Was ist Ihr Motivationssatz?
| 07. April 2020Eine erste Lockerung der COVID-19-Schutzmaßnahmen ist in Sicht – nun gilt es, sich selbst zum Durchhalten zu motivieren. Brigitte Lueger-Schuster, Leiterin der Arbeitsgruppe Psychotraumatologie, erklärt, wie man positiv und motiviert zum Ziel kommt.
Motivation hat viel mit Instinkten zu tun, die der Bedürfnisbefriedigung dienen. Bei Babys ist es zum Beispiel das Bedürfnis, den Hunger zu stillen, welches sie oft lautstark zum Ausdruck bringen. Babys können so ihre Bedürfnisse befriedigen und wieder ins Gleichgewicht kommen.
Welche Handlungen bringen uns ans Ziel?
Diese Instinkte haben also mit dem Überleben zu tun. Im Laufe der Entwicklung kommen viele gelernte Motive hinzu, zum Beispiel das Motiv, etwas zu erleben. Motiviertes Verhalten gibt es aber auch, wenn die physiologischen Bedürfnisse befriedigt sind. Hier geht es um die Aktivierung von Emotionen, etwa von Angst. Emotionen sind eine Kombination aus psychophysischen Reaktionen, aktiviert durch zentralnervöse Aktivitäten. Man spürt sich also, und man spürt die Emotionen.
Wie kommt man aber vom Spüren zum angemessenen Handeln? Umgelegt auf die aktuelle COVID-19-Situation: Wie kann ich die Furcht vor dem Virus und der möglichen Erkrankung spüren und in richtige langfristige Handlungen umsetzen?
Coronavirus: Wie es unser Leben verändert
Von neuen familiären Abläufen bis hin zu den Auswirkungen auf Logistikketten: Expert*innen der Universität Wien sprechen über die Konsequenzen des Coronavirus in den unterschiedlichsten Bereichen. (© iXimus/pixabay) Zum Corona-Dossier
Sorgen sind keine guten Helfer
Wir wissen, dass wir nicht für immer in Isolierung leben können, Home Office und geschlossene Geschäfte und Lokale sind keine Dauerlösung. Wir wissen allerdings nicht, wann der Zeitpunkt für eine Rückkehr ins alte Leben kommen wird – Unbehagen, Ungeduld und Frust machen sich breit. Unsere Emotionen signalisieren uns, ob etwas gut oder schlecht ist, gefährlich oder ungefährlich, lustvoll oder nicht – und mit welchen Verhaltensweisen wir am besten darauf reagieren können.
Das Gefühl sagt uns: COVID-19 ist gefährlich, wir haben Furcht. Die gelernte Verhaltensweise bei Furcht ist Flucht bzw. Verteidigung. Gleichzeitig wird uns mulmig bei der Vorstellung, bis deutlich nach Ostern zu Hause zu bleiben. Dazu mischen sich Sorgen um die Existenz, die Zukunft, der Drang nach Gemeinschaft und Bewegung, der Stress in der kleinen Wohnung, die neue Tätigkeit als Hauslehrer*in für die eigenen Kinder – und das alles auch noch ziemlich lange!
Ich will etwas von innen heraus
Wir wissen aus der Forschung, dass die sogenannte intrinsische Motivation die beste ist, wenn es um die Handlungsumsetzung geht. Das heißt: Wir sollten etwas von innen heraus tun wollen, aus Überzeugung oder Freude – zum Beispiel das Schreiben dieses Beitrags hier. Belohnung von außen wirkt negativ, beinahe zerstörerisch auf die intrinsische Motivation und es ist ja auch keine Belohnung von außen zu erwarten. Anders formuliert: Der Wille, das Richtige zu tun, sollte von innen kommen.
Die positive Perspektive zählt
Aber wie steht es um die Motivation, etwas zu tun, was uns weder Freude bereitet, noch von innen herauskommt, sondern durch äußere Umstände erforderlich ist? Wenn noch dazu diese äußeren Faktoren (Virus, Home Office, Hauslehrer*innentätigkeit, wirtschaftliche Sorgen) so bedrohlich und vielfältig sind, und wir keine echte Zeitperspektive haben? Konzentration auf das Wesentliche bietet hier eine Perspektive, das bedeutet: Konzentrieren wir uns darauf, das Erforderliche zu tun, also zu Hause bleiben, uns selbst und andere schützen.
Wir können einen kausalen Zusammenhang zwischen den externen Ursachen, unseren Handlungen und dem Erfolg herstellen. Auf den Punkt gebracht: Ja, es gibt COVID-19, ja die Gefahr, zu erkranken, ist groß. Und ja, es ist bedrohlich und ja, wir wollen nicht ins Krankenhaus und schon gar nicht auf die Intensivstation. Wir wollen auch nicht, dass derartiges unseren Liebsten passiert. Wir wollen gesund bleiben, das ist die richtige und konsequente Entscheidung. Wir wollen alles tun, um uns zu schützen! So lautet unser aktuelles Interesse.
Suchen Sie Ihren Satz!
Genau das machen wir uns zur Aufgabe. So lautet die Botschaft, die man sich immer wieder sagen kann, wenn es einen Schub der Verzweiflung gibt, wenn Sie nicht mehr wollen, wenn Sie genug haben. Stellen Sie zwischen der Tätigkeit und dem Ziel einen Zusammenhang her, also zum Beispiel: "Ich tue, was gefordert ist, um gesund zu bleiben und das tue ich für mich und meine Familie, meine Freunde, mein Team und letztlich auch für die Gesellschaft, in der ich lebe".
Diesen einen Satz können Sie von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag auffrischen, doch zuvor: Bitte formulieren Sie IHREN Satz. Er muss für Sie stimmen, er muss sich für Sie gut anfühlen. Wenn Sie Ihren Satz gefunden haben, nützen Sie ihn, so oft Sie ihn brauchen.
Brigitte Lueger-Schuster ist Professorin am Institut für Klinische und Gesundheitspsychologie der Universität Wien und Leiterin der Arbeitsgruppe Psychotraumatologie. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Missbrauch in Institutionen, Psychosoziale Folgen von traumatischem Stress, Bewältigungsstrategien, Resilienz, Komplexes Trauma, Komplexe PTSD, Beurteilung von traumabedingten Störungen sowie Menschenrechtsverletzungen. ( © Petra Schiefer)