Gesundheit geht durch den Magen

In dem interdisziplinären Projekt GAAS steht Gesundheitskompetenz gepaart mit Ernährungsverhalten von benachteiligten Jugendlichen im Fokus. Gemeinsam mit ihnen wurde an Ernährungsplänen gearbeitet und sogar ein eigenes, gesundes Teegetränk – "Frizztea" – entwickelt.

Jugendliche unterscheiden sich in ihrem Gesundheitsverhalten sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen. Ihr Ernährungsverhalten ist Ausdruck ihrer Ablösung vom Elternhaus, zunehmender Distinktion und Identitätsentwicklung.

Besonders Jugendliche im NEET-Status (not in education, employment or training) zählen häufig zu sozial benachteiligten und/oder bildungsfernen Bevölkerungsgruppen und sind vermehrt von sozialer Ausgrenzung und gesundheitlicher Chancenungleichheit betroffen. In Österreich trifft das in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen auf rund 78.000 Jugendliche aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen zu.

Von der IST-Analyse zur Intervention

Das Projekt GAAS hat zum Ziel, die Gesundheitskompetenz von Jugendlichen, die sich nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung befinden, zu fördern. Gemäß dem Grundsatz "keine Intervention ohne Diagnose" wurden Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz an die Bedürfnisse der Jugendlichen angepasst.

uni:view: Wie beantworten Sie unsere aktuelle Semesterfrage: Gesundheit aus dem Labor – was ist möglich?
Petra Rust: Früher mussten uns Lebensmittel satt machen und schmecken, heute soll Essen uns gesünder und leistungsfähiger machen. Die Lebensmitteltechnologie macht es möglich, dass Nahrungsmittel mehr Vitamine und Mineralstoffe, mehr Proteine sowie gesündere Fette enthalten. Der "Golden Rice", Reis reich an Beta-Carotin, der Vitamin-A-Mangel in armen Ländern lindern kann, die Karotte mit besonders gut verfügbarem Calcium für Menschen, die keine Milchprodukte vertragen, sind zwei Beispiele moderner Forschung. Ob Essen aus dem Labor uns tatsächlich gesünder machen wird, ist dennoch fraglich. Vielleicht ist Gemüse ja nur in seiner komplexen Matrix gesund. Dann ist es jedenfalls nützlich, unserer Gesundheit durch eine vielfältige Ernährung reich an Gemüse und Obst Gutes zu tun. Damit dies gelingt, bedarf es entsprechender Ernährungskompetenz, welche bereits im Kindes- und Jugendalter erworben werden sollte.

Dazu wurden in der ersten Projektphase qualitative (Interviews, Fokusgruppen) und quantitative (Fragebogen) Erhebungen sowie anthropometrische Messungen (Untersuchung von Körpergewicht, -größe, -zusammensetzung) durchgeführt. Aufbauend auf den Ergebnissen der IST-Analyse, wurde im Peer-to-Peer Ansatz eine sechsmonatige Intervention mit den Schwerpunkten Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit gestartet.

Der Peer-to-Peer Ansatz war durch die Integration von Studierenden der Ernährungswissenschaften, der Diätologie und der Physiotherapie sehr erfolgreich. Wissen wurde mittels Bildmaterialien, jugendspezifischer Sprachcodes, Bewegungseinheiten und viel Humor vermittelt.

Ein Getränk als Tool zur Ernährungskommunikation

Als besonders nachteilig stellten sich Mahlzeitenfrequenz, hoher Fast-Food Konsum und das Trinkverhalten der Jugendlichen heraus. So werden z.B. Limonaden und Energydrinks sehr häufig konsumiert. Demgegenüber steht ein zu geringer Gemüse- und Obstverzehr. Aufgrund dieses verbesserungswürdigen Ernährungsverhaltens und des großen Interesses seitens der Jugendlichen wurde die Idee geboren, ein gesundheitsförderliches Getränk zu entwickeln, das zum Transport von Ernährungsinformation genutzt werden soll. So können wichtige Informationen zum gesunden Trinkverhalten leicht verständlich und unterhaltsam mittels Infografiken an Jugendliche weitergegeben werden: "Frizztea", ein Getränk auf Teebasis, mit dem besonderen Etikett wurde im Frühling 2017 der Öffentlichkeit präsentiert.

Frizztea wurde von den Jugendlichen im Projekt selbstständig entwickelt. Es ist nicht nur selbst ein gesundes Getränk, sondern vermittelt am Etikett auch grafisch aufbereitete Informationen rund ums gesunde Trinkverhalten. (Foto: Claudia Winkler) Video: "Entwicklung eines jugendgerechten Produktes zur Ernährungskommunikation"

Lehrgang zur Jugend-ErnährungsmentorIn

Da Personen im sozialintegrativen Bereich der außerschulischen Jugendarbeit als wichtige Vertrauenspersonen von Jugendlichen immer wieder mit gesundheitsbezogenen Fragen, insbesondere zur Ernährung, konfrontiert sind, wurde zur Förderung der Nachhaltigkeit ein Zertifikatslehrgang zum/zur Jugend-ErnährungsmentorIn entwickelt, der im März 2017 startete. Der Lehrgang wird zukünftig als kooperativer Zertifizierungslehrgang von der Universität Wien, dem Department für Ernährungswissenschaften und der Fachhochschule St. Pölten GmbH, dem Institut für Gesundheitswissenschaften angeboten.

Welche Erfahrungen wurden gesammelt?

Im Rahmen des Projekts wurden einzigartiges Wissen rund um das Gesundheits- und insbesondere das Ernährungsverhalten sowie die Wahrnehmung von Gesundheit von Jugendlichen im NEET-Status erfasst. Zudem konnten Erfahrungen bezüglich der interdisziplinären Gesundheitskommunikation mit der Zielgruppe gesammelt werden.

Generell sind die Jugendlichen sehr am Projekt und dessen Inhalten interessiert. Dies wird durch das positive Feedback auf die Intervention durch die Jugendlichen und BetreuerInnen unterstrichen. Als besonders bereichernd wird der Austausch von Studierenden und Jugendlichen von allen Beteiligten wahrgenommen. Der Partizipativansatz trug sowohl während der Intervention, als auch der Produktentwicklung wesentlich zu deren Erfolg bei.

Die gewonnenen Erfahrungen sowie das entwickelte Kommunikationstool stehen auch anderen Bevölkerungsgruppen wie z.B. SchülerInnen, Lehrlingen oder Jugendlichen mit Migrationshintergrund zur Stärkung deren Gesundheitskompetenz zur Verfügung.

Ass.-Prof. Mag. Dr. Petra Rust ist Studienprogrammleiterin der Ernährungswissenschaften und forscht und lehrt am Department für Ernährungswissenschaften. Dr. Elisabeth Höld ist am Department of Health Sciences der FH St. Pölten tätig und Projektleiterin von GAAS.

Das interdisziplinäre FGÖ-Projekt "GAAS" (Projekt zur Förderung der Gesundheitskompetenzen von Jugendlichen, die sich nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung befinden) startete im September 2015 und läuft noch bis Februar 2018. Die beteiligten Organisationen sind Nordrand Mobile Jugendarbeit, Produktionsschule spacelab, die Fachhochschule St. Pölten GmbH, das Institut für Gesundheitswissenschaften (Mag. Dr. Elisabeth Höld, Mag. Claudia Winckler) und das Department für Ernährungswissenschaften der Universität Wien mit Ass.-Prof. Mag. Dr. Petra Rust. Das Projekt ist Mitglied der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz und erhielt 2016 den ersten Preis beim Wiener Gesundheitspreis. Es wird vom Fonds Gesundes Österreich und der Initiative "Tut gut!" zur niederösterreichischen Gesundheitsvorsorge gefördert.