Familienforschung: Einzelkinder bleiben öfter kinderlos

Fast ein Drittel der Einzelkinder in Österreich bleibt im Erwachsenenalter kinderlos. Auf Personen mit Geschwistern trifft das laut einer Studie der Universität Wien nur zu 18 Prozent zu. Die FamilienforscherInnen haben Daten aus vier Ländern ausgewertet.

"Sind Einzelkinder anders?" fragt der Titel der Studie, in der ein Team des Österreichischen Instituts für Familienforschung an der Universität Wien untersuchte, wie sich das Aufwachsen als Einzelkind etwa auf spätere Familiengründungen auswirkt. In der Wissenschaft wurden bisher vor allem soziale und kognitive Kompetenzen oder das Kooperationsverhalten von Einzelkindern erforscht, wohingegen ihr Verhalten im familiären Kontext im Erwachsenenalter bisher eher wenig Beachtung fand, so Studienautorin Christine Geserick.

Liberale Einstellung zu Familienthemen

Eines der überraschendsten Ergebnisse der Auswertung des internationalen Datensatzes aus Österreich, Frankreich, Russland und Norwegen sei, "dass es eine leichte, aber durchgängige Tendenz dahin gehend gibt, dass Einzelkinder liberalere Einstellungen haben", erklärte die Soziologin. Bei Fragen, mit denen Einstellungen zu Familien- oder Geschlechterthemen erhoben wurden, gaben sich Personen, die ohne Geschwister aufwuchsen, eher liberal.

Sie akzeptierten beispielsweise eher ein nicht-eheliches Zusammenleben, stimmten der Aussage, die Ehe sei eine "überholte Einrichtung", tendenziell öfter zu oder waren seltener der Ansicht, dass Kinder unter der Erwerbstätigkeit der Mutter leiden. Besonders in Österreich gaben Einzelkinder hier öfter Antworten, die gemeinhin als liberaler eingestuft werden können.

Familienplanung

Auch was das reproduktive Verhalten und die Familienplanung angeht, fanden sich Unterschiede. Neben dem Befund, dass österreichische Einzelkinder häufiger kinderlos bleiben, zeigte sich auch, dass sie öfter als andere nur ein Kind haben wollen. Etwas mehr als 20 Prozent gaben diese Präferenz an, wohingegen dieser Anteil bei Befragten aus Mehrkindfamilien nur knapp über 14 Prozent lag. Der Schluss, dass sich der Einzelkind-Status sozusagen weitervererbe, sei aber nicht zulässig. Vielmehr zeigte sich in weiteren statistischen Analysen etwa für Österreich, dass es eher Menschen mit akademischem Abschluss sind, die ihre Familienplanung nach einem Kind bereits abschließen.

Mehrheit wünscht sich zwei Kinder

Trotzdem ist der Wunsch nach einer großen Familie mit drei oder mehr Kindern unter Einzelkindern weniger verbreitet. Knapp neun Prozent wollen drei Kinder, bei Geschwisterkindern sind es fast 20 Prozent. Genau wie Menschen, die mit Geschwistern aufgewachsen sind, wollen aber auch Einzelkinder am häufigsten zwei Kinder.

Die Frage, ob nun Einzelkinder in Österreich tatsächlich hinsichtlich ihres Familienverhaltens und ihrer familiären Biografie anders sind, könne laut der Studie insgesamt "eher mit 'ja' beantwortet" werden als in den Vergleichsländern. Die Untersuchung könne jedoch nicht feststellen, ob Unterschiede tatsächlich durch die Sozialisation als Einzelkind verursacht werden oder stärker von Einflussfaktoren wie dem Einkommen oder dem Bildungsniveau abhängen, schränkt Geserick ein. (APA/red)