Feuer aus dem Eis

"Kochbrunnen" werden die Löcher im Eis des Neusiedler Sees von der Bevölkerung genannt. Hermann Häusler vom Department für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien widerlegt in seinem Gastbeitrag die lange in Fachkreisen vertretene Annahme, dass aus unterirdischen Spalten warme Quellen in den Neusiedler See fließen.

In jedem strengen Winter bleiben an zahlreichen Stellen im Neusiedler See größere Bereiche eisfrei, die bekanntlich von Kite-Surfern, EisläuferInnen aber auch von WindseglerInnen sorgfältig gemieden werden. "Kochbrunnen" werden diese runden Stellen mit Durchmessern von wenigen Dezimetern bis zu hunderten Metern seit alters her genannt, und es kursiert noch immer die Vorstellung, dass warme Quellen diese eisfrei halten. Auch in der Fachliteratur wird vereinzelt nach wie vor die Meinung vertreten, dass im Seewinkel aus größeren Tiefen salzhältige Wässer an Störungen bis an die Oberfläche gelangt sind und dadurch die Entstehung der Salzböden mit ihrer berühmten Salzflora bedingt haben. In diesem Zusammenhang wird oft auf die nahe gelegene Martinstherme verwiesen, wo ja bei Frauenkirchen Thermalwasser erschlossen worden ist.

In einem Forschungsprojekt der Universität Wien untersuchten wir mit Unterstützung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung in zahlreichen Kochbrunnen die Wassertemperatur in verschiedenen Tiefen, um die Warmwasser-Hypothese zu verifizieren oder zu widerlegen.

Warme Quellen im Neusiedler See?

Nach mehreren Winterbefliegungen des rund 300 Quadratkilometer großen Neusiedler Sees wählten wir zunächst jene eisfreien Stellen aus, die vor Ort untersucht werden konnten. Die darauffolgende mehrtägige Geländekampagne umfasste dann Messungen der Wassertemperatur der eisfreien Stellen. In unterschiedlichen Wassertiefen versenkten wir dazu Datenlogger mit einer Messgenauigkeit von plus/minus 0,2 Grad Celsius an Markierungsbojen im See. Die Wassertemperatur erreichte nahe der Eisoberfläche durchschnittlich 2,29 Grad Celsius und das dichtere Wasser erreichte über dem Seegrund mit durchschnittlich 2,93 Grad Celsius die höchsten Werte.

Die minimalen Temperaturschwankungen lassen sich durch die vom Wind über offenen Stellen verursachte Wellenbewegung und somit Wasserturbulenzen erklären. Das Ergebnis dieser Messkampagne war somit eindeutig: Es gibt keine Zuflüsse warmer Tiefenwässer. Das Monitoring der Wassertemperatur an offenen Stellen zeigte in verschiedenen Tiefen klar die Abhängigkeit der Wassertemperatur von der Lufttemperatur. Ein punktueller Austritt von Thermalwasser aus dem Untergrund kann folglich bei den so genannten Kochbrunnen ausgeschlossen werden.


Ständige Gasaustritte halten die Eisdecke punktuell eisfrei. Das Tiefengas besteht zu 63 Prozent aus Methan, 35 Prozent aus Stickstoff und ca. 1 Prozent aus anderen Gasen. Eingefrorenes Methan verbrennt je nach Volumen mit bis zu meterhohen Stichflammen, bei Nacht ein spektakuläres Erlebnis.



Analyse vom Gas der Kochbrunnen


Zur Unterscheidung von Sumpfgas aus dem Schlamm des Neusiedler Sees analysierten wir das Gas der Kochbrunnen chemisch. Dazu wurden die Gasperlen unter Wasser in einem Trichter gesammelt und über einen Schlauch in einen zuvor mit Wasser gefüllten Glaszylinder, eine so genannte "Gasmaus" geleitet. Das Gas verdrängt das Wasser aus der Gasmaus und nach Schließen der Hähne an den beiden Enden des Glaszylinders kann die Gasprobe ins Labor gebracht werden.

In den 1990er Jahren untersuchten WissenschafterInnen erstmalig das Gas eines Kochbrunnens. Als Hauptkomponente konnte Methan analysiert werden, dessen Kohlenstoff-Alter aufgrund von C-14-Analysen älter als 50.000 Jahre ermittelt wurde. Somit kann die Entstehung "echter" Kochbrunnen auf eine Entgasung aus tieferen Schichten unter dem Seeuntergrund zurückgeführt werden. Schließlich waren ja die bekannten Gasaustritte vor Podersdorf und Rust ausschlaggebend für eine frühere Explorationstätigkeit der OMV im nördlichen Burgenland. Eine Herkunft von jungem (biogenen) Methan aus dem Seeschlamm konnte damals für den untersuchten Kochbrunnen vor Rust somit eindeutig ausgeschlossen werden. Unsere neuere Analyse bestätigte weitestgehend die älteren Messungen.

Geheimnis der Kochbrunnen gelüftet

Die Untersuchungen im Rahmen dieses Forschungsprojekts der Universität Wien haben somit eindeutig das Geheimnis der Kochbrunnen im Neusiedler See geklärt. Es konnte belegt werden, dass ausschließlich Gas den zugefrorenen See lokal eisfrei hält und damit wird die Meinung, dass offene Stellen im Eis durch warme Quellen entstehen, in das Reich der Sagen und Legenden verwiesen.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Hermann Häusler forscht und lehrt am Department für Umweltgeowissenschaften der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie.