern durch Futtergaben steuern lässt – mit Folgen für die Fortpflanzung der Tiere.

In ihrer aktuellen Studie interessieren sich die Leiterin des Departments für Verhaltensbiologie und Vizedekanin der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien Eva Millesi sowie Departmentsmitarbeiterin Carina Siutz vom Department für Verhaltensbiologie an der Universität Wien für die Auswirkungen des Winterschlafs auf andere Aktivitäten.

Denn dieser steht nicht nur mit dem Anlegen von Energiereserven in Form von Körperfett oder Nahrungsvorräten im Zusammenhang, sondern auch etwa mit der Fortpflanzung. Dabei haben die Forscherinnen mit den Feldhamstern besonders vielversprechende Forschungsobjekte ausgemacht. Im Unterschied zu anderen Tieren wie z.B. Zieseln sind sie beim Überwintern erstaunlich flexibel. Ihre Forschungen basieren auf einem FWF-Projekt, das die Forscherinnen 2016 abgeschlossen haben.

Gesteuerter Winterschlaf

Die Wissenschafterinnen vom Department für Verhaltensbiologie an der Universität Wien führten daher Studien an dieser Nagerart sowohl im Feld als auch im Labor mittels künstlicher Bauten in Klimakammern durch. Mit ihrer jüngsten Publikation zu Feldhamstern haben Eva Millesi und Carina Siutz in der Fachwelt einige Aufmerksamkeit erregt. War bisher bereits bekannt, dass sich das "Winterschlafverhalten" von Männchen und Weibchen unterscheidet, so fanden sie nun heraus, dass es durch zusätzliche Futtergaben auch gesteuert bzw. manipuliert werden kann. Dies wiederum wirkt sich maßgeblich auf das Reproduktionsverhalten der Tiere aus.

Effektiv genutzte Lebenszeit

Feldhamster haben eine verhältnismäßig kurze Lebenserwartung von zwei bis drei Jahren. Diese kurze Spanne nutzen sie in der warmen Jahreszeit vor allem zur Reproduktion: Feldhamsterweibchen können bis zu drei Würfe pro Saison hervorbringen. Neben der Paarung und Aufzucht der Jungen sind Revierschaffung und -verteidigung sowie Futtersuche und Vorratsspeicherung die Hauptbeschäftigung der Feldhamster in der warmen Jahreszeit.

Bei freilebenden Feldhamstern konnte beobachtet werden, dass Weibchen mehr Vorräte sammeln und in ihrem Bau speichern, wohingegen Männchen sich hauptsächlich Körperfettreserven zulegen. Dies hat direkte Auswirkungen auf ihre jeweilige Überwinterungsstrategie: Feldhamstermännchen fallen üblicherweise früher und länger in den Winterschlaf, den sogenannten "Torpor". Die Winterschlafperioden von Feldhamsterweibchen hingegen beginnen später und dauern kürzer an. Die Zeit bis dahin überbrücken die Weibchen mit den angesammelten Vorräten.

Hamster im Energiesparmodus

Unter "Torpor" ist ein physiologischer Zustand zu verstehen, bei dem der Stoffwechsel und die Körpertemperatur auf ein Minimum – bei Feldhamstern auf bis zu ca. 5 Grad – herabgesetzt werden. Die Tiere versetzen sich in einen "Energiesparmodus" und können dadurch monatelange Phasen ohne Nahrung und Wasser überstehen. Die Torporzustände verlaufen zyklisch und werden immer wieder durch kurze Aufwärmphasen unterbrochen.

Neben vielen positiven Effekten des Winterschlafs – Energiesparen, Schutz vor Fressfeinden usw. –gibt es auch mögliche negative Auswirkungen. Dazu zählen eine Abschwächung des Immunsystems, die Beeinträchtigung neuronaler Verbindungen und verringerte Gedächtnisleistungen.

Zusätzliche Nahrung schafft Vorteile für Männchen

Im Feldversuch wurden nun den Hamstern während ihrer aktiven Periode zusätzliche Nahrungsangebote gemacht. Zwar legten sich sowohl Männchen als auch Weibchen größere Vorräte an, aber auf das Winterschlafverhalten der Männchen wirkte sich das zusätzliche Nahrungsangebot in besonderem Maße aus.

Während diese üblicherweise bereits im September den Bau aufsuchen und ab Oktober in den Torpor fallen, zogen sich die "zugefütterten" Männchen (analog zum Verhalten der Weibchen) erst im Oktober in den Bau zurück. Der Winterschlaf setzte bei ihnen sogar erst Mitte Jänner ein und hielt lediglich bis Februar an. Vor allem aber konnten sie über den Winter an Gewicht zulegen, was bei Konkurrenzkämpfen unter Männchen vorteilhaft ist.

Die Frühaufsteherin hat mehr Nachkommen

Für die Weibchen wurde der Effekt der zusätzlichen Nahrung hingegen erst im Frühjahr sichtbar. Während das Zufüttern ihren Winterschlaf selbst nicht beeinflusste, wurden sie aber früher als üblich wieder aktiv. Dieser Vorsprung gegenüber den Artgenossinnen verschaffte ihnen einen Vorteil in der Reproduktion: Weibchen, die eher mit der Fortpflanzung beginnen, haben mehr Würfe und damit auch mehr Nachkommen. (red)

Eva Millesi ist Vizedekanin der Fakultät für Lebenswissenschaften und Leiterin Leiterin des Departments für Verhaltensbiologie der Universität Wien. Sie leitete das FWF-Projekt "Effects of external and internal energy reserves on hibernation in common hamsters" (Laufzeit 2011-2016). Carina Siutz war an diesem Projekt als Mitarbeiterin beteiligt. Derzeit ist sie als Postdoktorandin am Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien beschäftigt.


Die Publikation "Sex-specific effects of food supplementation on hibernation performance and reproductive timing in free-ranging common hamsters" (Autorinnen: Carina Siutz, Margit Valent, Viktoria Ammann, Ariane Niebauer und Eva Millesi) erschien am 30. August 2018 in "Scientific Reports".