New Generation Scientists: Gefahren erkennen, Risiko minimieren

Im europaweiten Marie-Curie-Netzwerk "CHANGES" untersuchen NachwuchswissenschafterInnen potenzielle Naturgefahren und ihre Auswirkungen auf Landschaft und Gesellschaft.

Zwölf DoktorandInnen, drei Postdocs und über 20 erfahrene WissenschafterInnen kartieren, analysieren und prognostizieren im Zuge des Marie-Curie-Initial-Training-Networks (ITN) "CHANGES" Naturgefahren in Europa. Der Fokus liegt auf hydrometeorologischen Katastrophen – das sind solche, die durch Wasser und Klimaveränderungen ausgelöst werden wie zum Beispiel Überschwemmungen und Lawinen, aber auch Hangrutschungen und Muren.

Die Universität Wien ist mit Thomas Glade, dem Vorstand des Instituts für Geographie und Regionalforschung und Leiter der Arbeitsgruppe ENGAGE (Geomorphologische Systeme und Risikoforschung), und der Doktorandin Roxana Liliana Ciurean Teil des groß angelegten Projekts, das aus insgesamt elf Partnern und sechs assoziierten Partnern aus ganz Europa besteht. "Der Netzwerk-Gedanke steht im Vordergrund. Bei den dreimonatlichen Treffen findet ein intensiver Austausch zwischen DoktorandInnen, Postdocs und WissenschafterInnen statt", erzählt Glade: "Dabei können u.a. die einzelnen Forschungsarbeiten ideal aufeinander abgestimmt werden."

Frankreich, Italien, Polen und Rumänien

Insgesamt vier Regionen werden von den teilnehmenden WissenschafterInnen genauestens unter die Lupe genommen: die Täler von Ubaye und Tinée in Frankreich, Friaul-Julisch Venetien in Italien, Wieprzówka in Polen und der Kreis Buzău in Rumänien. Dabei untersuchen die JungforscherInnen mögliche Risiken, die durch Klimawandel, Landnutzungen und sozio-ökonomische Veränderungen gegeben sein können. Dahingehend werden exemplarische Zukunftsszenarien entworfen und darauf bezogen sogenanntes "Risk Management" betrieben, d.h. Maßnahmen zum Umgang mit den Naturgefahren vorgeschlagen: von erster direkter Katastrophenhilfe vor Ort bis hin zu längerfristigen raumplanerischen Maßnahmen.


Buchtipp von Thomas Glade zum Thema: "Der unruhige Planet", Richard Dikau, Jürgen Weichselgartner (Primus Verlag)



Im Rahmen des Projekts widmet sich jeder Doktorand und jede Doktorandin spezifischen Forschungsfragen in einer bestimmten Region. Die gebürtige Rumänin Roxana Liliana Ciurean von der Universität Wien beispielsweise analysiert in ihrer Dissertation das Gebiet Buzău – die Region war und ist intensiv von Hangrutschungen betroffen – und möchte von dort ausgehend Methoden entwickeln, um die Kosten, die durch Naturkatastrophen entstehen, effizient zu berechnen.

Infrastruktur, Gelände und Landnutzung

Ihr Vorhaben erfordert viel – auch historische – Recherchearbeit. So forscht Ciurean derzeit in rumänischen Archiven, um nach Katastrophen in der Vergangenheit im Buzău-Gebiet zu suchen: Was für Katastrophen haben sich in den letzten hundert Jahren dort ereignet? Welche Informationen über den Prozessablauf sind verfügbar? Welche Schäden haben die Naturgewalten angerichtet und wie hoch waren die Kosten dafür? "In meiner Arbeit geht es im Wesentlichen darum, Unsicherheiten in der ökonomischen Bewertung von Infrastruktur, Gelände und Landnutzung festzustellen", erklärt die Nachwuchswissenschafterin: "Die Hauptfrage lautet: Wie können diese kalkuliert und nutzerorientiert präsentiert werden."


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Die Methoden für die Berechnung dieser (Kosten-)Unsicherheiten sollen dabei aber nicht nur für das rumänische Gebiet Verwendung finden, sondern für gefährdete Regionen in ganz Europa. Die allgemeine Anwendbarkeit ihrer in Rumänien erarbeiteten Methoden wird Ciurean dann in Polen, in Italien und in Frankreich überprüfen.

Offene Web-Plattform

Das gemeinsame Ziel von "CHANGES" ist die Entwicklung einer umfassenden, webbasierten Plattform, über die WissenschafterInnen, RaumplanerInnen, Gemeinden und Interessierte die von den DoktorandInnen bzw. Postdocs gewonnenen Forschungsergebnisse abrufen können. "Darin enthalten sind Messdaten aus den jeweiligen Geländen, die Abschätzung von Gefahren plus Konsequenzen sowie Hinweise zum Katastrophenmanagement – mögliche Zukunftsszenarien bis 2100 sind ebenso inkludiert", erklärt Thomas Glade.

Intensives "Training"

Von den Möglichkeiten, die das EU-geförderte "Initial Training Network" bietet, zeigt sich Glade begeistert: "Die PhDs werden wirklich toll ausgebildet", betont er. In den vier Jahren Laufzeit finden neben den Treffen der TeilnehmerInnen auch spezifische Workshops und thematische "Training Courses" statt; weiters wird jeder Doktorand und jede Doktorandin mindestens ein Semester an einer anderen Partneruniversität bzw. Forschungsinstitution verbringen. So bietet das Marie-Curie-Programm den JungwissenschafterInnen neben einer umfassenden Ausbildung im Bereich Risiko-Management, Katastrophenanalyse und -einschätzung auch die Möglichkeit, Auslandserfahrung zu sammeln, internationale Kontakte zu knüpfen und eigene Forschungsnetzwerke aufzubauen. (td)

Das EU-weite Netzwerk "CHANGES" (Changing Hydro-meteorological Risks
as Analyzed by a New Generation of European Scientists) läuft im Rahmen des Marie-Curie-Initial-Training-Networks (ITN) von Jänner 2011 bis Dezember 2014 unter der Leitung von Prof. Dr. Cees van Westen der University of Twente (Niederlande). Die Universität Wien ist mit Univ.-Prof. Dipl.-Geogr. Dr. Thomas Glade, dem Leiter des Instituts für Geographie und Regionalforschung, und der Doktorandin Roxana Liliana Ciurean, MSc eine von insgesamt elf Partnern des Großprojekts.