Arbeit und Leben im Yukon-Territorium

Mit dem kanadischen Yukon verbindet man Bilder von Goldgräbern im "Klondike-Goldrausch" des 19. Jh. Aber wie leben und arbeiten die Menschen dort heute? Ein Team der Universität Wien untersucht die Situation von BergbauarbeiterInnen – im Spannungsfeld von lokalen und "eingeflogenen" Arbeitskräften.

Mit dem Thema mobile Arbeit in der Rohstoffindustrie des arktischen Raums setzt sich Gertrude Eilmsteiner-Saxinger vom Institut für Kultur-und Sozialanthropologie der Universität Wien schon seit langem auseinander. In ihrer Dissertation im Rahmen des FWF-Projekts "Lives on the Move" – geleitet von Heinz Faßmann am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien – beschäftigte sie sich als Postdoc mit der Erdöl- und Erdgasindustrie in Russland.

Ihre in diesem Rahmen erarbeitete Expertise war für die kanadische Forschungsinitiative ReSDA (Resources and Sustainable Development in the  Arctic), für das Yukon-College in Whitehorse (Kanada) sowie für die Lakehead Universität in Thunderbay (Kanada) ausschlaggebend, die Sozialanthropologin einzuladen, sich auch die Situation der mobilen Arbeitskräfte in der Bergbauindustrie des Yukon-Territoriums anzuschauen.



Die zunehmend höher technisierte und in den letzten Jahren stark wachsende Rohstoffindustrie im Yukon benötigt fortwährend eine hohe Anzahl an qualifizierten ArbeiterInnen.



"Im dünn besiedelten Yukon-Territorium gibt es ständig Bedarf an Arbeitskräften. So ist ein dichtes Netz an Flugrouten und 'Pickup-Points' entstanden, um ArbeiterInnen aus mitunter tausenden Kilometern Entfernung ein- und auszufliegen", erklärt Gertrude Eilmsteiner-Saxinger. Heute sind etwa 90 Prozent der ArbeiterInnen der Bergbauindustrie externe Kräfte, und nur rund zehn Prozent sind First Nations aus der Umgebung.

Ökonomische Umbrüche

Auch wenn der "Klondike-Goldrausch" aus dem Jahr 1896 lange vergangen ist, markierte dieser für die Region des Yukon-Territoriums den Beginn eines wirtschaftlichen Wandels. Neben landbezogenen Tätigkeiten und Wirtschaftsweisen, wie Jagen, Fischen und Fallenstellen für den Pelzhandel, kam – mit den ersten Goldfunden – die Lohnarbeit für die UreinwohnerInnen als Wirtschaftsform auf.

"Im ausklingenden 19. Jahrhundert gab es die ersten Umwälzungen im ökonomischen System der Region: Viele Menschen wurden LohnarbeiterInnen, u.a. in der Holzzuliefererindustrie aber auch als Guides für die GoldsucherInnen. Im Grunde hat ab diesem Zeitpunkt ein Wechsel von einer unabhängigen Wirtschaftsweise zu einer 'Zuarbeit' und zu Angestelltenverhältnissen stattgefunden", erklärt die Dissertantin Susanna Gartler, die sich in ihrer Doktorarbeit auf das Thema Subsistenzwirtschaft im Yukon-Territorium fokussiert.



Das Foto zeigt eine Gruppe von Bergarbeitern des Klondike-Goldrauschs im Jahr 1898, zwei Jahre nach Ausbruch des Goldfiebers am Yukon. Der Goldrausch bedeutete für das Yukon-Territorium einen Wandel im ökonomischen System. (Foto: Wikipedia)



"First Nations" und die Bergbauindustrie


Die lokale Bevölkerung geht zwar nach wie vor auch landbezogenen Tätigkeiten nach, jedoch hat sich die Lohnarbeit in der Region fest etabliert. Die 14 "First Nations", wie die indigenen Gemeinden des Yukon-Territoriums genannt werden, haben im Verlauf der 1980er und 90er Jahre eine weitgehende Autonomie mit der kanadischen Zentralregierung ausgehandelt. Dies ist auch der Fall bei der "Na Cho Nyak Dun" First Nation, einer Tutchone-Gruppe im Zentralyukon bei denen Eilmsteiner-Saxinger und Gartler forschen.

"Die 'First Nations' als Besitzer des Landes handeln in sogenannten 'Community Benefit Agreements' mit der Bergbauindustrie einen gewissen Prozentsatz an Arbeitsplätzen inklusive Qualifizierungsaktivitäten für die lokale Bevölkerung aus. Ebenso werden Entschädigungszahlungen für die industrielle Nutzung ihres Territoriums wie auch Entwicklungsinitiativen für den Ausbau einer von den 'First Nations' betriebenen Zulieferindustrie verhandelt ", erklärt die Sozialanthropologin Eilmsteiner-Saxinger.

Verhandlungen über Arbeitsstellen für die lokale Bevölkerung, aber auch ökologische Bedenken gegenüber Auswirkungen von u.a. Flussumleitungen der Bergbauindustrie führen dabei regelmäßig zu kleineren und größeren Konflikten.



Die Dorfältesten sind wichtige InformantInnen zur Geschichte der Interaktion zwischen First Nation-Gemeinde und Rohstoffindustrie.



Machtverhältnisse am "geo-politischen Hotspot" Yukon

In diesem Kontext interessiert sich Gertrude Eilmsteiner-Saxinger besonders für die auftretenden Machtverhältnisse und Interaktionen zwischen der Rohstoffindustrie und den indigenen Gemeinden. "Das Yukon-Territorium ist ein Gebiet von höchster Relevanz im Bereich des Rohstoffabbaus und hat sich, wie andere sub-arktische Regionen der Welt, zu einem geo-politischen Hotspot entwickelt. Da ist es aus anthropologischer Sicht interessant zu untersuchen, wie die Rohstoffpolitik das Leben der dort ansässigen Menschen beeinflusst." Ziel der Forschungsarbeit ist es auch, lokale Konflikte besser zu verstehen und gemeinsam mit den lokalen Gemeinden Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Lizenz zum Forschen

Methodisch betont die Forscherin die Bedeutung der intensiven Interaktion zwischen Forschenden und "Beforschten". "Wir handeln mit den lokalen Communities aus, welches Wissen sie wollen und brauchen. Erst dann bekommen wir die 'Research-License' von der Gemeinde, erklärt Eilmsteiner-Saxinger. Das Team arbeitet mit einem sogenannten "Community Based Research Approach". Dieser methodische Ansatz inkludiert das sogenannte indigene Wissen und verbindet es mit akademischen Erkenntnissen. Von den Ergebnissen sollen die Communities nämlich profitieren – sie sollen nicht im wissenschaftlichen Elfenbeinturm verschwinden: Geplant ist ein "Mobility-Companion-Guide", eine Art Handbuch, in dem die Erfahrungen der BergbauarbeiterInnen, beispielweise "Do's and Don'ts" wenn man mobil und zyklisch in Arbeitercamps lebt, in nicht-akademischer Sprache geschildert werden. (fh)


Neben Gertrude Eilmsteiner-Saxinger als "Principal Investigator" des Forschungsprojekts ist auch die Dissertantin Susanna Gartler vom Institut für Kultur-und Sozialanthropologie der Universität Wien im Projekt involviert. Betreut wird Gartler dabei von dem Ethnologen und "Arktis-Experten" Peter Schweitzer, der ebenfalls am Institut für Kultur-und Sozialanthropologie der Universität Wien tätig ist. Des weiteren ist Tara Cater von der Universität Ottawa Teil der Forschungsgruppe. Die kanadische Forscherin untersucht im Vergleich ebenfalls Themen der mobilen Arbeit. Ihr Fokus richtet sich auf die Region "Nunavat" in Nordkanada. Außerdem begleiten Chris Southcott, Soziologe an der Lakehead Universität Ontario, und Valeree Walker vom Yukon Research Center das Forschungsprojekt. Finanziert wird das Projekt von der Regierung des Yukon-Territoriums und vom kanadischen Social Sciences and Humanities Research Council (SSHRC).