START-Projekt von Ovidiu Paun
| 17. Juni 2013Knabenkräuter (Dactylorhiza), auch Fingerwurzen genannt, sind eine bedrohte Gattung aus der Familie der Orchideen. Welche molekularen Mechanismen es ihnen erlauben, sich an verschiedene Lebensräume anzupassen, untersucht Ovidiu Paun von der Universität Wien in seinem START-Projekt.
Plötzliche Veränderungen in der Umwelt, beispielsweise im Zuge des Klimawandels, aber auch interne Faktoren – wie Hybridisierung oder eine Verdoppelung des gesamten Chromosomensatzes – verursachen häufig rasche Anpassungen von Lebewesen an die veränderten Bedingungen.
Die Mechanismen, die zu raschen Anpassungen führen, können derzeit nicht vollständig nachvollzogen werden. In seinem START-Projekt, das er am Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung der Universität Wien durchführen wird, untersucht Ovidiu Paun die molekularen Mechanismen, die den Arten einer bedrohten Orchideengattung erlauben, sich an verschiedene Habitate anzupassen.
Entstehung und Erhaltung von Biodiversität
Getestet wird die Hypothese, dass Variation in epigenetischer Information – die sich in den letzten Jahren neben der reinen DNA-Sequenz selbst als (bedingt) erblicher Faktor herausgestellt hat – den Organismen ermöglicht, sich relativ rasch an andere Umweltbedingungen anzupassen. "Unsere Forschung hat tiefgreifende Auswirkungen auf das Verständnis der Dynamik von Anpassungs- und Differenzierungsmechanismen, die in natürlichen Populationen wirken und Schlüsselprozesse in der Entstehung und Erhaltung von Biodiversität sind", so Ovidiu Paun.
Europäische Fingerwurz-Arten im Fokus
Die vorliegende Studie konzentriert sich auf mehrere europäische Fingerwurz-Arten (Dactylorhiza), die natürliche Hybriden aus demselben Paar von Elternarten darstellen, aber alle doppelt so viele Chromosomen wie die Elternarten haben. Dadurch enthalten ihre Genome redundante Kopien aller Gene, die in besonderen Entwicklungsphasen oder unter bestimmten Umweltbedingungen in verschiedenen Kombinationen exprimiert werden können. Trotz ihres gemeinsamen Ursprungs unterscheiden sich die untersuchten Arten morphologisch und ökologisch.
"Die neuesten Entwicklungen im Bereich von Hochleistungs-DNA-Sequenzierungstechniken – also 'Next Generation Sequencing' – erlauben die vergleichende Untersuchung von Millionen Basenpaaren", so Ovidiu Paun: "In Kombination mit Feldexperimenten können wir damit die Hypothese testen, dass die molekulare Grundlage unterschiedlicher Anpassungen nicht in genetischer Variation besteht."
Umfangreiche Studie
"Im Rahmen des START-Projekts werden wir eine der umfangreichsten Studien zu natürlicher Variation innerhalb einer wilden Pflanzengruppe liefern." Dadurch will der Forscher zu einem tieferen Einblick in die Auswirkungen von Genomverdoppelung auf die Evolution von Stoffwechselvorgängen verhelfen, welche für die Anpassung an ökologische Gegebenheiten und letztlich für die Artbildung von Bedeutung sind: "Wir wollen zeigen, wie genetische Muster entstehen können und Polymorphismen in der Gen-Expression zustande kommen, während Arten sich in der Landschaft ausbreiten."
Starke Evolutionsforschung in Wien
Ziel des START-Projekts ist das bessere Verständnis und daher eine bessere Vorhersagbarkeit des Spektrums molekularer Prozesse, die auf intraspezifischem Niveau (Populationsniveau) wirken. Das Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung der Universität Wien sei dafür bestens ausgestattet und werde, so Ovidiu Paun, weiterhin in die neuesten Technologien investieren. Auch profitiere seine Forschung stark durch die Zusammenarbeit mit den verschiedenen, vielfältigen Forschungsbereichen am Fakultätszentrum für Biodiversität, so der junge Wissenschafter, dessen START-Team auch in das Netzwerk "evolVienna" – eine Plattform zur Bündelung von Evolutionsforschung in Wien – integriert sein wird.