Drei START-Preise für die Universität Wien
| 19. Juni 2017Drei der sechs "START"-Forschungsförderungen 2017 gehen an die Universität Wien: Hannes Fellner wird sein START-Projekt am Institut für Sprachwissenschaft durchführen, Vera Fischer am Gödel Research Center der Fakultät für Mathematik und Claudine Kraft wird am Department für Biochemie und Zellbiologie forschen.
In das START-Programm des Wissenschaftsfonds FWF werden hervorragend qualifizierte NachwuchswissenschafterInnen mit einem herausragenden internationalen "Track-Record" aufgenommen. Die Projektdauer von bis zu sechs Jahren und das Fördervolumen von bis zu 1,2 Mio. Euro erlaubt es den START-PreisträgerInnen, längerfristig und finanziell abgesichert Forschungsarbeiten zu planen und eigene Arbeitsgruppen aufzubauen. Über die Vergabe entscheidet die Internationale START-/Wittgenstein-Jury auf Grundlage einer internationalen Begutachtung und eines Hearings.
START-Projekte an der Universität Wien
Am Montag, 19. Juni, gab der FWF die Wittgenstein- und START-PreisträgerInnen 2017 bekannt. Drei der sechs neuen START-Projekte sind an der Universität Wien angesiedelt: So wird der Sprachwissenschafter Hannes Fellner am Institut für Sprachwissenschaft zum Thema "Digitale Paläographie der Tarim Brahmi" arbeiten. START-Preisträgerin Vera Fischer vom Gödel Research Center der Fakultät für Mathematik untersucht die "Unendliche Kombinatorik und Definierbarkeit". Claudine Kraft wird sich am Department für Biochemie und Zellbiologie der Max F. Perutz Laboratories mit der "Funktion von Atg1/ULK1 in Autophagie" beschäftigen.
Hannes Fellner: "Die Zeichen, welche die Seidenstraße prägten. Eine Datenbank und digitale Paläographie der Tarim Brahmi"
MMag. Dr. Hannes A. Fellner, derzeit Assistenzprofessor an der Universität Leiden, studierte Sprachwissenschaft an der Universität Wien und Harvard University. Für seine Forschungsarbeiten erhielt er u.a. das Alan and Barbara Washkowitz Fellowship der Harvard University und den Career Grant der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). (Foto: privat)
Im Tarimbecken in der heutigen Region Xinjiang in China entstanden im Laufe des 2. Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung entlang der Handelswege der Seidenstraße unzählige buddhistische Gemeinden und Klöster. Diese waren, wie die mittelalterlichen Klöster Europas, Heimstätten einer Kultur des Schreibens. Die bedeutendsten Sprachen dieser Klöster waren die alten indogermanischen Sprachen Sanskrit, Tocharisch und Khotansakisch. Die wichtigste Schrift, in welcher diese Sprachen geschrieben wurden, war eine eigene zentralasiatische Form der aus Indien stammenden Brahmi-Schrift, die Tarim Brahmi. Die frühen Schrifttümer der geistigen Zentren des Tarimbeckens gehören zu den ältesten erhaltenen Textzeugnissen des Buddhismus.
Klassische Fragen der Paläographie
Das in Tarim Brahmi geschriebene Material war bisher auf viele unterschiedliche Ausgaben verstreut und zu einem großen Teil nicht computergestützt untersuchbar. Ziel des Projektes ist daher, alle in der Tarim Brahmi geschriebenen Texte in einer Online-Datenbank zugänglich zu machen und damit diese Schrift einer umfassenden paläographischen – also schriftkundlichen – Untersuchung zu unterziehen. Im Zentrum dieses Projekts stehen also die Fragen, wer was wann wo wie geschrieben hat. Diese klassischen Fragen der Paläographie, die in Bezug auf die Tarim Brahmi bisher nur für einen kleinen Teil des Materials gestellt und – wenn überhaupt – nur ansatzweise behandelt werden konnten, sollen mittels einer Verbindung aus qualitativen und quantitativen Methoden gelöst werden.
In der Datenbank werden sprachliche, philologische und paläographische Daten miteinander verknüpft. Die Texte werden direkt mit ihren digitalen Fotografien verbunden, was ein Suchen und Auffinden von einzelnen Zeichen, Zeichenkombinationen oder Wörtern im gesamten Textmaterial möglich macht. Darüber hinaus werden die quantifizierbaren Eigenschaften jedes einzelnen Zeichens bzw. jeder Zeichenkombination oder jedes Wortes mit Hilfe von Computerprogrammen herausgelesen und miteinander verglichen. Dies wird zum ersten Mal die Bestimmung von Schreiberhänden und -schulen ermöglichen und detaillierten Aufschluss über die regionalen und zeitlichen Varianten der Tarim Brahmi geben.
Neue linguistische und philologische Erkenntnisse
Beinahe alle Texte in allen mit Tarim Brahmi geschriebenen Sprachen sind in fragmentarischem Zustand. Eines der wichtigsten zu erwartenden Ergebnisse wird daher sein, dass es – gestützt auf die Paläographie – gelingen wird, die vielen kleinen Textteile zu größeren Einheiten zusammenzufügen. Indem damit neue Texte, Kontexte, Wörter und Wortformen aufgefunden werden, wird dies neue linguistische und philologische Erkenntnisse über Sanskrit, Tocharisch und Khotansakisch zeitigen. Die durch die Paläographie mögliche Datierung und Lokalisierung aller Texte wird ebenfalls neue Perspektiven auf die regionale, soziale und historische Schichtung der Sprachen und Texte geben. Dies wiederum wird die Verhältnisse der Sprachen und Texte zueinander erhellen, was wichtige Auswirkungen auf das Verständnis der Ausbreitung des Buddhismus in Zentralasien und von dort nach China haben wird.
Vera Fischer: "Unendliche Kombinatorik und Definierbarkeit"
Vera Fischer, Privatdoz., PhD, derzeit Universitätsassistentin am Kurt Gödel Research Center der Universität Wien, studierte Mathematik an der Universität Tübingen sowie an der York University und habilitierte sich 2016 an der Universität Wien. Für ihre Forschungsarbeiten erhielt sie u.a. den Teaching Award of the Faculty of Science and Engineering der York University sowie das Lise-Meitner-Stipendium des FWF. (Foto: privat)
Die Arbeiten von Georg Cantor im 19. Jahrhundert legten den Grundstein für das Forschungsgebiet der Mengenlehre. Seitdem haben die kombinatorischen Eigenschaften von unendlichen Mengen reeller Zahlen eine wichtige Rolle in der Analysis gespielt. Zwei bahnbrechende Entwicklungen auf dem Gebiet der Mengenlehre waren Kurt Gödels Konstruktibles Universum und Paul Cohens Forcing-Methode. Das vorliegende Projekt beschäftigt sich mit einigen der zentralen Fragestellungen der kombinatorischen Eigenschaften der Menge der reellen Zahlen, welche aus den oben genannten Phänomenen, Definierbarkeit und Unabhängigkeit, entstehen.
Claudine Kraft: "Funktion von Atg1/ULK1 in Autophagie"
Assoz. Prof. Mag. Dr. Claudine Kraft, Privatdoz. ist derzeit assoziierte Professorin an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien. Sie studierte Molekularbiologie an der Universität Basel sowie an der Universität Manchester und habilitierte sich 2015 an der Universität Wien. Für ihre Forschungsarbeiten erhielt sie u.a. den WWTF startup grant "Vienna Research Groups for Young Investigators" sowie den FWF stand alone grant. (Foto: privat)
In dieser Arbeitsgruppe soll das Wissen über die Funktion der Autophagie – dem zellulären Abfallsystem – vertieft werden. Der Prozess der Autophagie ist von der Hefezelle bis zum Menschen hoch konserviert und spielt eine wichtige Rolle. Defekte in diesem Abbauprozess wurden mit etlichen menschlichen Krankheiten in Verbindung gebracht, unter anderen mit Neurodegeneration und Krebs. Während der Autophagie werden zytosolische Bestandteile und Organellen in einem Doppelmembranvesikel, dem Autophagosom, eingeschlossen und zur Vakuole (in Hefezellen) oder zu den Lysosomen (in komplexen Eukaryoten) transportiert. In Hefe findet die Bildung von Autophagosomen an der perivakuolären, sogenannten prä-autophagosomalen Struktur (PAS) statt und wird von dem Atg1-Kinasekomplex reguliert. Mehrere für die Autophagie essenzielle Faktoren wurden beschrieben, ihr genauer Funktionsmechanismus blieb jedoch unaufgeklärt. Da Autophagosomen nicht konstitutiv, sondern nur nach bestimmten Stimuli gebildet werden, hilft die Untersuchung der Bildung dieser Organellen auch die Biogenese von Organellen zu verstehen.
Schlüsselfragen beantworten
Tiefere Einblicke in die Funktion und Regulation der Autophagie-Schlüsselkinase Atg1/ULK1 und der Formation von Autophagosomen sind essenziell, um die Regulation der Autophagie im Allgemeinen zu verstehen. Ziel ist es, die Mechanismen zu entschlüsseln, mit deren Atg1/ULK1 die Autophagie steuern. Es wird eine Kombination aus biochemischen, genetischen und zellbiologischen Techniken angewandt, darunter auch quantitative Massenspektrometrie- und Fluoreszenzmikroskopiemethoden. Des Weiteren wurde ein synthetisches in vivo System wie auch ein in vitro Rekonstitutionssystem entwickelt, um die Mechanismen im Detail erforschen zu können. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dann in vivo in der Hefe Saccharomyces cerevisiae und in Zelllinien aus Säugetieren weiter untersucht. Diese Experimente werden Einblicke in die Regulation der Autophagie sowie Antworten auf einige Schlüsselfragen der Organellenbiogenese im Generellen geben.