Ute Hassmann: Vollzeit als Herausforderung

"Der Back-to-Research Grant gibt mir die Möglichkeit, ohne finanzielle Sorgen wieder in die Forschung einzusteigen", so die junge Chemikerin und Mutter Ute Hassmann. In ihrem Fall ist das die Erforschung gesundheitsfördernder Lebensmitteleffekte.

 Ich habe Chemie studiert …
… weil mir Chemie in der Schule von Beginn an Spaß gemacht hat. Es ist ein sehr logisches Fach und jede theoretische Erkenntnis lässt sich in einem praktischen Versuch beweisen.

Meine Forschung …
… bewegt sich im Feld der "Nutrigenomics". Ausgangspunkt ist, gesundheitsfördernde Lebensmitteleffekte zu identifizieren und zu untersuchen. Die Erklärungskette zwischen gesundheitsförderndem Lebensmittel und eintretendem Effekt bei einer Person wird in meinem Ansatz jedoch um die genetische Ausstattung einer Person – also seiner DNA – als kritische Einflussgröße auf diesen Effekt erweitert. Dieser Ansatz ist aktuell völlig neu und seine Erforschung befindet sich noch am Anfang. In der Medizin ist man sich schon seit einigen Jahren der Tatsache bewusst, dass z. B. Chemotherapeutika sehr unterschiedlich bei Menschen wirken können, je nachdem wie die genetische Ausstattung ist. Diese Erfahrungen stützen nicht nur unsere Hypothese. Sie zeigen auch, wie relevant es für die Wirksamkeit einer Substanz ist, dass der Mensch durch seine entsprechende genetische Ausstattung diese auch verwerten kann.

Die größte Herausforderung auf meinem bisherigen Weg war …
… eine Humanstudie mit über 60 TeilnehmerInnen in Australien über einen Zeitraum von drei Monaten zu organisieren und zu leiten. Mithilfe des sehr netten und hilfsbereiten australischen Lab-Teams sowie einer sehr guten Organisation, frühzeitigem Planen der jeweiligen Studienabschnitte und dem Erkennen, wann ich Hilfe benötige sowie vielen, vielen Überstunden habe ich die Aufgabe gemeistert.


Back-to-Research Grant: Das Förderprogramm – ursprünglich an der Fakultät Geowissenschaften vom Wissenschafterinnen-Netzwerk nowaGEA konzipiert und entwickelt – wurde 2013 erstmals auf die Fakultät für Lebenswissenschaften sowie die Fakultätscluster Mathematik/Informatik und Physik/Chemie ausgeweitet. Im Rahmen der Fördermaßnahme erhält eine Wissenschafterin einen Arbeitsplatz an der Universität Wien, um dort ihren Forschungsantrag professionell auszuarbeiten und einzureichen bzw. ihre Publikation fertig zu stellen. Voraussetzung ist, dass sich die Bewerberin in der Postdoc-Phase befindet, keine längerfristige Anstellung hat und ihre Forschungsaktivitäten in Zusammenhang mit der Kinderbetreuung reduzieren oder sogar ganz aufgeben musste.


 
Das Hauptproblem beim Wiedereinstieg in den Wissenschaftsbetrieb ist …
…, dass man meist nicht wieder wirklich Vollzeit einsteigen kann. Entweder es gibt ein Betreuungsproblem, so dass man einige Stunden nicht so einfach überbrücken kann, oder das Kind wird krank bzw. die Kinderkrippe macht Urlaub. Für den Arbeitsmarkt wird man dadurch unattraktiver: In unserer Arbeitsgesellschaft werden volle Flexibilität und – wenn nötig – Überstunden jederzeit erwartet. Darüber hinaus wird eine Frau mit Kind nicht mehr gleichwertig ernst genommen wie eine ohne Kind. Latent wird einer Mutter ständig unterstellt, dass sie ihren Lebensmittelpunkt nun definitiv nicht mehr in ihrer Arbeit sieht und deshalb weniger zielstrebig und einsatzbereit sei.
 
Ich habe mich um den Back-to-Rearch Grant beworben …
… um mir damit den Raum zu schaffen, ohne finanzielle Sorgen wieder in die Forschung  einzusteigen. Wissenschaftliche Assistenzstellen sind rar und hoch kompetitiv. Durch eine eigene projektgebundene Förderung bin ich erstmal finanziell unabhängig und kann mich so in einer Arbeitsgruppe erneut etablieren. Konkret steht noch eine Publikation meiner Forschungen in Australien aus, die ich einreichen möchte. Anschließend werde mich um eine FWF-Einzelprojektförderung bemühen – der nächste Schritt ist dann die Habilitation.
 
Wie sollen Frauen in der Wissenschaft gefördert werden?

Nicht die Frauen selbst, sondern die Betreuung ihrer Kinder muss stärker gefördert werden. Sei es mit einem Angebot der Universität von genügend Krippenplätzen für Kleinkinder aber auch einer Nachmittags- und Abendbetreuung von Kindergarten- und Schulkindern. Nur wenn eine gute Versorgung der Kinder gewährleistet ist und durch die Unterbringung in einer Betreuungseinrichtung keine Zeit durch lange Wegstrecken verloren geht, können sich Mütter wieder voll auf ihren Beruf konzentrieren. (red)


Ute Hassmann hat 2000 mit dem Studium der Lebensmittelchemie und Toxikologie an der Universität (TH) Karlsruhe und 2006 ebendort mit der Promotion bei Doris Marko (Erforschung des antioxidativen Potentials von Kaffee) begonnen. 2009 wechselte sie an das Institut für Analytische Chemie und Lebensmittelchemie der Universität Wien, wo ihr 2009 der Doktortitel verliehen wurde. Anschließend forschte sie als Postdoc am Institut für Analytische Chemie und Lebensmittelchemie sowie am Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien. Von 2010 bis 2011 war sie Visiting Research Fellow am Genomics Reserach Centre der Griffith University in Australien. Dort suchte sie nach dem Zusammenhang zwischen dem genetischen Hintergrund eines Menschen und seiner Fähigkeit, auf antioxidative und chemopräventive Lebensmittel zu reagieren und führte eine humane Interventionsstudie durch. Anschließend kehrte sie als wissenschaftliche Assistentin ans Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie zurück. Im Juli 2012 wurde ihre Tochter geboren.