Der DNA-Rettungsdienst

Das Erbgut einer einzigen Zelle erleidet täglich rund 10.000 Beschädigungen. Im Normalfall werden diese Fehler von ihr selbst umgehend behoben. Die Biochemikerin Dea Slade und ihr Team von der Universität Wien beobachten diese Reparaturvorgänge, die auch bei Krebserkrankungen eine Rolle spielen.

Menschliche Zellen funktionieren im gesunden Zustand zwar meist wie eine zuverlässige, gut geölte Maschine, aber nicht immer läuft alles perfekt. Besonders fehleranfällig zeigt sich der Bauplan unseres Organismus, die DNA. Doch dank eines effizienten körpereigenen Reparaturtrupps bleibt der Mensch samt seiner Zellen überlebensfähig.

Wird eine defekte DNA allerdings nicht repariert, führt dies zu Mutationen bei nachkommenden Zellen, was u.a. Krebserkrankungen zur Folge haben kann. "Mehr als 50 Prozent der menschlichen Krebsleiden hängen mit Mutationen von Genen zusammen. Diese würden Zellen mit DNA-Schäden ansonsten daran hindern, zu wuchern", erläutert Biochemikerin Dea Slade, Leiterin der Forschungsgruppe DNA Damage Response an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) – ein Joint Venture der Universität Wien und der MedUni Wien am Vienna Biocenter.

Biochemikerin Dea Slade beantwortet die aktuelle Semesterfrage wie folgt:
"Forschung kann neue Therapiemöglichkeiten zur Behandlung von Krankheiten liefern, welche die Erkrankungen beseitigen, wenn nicht sogar ausrotten können. Allerdings können wir uns selbst am meisten helfen, indem wir einen gesunden Lebensstil pflegen. Konkret bedeutet dies: nicht rauchen, eine achtsame, ausgewogene Ernährung und ausreichend körperliche Betätigung. Vorbeugung ist die beste Heilung."

Die zelluläre Rettungsgasse

Ein Viertel aller Todesfälle in Österreich sind auf Krebserkrankungen zurückzuführen. Ein umfassenderes Verständnis der Reparatur fehlerhafter DNA in Zellen kann die Effektivität von Krebsbehandlungen steigern. In einem aktuellen WWTF-Projekt erforscht das Team um Dea Slade besagte Reparaturen der DNA in lebenden Zellen. Dazu beschädigen die WissenschafterInnen die DNA zunächst kontrolliert mit einem UV-Laser, um anschließend zu beobachten, durch welche Proteine die Schäden beseitigt werden.

Zellen sind kontinuierlich Stress ausgesetzt, der die DNA schädigt. Verantwortlich dafür sind u.a. sogenannte freie Radikale, die in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, entstehen. Zudem sind Fehler bei der Vervielfältigung der DNA keine Seltenheit. Ein Tag in der Sonne kann die Anzahl dieser Schäden aufgrund der UV-Strahlung um das Zehnfache erhöhen. Externe Faktoren wie etwa radioaktive Strahlung sind nochmals um ein Vielfaches gefährlicher. (Foto: Pixabay CC0)

In dem Forschungsprojekt untersuchen die ForscherInnen sogenannte Doppelstrangbrüche, also Brüche beider Nukleotidketten der DNA. Das Erbgut wird mit einem UV-Laserstrahl durchtrennt. "Da die Zelle dabei nicht abstirbt, können wir am lebenden Organismus beobachten, welches Protein wann zur Rettung eilt", erklärt Projektleiterin Dea Slade.

Ein Krisenherd aus mehreren Perspektiven

Während sich ein Teil der Forschung um die Mechanismen der reparierenden Proteine in der Zelle dreht, liegt der zweite Fokus auf der Entwicklung und Optimierung der hochauflösenden Mikroskopietechniken, welche die WissenschafterInnen zur Beobachtung verwenden. Das Forschungsprojekt beinhaltet neben biochemischen Aspekten auch Fragestellungen aus der Physik und der Zellbiologie. Deshalb arbeitet Dea Slade mit einer Reihe von ExpertInnen zusammen: Josef Gotzmann, Leiter der BioOptics Facility der MFPL, und Kareem Elsayad, Leiter der Advanced Microscopy Facility des Vienna Biocenters, liefern etwa die notwendige technische Expertise für simultane Beobachtungen von Interaktion und Rekrutierung zweier Proteine in einer lebenden Zelle.

Die DNA im Zellkern einer menschlichen Zelle wird mit einem UV-Laser beschädigt. Fluoreszenz-markierte DNA-Reparaturproteine werden innerhalb weniger Sekunden an die Stelle des DNA-Schadens rekrutiert. Das System ermöglicht die zeitgleiche Beobachtung von zwei unterschiedlichen Reparaturproteinen in derselben Zelle. (Video: Universität Wien)

Dank dieser Zusammenarbeit gelang es der Forschungsgruppe, ein in Österreich einmaliges System zur simultanen Beobachtung von zwei Proteinen in Echtzeit zu entwickeln. "Die gleichzeitige Beobachtung mehrerer Reparaturproteine ermöglicht es uns, ihr Zusammenspiel in verschiedenen Szenarien zu analysieren, zumal es bislang kaum Erkenntnisse hierzu gibt, geschweige denn die dafür notwendige Technik", so die Wissenschafterin.

Medikamente, die an jenen Reparaturmechanismen ansetzen, werden beispielsweise bereits für die Therapie von Brust- und Eierstockkrebs verwendet. Allerdings ist die Behandlung bislang mit Nebenwirkungen verbunden. Die WissenschafterInnen um Dea Slade wollen durch ihre Forschungen einen Beitrag zum Verständnis der beteiligten Reperaturmechanismen leisten und damit helfen, effektivere Behandlungsmethoden zu entwickeln. (hma)

Das WWTF-Projekt "Imaging recruitment of chromatin remodelling proteins to the sites of DNA damage induced by laser microirradiation" läuft von 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2018 unter der Leitung von Dr. Dea Slade von der Forschungsgruppe DNA Damage Response der Max F. Perutz Laboratories (MFPL), in Kooperation mit MFPL BioOptics und der Advanced Microscopy Facility des Vienna BioCenters.