Die Schönheit der Tiere

Nicht nur Menschen, auch Tiere haben ein ästhetisches Empfinden. In einem aktuellen WWTF-Projekt untersucht Leonida Fusani vom Department für Kognitionsbiologie der Uni Wien, welche Rolle Schönheitsempfinden bei Menschen und Tieren in der Evolution spielt.

Minutenlang bereitet der Paradiesvogel seine Bühne vor, bevor er sie dann theatralisch betritt, um möglichen Partnerinnen mit seinem bunten Federnkleid tanzend zu imponieren. Dass das Schönheitsempfinden bei der Partnerschaftswahl in der Tierwelt eine große Rolle spielt, ist offensichtlich: "Gerade in der Vogelwelt findet man dafür besonders eindrucksvolle Beispiele, man denke nur an den Balztanz von Pfauen", sagt Kognitionsbiologe Leonida Fusani, der an der Uni Wien das WWTF-Projekt "Comparative aesthetics" leitet: "In diesem interdisziplinären Projekt gehen wir der Frage nach, warum Schönheit einen hohen Stellenwert bei Menschen und anderen Arten wie Vögeln einnimmt und welche evolutionäre Funktion, und gemeinsamen Wurzeln sie hat."

Sinn für das Schöne

"Viele denken, Schönheit zu bewerten, sei eine rein menschliche Eigenschaft. Selbst manche BiologInnen und Biologen sind skeptisch, wenn es um die Wahrnehmung von Attraktivität und das ästhetische Empfinden von Tieren geht", erklärt Fusani, der Tieren durchaus einen Sinn für das Schöne zuspricht. Das bereits genannte Balzverhalten von Vögeln ist für ihn ein wesentlicher Indikator dafür – und gehört auch zu seinen Forschungsschwerpunkten.


Historische Schönheit

Schon Charles Darwin hat sich mit der Ästhetik von Tieren beschäftigt. Seine Idee dazu war, dass diese Schönheitsmerkmale, wie z.B. besagte Pfauenfedern oder das Geweih beim Hirsch, Vorteile bei der Paarung bzw. der Fortpflanzung bringen. Und die "ästhetischen" Vorteile müssen die Nachteile, die sie für das Überleben haben (z.B. hohe Auffälligkeit), überwiegen. Dann werden sie evolutionär auch weitergegeben. "Viele von Darwins Kolleginnen und Kollegen waren gegen diese Theorie, und sie geriet mehr oder weniger in Vergessenheit", so Fusani. 

"Sex sells"

Seit Darwin haben sich nur wenige Wissenschafter*innen mit dem Thema Ästhetik bei Tieren befasst, und wenn dann eher mit einem mathematischen Zugang. "Mich überzeugt diese analytische Herangehensweise nicht", sagt der Verhaltensforscher: "Meine bisherigen Forschungsarbeiten, z.B. zum Balzverhalten von Manakin-Vögeln, zeigen, dass das Schönheitsempfinden von Tieren von dem der Menschen gar nicht sehr unterschiedlich scheint."

Die menschliche Seite

Ob und inwieweit die ästhetischen Prozesse bei Tieren und Menschen nun ähnlich sind, das herauszufinden ist das Ziel des WWTF-Projekts. Dazu arbeitet Fusani eng mit Helmut Leder, Vorstand des Instituts für psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden an der Universität Wien, zusammen. Leder, der in der Psychologie das Labor für "Empirical Visual Aesthetics" (EVAlab) leitet, das empirische Ästhetikforschung betreibt, übernimmt die "menschliche" Seite des Projekts.

In seinen Versuchen für das Projekt wird Leder den Proband*innen verschieden attraktive Gesichter zeigen und unterlegt diese dann mit unterschiedlichen Stimmen, um das jeweilige Schönheitsempfinden bzw. den "Anziehungsgrad" zu messen. "Schönheit, gerade bei der Partnerwahl, funktioniert ja über mehrere Sinne, nicht nur das Sehen", erklärt Leonida Fusani.

Sowohl Menschen als auch Tiere nutzen die beiden Kanäle Sehen und Hören ganz ähnlich, das ist bekannt, und so lässt sich ihr Verhalten diesbezüglich auch gut vergleichen. "Wie evaluieren Menschen und Tiere gleichzeitige Signale? Wo hören sie hin, wo schauen sie hin? Handelt es sich dabei um ähnliche Mechanismen? Das sind unsere Grundfragen bei den Experimenten", sagt der Kognitionsbiologe.

Zwei Lachtauben begegnen sich im Zuge der Experimente zur Erforschung des Balzverhaltens in einem eigens dafür entworfenen Apparat. Das Weibchen (links) und das Männchen (rechts) sind in benachbarten Kammern untergebracht, aber können sich nicht berühren, da ein Netz dazwischen gespannt ist. Das Männchen balzt das Weibchen an und sie schaut ihn mit dem linken Auge an. Das Balzverhalten wird von den ForscherInnen auf Video aufgezeichnet, um es analysieren zu können. (© Cliodhna Quigley)

Entspannte Tauben

Während Leder mit Menschen arbeitet, beschäftigen sich Fusani und Projektmitarbeiterin Cliodhna Quigley mit Lachtauben und ihrem Balzverhalten. "Die Tauben sind nicht scheu und zeigen ihr normales Balzverhalten unter Laborbedingungen. Das macht das Arbeiten mit ihnen sehr angenehm", sagt Quigley. Dazu haben Fusani und seine Kollegin einen eigenen Apparat entworfen, um mit den hauseigenen Tauben in der Althanstraße zu forschen.

Bei den Experimenten werden weiblichen Tauben Balztänze von Männchen via Video vorgespielt und beobachtet, wie die Weibchen auf die Gurr-Laute, Verbeugungen und das Abspreizen der Brustfedern reagieren. "Typisch für Lachtauben ist etwa, dass sie die Gurr-Laute synchron zum Senken des Kopfes von sich geben", erklärt die Verhaltensbiologin Quigley: "Mithilfe unserer Apparatur können wir diesen Vorgang desynchronisieren und schauen, ob der Balztanz nun für das Weibchen weniger attraktiv ist. Das merken wir daran, ob sie 'einsteigt' oder unbeteiligt wirkt."

Schönheit verstehen

"Im Gegensatz zu den Versuchen mit Menschen können uns die Tiere nicht sagen, welche Taube sie warum besonders attraktiv finden. Daher kombinieren wir neurophysiologische und Verhaltensmethoden der Kognitionspsychologie, die uns helfen, Attraktivität von Präferenz zu unterscheiden", so Fusani, der abschließend das Forschungsziel auf den Punkt bringt: "Unsere Studien werden zu einem differenzierten und tiefergehenden Verständnis der biologischen Rolle von Schönheit beitragen." (td)

Das WWTF-Projekt "Comparative aesthetics: A novel approach to investigate multi-modal attractiveness in humans and animals" unter der Leitung von Leonida Fusani vom Department für Kognitionsbiologie der Uni Wien läuft von 1. Juni 2019 bis 31. Mai 2022. ProjektpartnerInnen sind Helmut Leder vom Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden der Uni Wien sowie Cliodhna Quigley ebenfalls vom Department für Kognitionsbiologie und auch vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinische Universität Wien.