Ist die Erde einzigartig?

Aufnahme der Erde aus dem Weltall

Mehrere Milliarden erdähnliche Planeten werden alleine in unserer Galaxie vermutet. Aber ist auf diesen auch Leben möglich? Um das zu untersuchen, hat der Astrophysiker Manuel Güdel von der Universität Wien über 90 internationale ForscherInnen zusammen getrommelt.

Wer den Film "Der Marsianer" gesehen hat, fragt sich: Könnte ein Mensch tatsächlich auf diesem unwirtlichen Planeten überleben? "Der Film ist nicht nur landschaftlich beeindruckend und realitätsnah, sondern zeigt auch in beeindruckender Weise, wie vertraut die Marsoberfläche wirken kann; mit etwas Hilfe sprießen dort sogar Erdäpfel", kommentiert Manuel Güdel vom Institut für Astrophysik der Universität Wien den Hollywoodfilm und fügt schmunzelnd hinzu: "Allerdings wären wir schon beeindruckt, dort nur Mikroben vorzufinden."

Der Mars ist ja neben der Erde in der Tat der einzige Planet unseres Sonnensystems, auf dem Leben vorstellbar wäre. Doch warum kann es auf dem Mars überhaupt – zumindest in der Theorie – flüssiges Wasser geben und auf der Venus nicht? Wieso hat der "rote Planet" eine knapp lebenserhaltende Atmosphäre, die Venus wiederum nicht? "Wir wollen verstehen, warum auf der Venus vieles schiefgegangen ist, während hier bei uns auf der Erde alles wunderbar geklappt hat: Warum ist die Erde so, wie sie ist?", bringt Güdel die zentrale Forschungsfrage auf den Punkt.

Hunderte Milliarden Planeten sind alleine in der Milchstraße zu erwarten. "Wir wissen bereits jetzt, dass darunter – was die Größe und den Abstand zum Stern betrifft – auch erdähnliche Planeten sind. Das können kaum alles Fehlschläge sein, was ihre Belebbarkeit betrifft", sagt Astrophysiker Manuel Güdel. Er ist überzeugt, dass Leben in einer gewissen Form auch an einem anderen Ort entstanden ist – oder entsteht. "Es gibt wenige Gründe, die dagegen sprechen."

Am Anfang war die Chemie

Als Leiter des Nationalen Forschungsnetzwerks "Pathways to Habitability: From Disks to Stars, Planets and Life" untersucht er gemeinsam mit rund 90 nationalen und internationalen ForscherInnen, welche physikalischen und chemischen Abläufe am Anfang der Planetenentstehung standen und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Leben möglich wird. "Anhand von Satellitendaten erstellen wir verschiedene Modelle, testen diese an unserem Sonnensystem und wollen am Ende erklären können, warum sich gewisse Planeten für Leben eignen – und andere nicht", so der Astrophysiker.

Wenn Planeten zu groß sind

Seit vier Jahren untersuchen die WissenschafterInnen dafür u.a. die verschiedenen astrophysikalischen Einflüsse, wie Sonnenlicht, Röntgenstrahlen und Sternwinde. "Wenn Planeten entstehen, so bilden sich zunächst massive Gashüllen, wie wir sie z.B. von Neptun oder Uranus kennen. Meine KollegInnen in Wien und Graz haben untersucht, was passieren muss, damit diese Hüllen durch den Einfluss des Sterns verschwinden und eine anständige Atmosphäre entstehen kann", erzählt der Forscher: Ist der Planet zu groß – und zwar nur etwas größer als die Erde –, sind die Gashüllen zu massiv und verschwinden nicht.


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Manuel Güdel: Über hunderte von Jahren haben nicht nur NaturwissenschafterInnen, sondern auch alle interessierten Menschen zentrale Fragen aus intellektueller Neugier gestellt: "Wie ist das Universum aufgebaut, wo kommen wir her, sind wir allein im Universum?" Gerade heute sind viele Antworten zum ersten Mal in Greifweite der ForscherInnen gerückt. Mit der Entschlüsselung der fundamentalen Mechanismen der Natur beginnen wir, unsere Herkunft und Zukunft zu verstehen. Als Wissenschafter steht man als privilegierter Vermittler der Erkenntnis auf der Bühne, es gehört deshalb zu den selbstverständlichen Aufgaben der ForscherInnen, das Publikum an dem spannenden Schauspiel der Wissenschaft teilhaben zu lassen."

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Lebenselixier Luft …

Das hat die ForscherInnen zur Frage geführt, wie der Stern die Evolution des Planeten genau beeinflusst. "Der Stern strahlt Röntgenlicht aus, das die Gashülle des Planeten aufheizt und so zu ihrem Abdampfen führt. Kurz gesagt: Leuchtet der Stern intensiv, verschwindet die Gashülle – aber wiederum nur, wenn der Planet nicht zu groß ist", so der Experte über ein weiteres Forschungsergebnis, das sein Team zum nächsten Problem führte: "Wie läuft das Leben des Sterns überhaupt ab, sprich: Wann leuchtet er wie stark?"

Auch hier haben WissenschafterInnen seines Teams, Theresa Lüftinger, Colin Johnstone und die Doktorandin Lin Tu, mittlerweile eine Antwort parat: Anfangs rotieren die Sterne schneller, produzieren daher starke Magnetfelder und somit auch mehr Röntgenstrahlen. "Mit der Zeit werden aber alle Sterne langsamer, weil die ausgestoßenen Winde die Sterne abbremsen", so Güdel.

Die aktuelle Frage lautet nun: Wie langsam oder schnell rotierten sie am Anfang? Das bestimmt nämlich die ganze zukünftige Entwicklung der Röntgenstrahlung und damit auch der Planetenatmosphären. "Im Moment untersuchen wir das genauer – wie wir es berechnen können, wissen wir bereits", schmunzelt der Astrophysiker.

… und Wasser

Neben der Atmosphäre ist es das Wasser, das unseren Planeten Erde überhaupt bewohnbar macht. "Aufgrund seiner hervorragenden chemischen und physikalischen Eigenschaften ermöglicht es die Entstehung von Leben", betont der Experte.

Für Leben jeder Art braucht es flüssiges Wasser. Doch wie kam das Wasser auf die Erde? "Auf unserem Planeten war es ursprünglich zu warm dafür", so Güdel und erklärt: "Das Wasser kam aus den Weiten des kühleren Sonnensystems zu uns." Wie das genau vor sich ging, darüber haben die Teamkollegen Thomas Maindl, Christoph Burger und Rudolf Dvorak aktuell sehr aufwändige Berechnungen am Laufen: "Wir wollen wissen, wie kleine Körper draußen im Sonnensystem kollidieren und wie über diese Kollisionen Wasser ins Innere des Sonnensystems gelangt."

Eine Voraussetzung für Leben auf einem Planeten ist eine anständige Atmosphäre. Doch wie entsteht diese? Anfangs sind nämlich alle Planeten mit einer massiven Gashülle – wie hier im Bild links der Planet Uranus – umgeben. Damit der Planet irgendwann keine Hülle mehr hat (Planet rechts), müssen mehrere Faktoren zusammenspielen. (Foto: NASA)

90 WissenschafterInnen für eine große Frage

Vom Einfluss der Sterne über den Wassertransport bis hin zur Veränderung der Atmosphäre: "Interdisziplinarität ist gerade in unserem Forschungsbereich absolute Voraussetzung, geradezu ein Markenzeichen", erklärt Manuel Güdel und ergänzt: "Wir verstehen erst dann, was die Maschine produziert, wenn wir das Zusammenwirken der vielen Zahnräder untersucht haben." Im hochdotierten Nationalen Forschungsnetzwerk ziehen daher die 90 AtmosphärenphysikerInnen, AstrophysikerInnen, GeophysikerInnen und DynamikerInnen an einem Strang. "Denn solch komplexe Zusammenhänge kann man nicht im Alleingang berechnen. Man muss das Wissen sammeln und in Verbindung setzen, dann neue Modelle berechnen", so der Leiter des groß angelegten Forschungsprojekts, das kürzlich vom FWF für weitere vier Jahre verlängert wurde.

Theorie und Realität verbinden

Laut dem Astrophysiker ist der Zeitpunkt dafür ideal: "In naher Zukunft gehen weltweit einige neue Observatorien in Betrieb." Die AstrophysikerInnen der Universität Wien und die ProjektpartnerInnen am Grazer Institut für Weltraumforschung beteiligen sich außerdem an mehreren Satelliten – bauen zum Teil deren Soft- und Hardware selbst – und bekommen von diesen künftig jede Menge verwertbares Datenmaterial. "Damit wollen wir in den nächsten vier Jahren unsere Computermodelle noch näher an die beobachtete Realität heranbringen, um schlussendlich eine Antwort auf die Frage zu finden: Auf welchen Planeten unserer Galaxie ist Leben möglich?" (ps)

Das Nationale Forschungsnetzwerk "Wege zur Habitabilität: Von Scheiben zu Sternen, Planeten & Leben" (FWF) läuft seit 1. März 2012 unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Manuel Güdel vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Im Jänner 2016 wurde es für eine weitere Periode bis 2020 verlängert.