Universität als Kampfzone

Mit der Ausstellung "Die Universität. Eine Kampfzone" wirft das Jüdische Museum Wien einen Außenblick auf 650 Jahre jüdisch-universitäre Geschichte. Zeithistoriker Herbert Posch war als wissenschaftlicher Berater beteiligt. Im Interview spricht er über Faschismus und die Verantwortung der Wissenschaft.

uni:view: Sie haben das Jüdische Museum Wien im Zuge der Gestaltung der Ausstellung "Die Universität. Eine Kampfzone" wissenschaftlich beraten. Wie lief das ab?
Herbert Posch: Die AusstellungsmacherInnen haben sich dem Thema Universität und Judentum im Austausch mit WissenschafterInnen angenähert. Zu konkreten Einzelfragen wurde wissenschaftliche Expertise eingeholt, aber es gab auch Podiumsdiskussionen mit ForscherInnen, u.a. mit Mitchel Ash, Linda Erker, Gabriella Hauch, Margit Reiter und Oliver Rathkolb von der Universität Wien. Die Ergebnisse sind zum Teil im Ausstellungskatalog abgedruckt, dienten aber vor allem der Orientierung der KuratorInnen. Eine anregende, spannende Herangehensweise ans Ausstellungsgestalten.

uni:view: Können Sie schon verraten, was es zu sehen geben wird?
Posch: Viele Dokumente, viele Objekte – ich bin selbst gespannt! Die Ausstellung nähert sich dem Thema in drei Schritten. Einerseits anhand einer interessanten, aber weitestgehend vergessenen Analyse, die Gerson Wolf zum 500-Jahr-Jubiläum der Universität Wien durchführte. Er selbst studierte in Wien, kurz nachdem die Universität für Juden zugänglich war, erzählt von seinen eigenen Erfahrungen und kommentiert die Erinnerungskultur der Universität. Man begibt sich sozusagen auf eine Zeitreise mit diesem jüdischen Historiker und vergleicht damals und heute. Darüber hinaus wird auf Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zurückgegriffen, in dem Zeitschriften ausgewertet wurden. Da geht es um die Universität als Lebenswelt und die gesellschaftlichen Funktionen von Universität. In einem dritten Teil steht die künstlerische Auseinandersetzung im Vordergrund, da verschränken sich zeitgenössische Kunstobjekte und historische Dokumente.

Im Zuge der Ausstellung hat das Universitätsarchiv dem Jüdischen Museum Wien ein besonderes Dokument für politischen Protest und Zivilcourage geborgt: das mehrfach zerrissene Doktordiplom von Dr. Friedrich Brügel. Er schickte das zerrissene Dokument an das Rektorat und ließ seinen Namen aus der DoktorInnenliste streichen, um sich von den austrofaschistischen Praktiken der Universität Wien zu distanzieren. (Foto: Herbert Posch, Rektorat GZ 375 ex. 1931/32)

Bei der Ausstellung geht es um die Universitäten als Struktur. Aber da die Universität Wien lange Zeit die einzige Universität war, ist in der Ausstellung ein gewisser Fokus zu erkennen. Objekte wird es daher auch aus dem Universitätsarchiv geben, der wohl reichste Fundus zu diesem Thema. Die Universität Wien ist international gesehen in der raren Position, noch viele Objekte aus ihren Frühzeiten zu haben.

uni:view: Die Universität Wien öffnete ihre Türen erst 1782, rund 417 Jahre nach ihrer Gründung, für jüdische Studierende. Wie sahen die Anfänge des jüdischen Lebens an der Universität Wien aus?
Posch:
Im Judentum lag ein hoher Fokus auf Bildung, die Öffnung der Universitäten wurde daher überproportional stark angenommen. Die Zahl jüdischer Studierender stieg – und parallel dazu ein akademischer Antisemitismus. Und das, obwohl die klingendsten Namen der Universität Wien die jüdischer Studierender waren. Ich möchte diese WissenschafterInnen aber nicht auf ihr Jüdischsein reduzieren und kann sie genauso gut als österreichische, niederösterreichische oder ungarische Wissenschafter attribuieren. Jüdisch ist ja nicht immer ein selbstgewähltes Identitätsmerkmal, sondern teilweise eine Zuschreibung von außen.

uni:view: Die antisemitischen Ausschreitungen an der Universität nahmen bis 1945 kontinuierlich zu – wie konnte es dazu kommen?
Posch:
Unsere Idee von Universität ist stark von 1968 geprägt: alternatives Denken, gegenhierarchische Strukturen, Studierendenrevolutionen, Universität als Ort von Demokratie. In diesem Sinne funktionierte Universität in der Ersten Republik aber nicht. Man müsste meinen, Reflexion mache gegen manipulative, politische Strategien immun, die Realität verlief damals – begünstigt durch den Zerfall der Monarchie und die herrschende Wirtschaftskrise – aber gegenteilig. Die Universität Wien war stark antidemokratisch und deutsch-national bis nationalsozialistisch geprägt.

In der Aula der Universität Wien erinnert eine Tafel an die Zeit des Nationalsozialismus. "Die Inschrift an der Wand ist ein starkes Symbol für das, was die Universität heute vertritt. Doch das allein reicht nicht aus, es braucht einen stetigen Prozess der Auseinandersetzung", so Herbert Posch.

uni:view: Wie hat sich die Universität Wien gewandelt?
Posch:
Im Eingangsbereich der Universität Wien thronte lange der deutsch-national aufgeladene Siegfriedskopf – ein harter Stein des Anstoßes, gegen den unzählige Studierenden-Generationen gekämpft haben. Dieser wurde in den Arkadenhof verrückt und durch zwei Inschriften ersetzt, ein Mission-Statement für Freiheit der Wissenschaft und die Achtung der Menschenrechte. Und für diese Werte einstehen ist meiner Meinung nach die zentrale gesellschaftliche Aufgabe der Universität. Dazu gehört auch die stetige Auseinandersetzung mit Zeiten, in denen das nicht so selbstverständlich war. Das hat sich die Universität Wien – nicht nur im Jubiläumsjahr – zur Aufgabe gemacht. (hm)

Ausstellung: Die Universität. Eine Kampfzone.
Jüdisches Museum Wien
3. Nov. 2015 bis 28. März 2016
Museum Dorotheergasse, 1010 Wien
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