Think Big!
| 17. März 2014Die neue Ausgabe des Alumni-Magazins "univie" ist da! Diesmal geht es schwerpunktmäßig um Wissenschaft im Zeitalter von Big Data und Supercomputing. Lesen Sie hier die Coverstory aus dem druckfrischen Heft.
Derzeit ist der Satellit Gaia unterwegs, um eine 3D-Himmelskarte unserer Galaxie zu erstellen. Mit einer Präzision, die neue Maßstäbe setzen wird. "Eine der größten Schwierigkeiten bei der Erforschung des Weltalls ist die Bestimmung von Entfernungen", sagt João Alves, Professor für Stellare Astrophysik an der Universität Wien, der für Österreich an der Mission der European Space Agency ESA beteiligt ist. Mit Gaia können die Positionen von Sternen direkt vermessen werden – und das mit einer Genauigkeit, mit der man eine Euro-Münze auf dem Mond erkennen könnte.
Noch ist Gaia unterwegs zu seinem Zielpunkt, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Doch schon bald werden die ersten Daten am Institut für Astronomie eintreffen. In nur fünf Sekunden funkt der Satellit Informationen an die Bodenstationen der ESA, hier werden die riesigen Datenmengen reduziert und vorbearbeitet, erst dann gelangen die Daten zu den Wissenschaftern nach Wien. Sie werden die Astronomen vor neue Herausforderungen stellen. Denn die Daten werden so groß sein, dass sie mit herkömmlichen Computern nicht mehr zu bearbeiten sind.
"Diese Lawine an Daten, die wir heute von Satelliten und Teleskopen bekommen, ist ein wesentlicher Umbruch für unser Forschungsfeld", so der portugiesisch-stämmige Astronom, der sich von den Gaia-Daten genauere Erkenntnis der Sternentstehung erhofft. Denn, und das ist eine weitere Herausforderung in der Astronomie, die Entstehung von Sternen zieht sich über Millionen von Jahren. Von Vorteil sei es daher, dass die Milchstraße so groß sei und daher so viele Sterne da seien, die man in den verschiedensten Phasen ihrer Entstehung beobachten könne, ergänzt Dissertant Stefan Meingast.
Tipp: Lesen Sie mehr über Computational Science an der Universität Wien im Dossier "Mit dem Computer die Welt erklären" |
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Eine neue Sicht auf die Dinge
Die Astronomie ist eines jener Fächer in den Naturwissenschaften, wo sich die Datenexplosion als Erstes bemerkbar machte. Der Begriff "Big Data" entstand zur Jahrtausendwende und breitete sich von den Naturwissenschaften auf andere Bereiche aus. Seit der Aufdeckung des Abhörskandals der NSA begleitet die öffentliche Diskussion über Big Data der negative Beigeschmack der Überwachung. Doch das ist nur ein Aspekt der Debatte. In unserem täglichen Leben, wo wir selbstverständlich nach Informationen googeln, unsere E-Mails mit Spam-Filtern bereinigen oder uns über Social-Media-Plattformen vernetzen, greifen wir auf Big Data zu und tragen damit teils selbst zu deren Generierung bei.
"Große Datenmengen eröffnen uns die Möglichkeit, nach Strukturen zu suchen, die aus den Daten heraus sichtbar werden können. Big-Data-Analysen erlauben es, viel mehr Daten in kurzer Zeit verarbeiten zu können, komplexe Entitäten zu simulieren und daher auch andere Erkenntniszugänge zu haben", sagt Ulrike Felt, Wissenschafts- und Technikforscherin an der Universität Wien.
Die Möglichkeit, riesige Datenmengen auswerten und verarbeiten zu können, vergleicht Felt mit einem neuen Seh-Gerät, das im wahrsten Sinne eine neue Sicht auf die Dinge ermögliche. Für sie verändert sich damit auch unsere "Kosmologie", unser Bild von der Welt. Und was Felt metaphorisch meint, trifft für die Astronomie wohl tatsächlich zu, wo es mit neuen, immer leistungsstärkeren Teleskopen gelingt, immer tiefer ins Universum zu blicken und unsere Position dazu in Kontext zu setzen.
An große Datenmengen gewöhnt ist auch Bojan Zagrovic. Der Molekularbiologe analysiert die Dynamik von Biomolekülen. "In manchen Bereichen haben uns die großen Datenmengen fast hypnotisiert", sagt er. Wichtig sei es, wieder etwas Abstand zu den großen Datenmengen zu gewinnen, zu generalisieren und neue Theorien und Methoden zu entwickeln. Website von Boran Zagrovic |
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Big Data
Aber was macht Daten nun eigentlich zu "Big Data"? Eine allgemeingültige Definition fehlt bislang. Doch es sind vor allem die "drei V" – Volume (Datenmenge), Variety (Datenvielfalt) und Velocity (Geschwindigkeit) –, die als besondere Kennzeichen genannt werden. Riesig sind Datenmengen in der Regel ab einem Volumen von mehreren Terabytes bis hin zu Zettabytes, die auf herkömmlichen PCs nicht mehr zu bewältigen sind. Meist sind es heterogene Daten, aus den unterschiedlichsten Quellen, mit verschiedenen Formaten und Ordnungsprinzipien.
Und schließlich spielt auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit eine Rolle: Algorithmen sollen dafür sorgen, Daten möglichst in Echtzeit verarbeiten und übertragen zu können. Letztlich sind Big Data Datensets, die Grenzen und Möglichkeiten von herkömmlicher IT übersteigen.
Was bedeuten nun Big Data für die Wissenschaft?
Ist es im Zeitalter von Big Data schneller möglich, neues Wissen zu generieren? "Nicht unbedingt", meint die Wissenschaftsforscherin. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in ein Paradigma hineinkippen, wo wir glauben, je größer die Datenmengen, desto besser. Informationszugewinn geht nicht so einfach Hand in Hand mit Wissenszugewinn", warnt Felt.
Doch die Möglichkeiten für einen Zugewinn an Wissen hätten sich sehr wohl erweitert, meint Christoph Dellago, Professor für Computergestützte Physik an der Universität Wien. Durch Supercomputing und Computersimulation haben sich die Entwicklungszyklen der Wissensgenerierung in den Naturwissenschaften beschleunigt. Doch dass es möglich werde, immer komplexere Systeme zu betrachten, mache es nicht unbedingt einfacher, auch Verständnis daraus zu generieren, so der Physiker. "Je mehr Daten wir erzeugen, je komplexer die Systeme werden und je länger man sie simulieren kann, desto schwieriger wird es letztlich, sie zu verstehen." Diese Herausforderung, die Komplexität in eine Form zu bringen, die wir mit unseren Hirnen erfassen können, werde sich in Zukunft jedenfalls zuspitzen, glaubt Dellago.
Die Langversion des Artikels "Think Big!" finden Sie in der aktuellen Ausgabe von univie, dem Magazin des Alumniverbands der Universität Wien. LESEN SIE AUCH: Die Redaktion von uni:view, des Online-Magazins der Universität Wien, hat wie immer den Bereich "UNIVERSUM" im Alumni-Magazin mitgestaltet. Lesen Sie hier unseren Gastbeitrag "Sprachen lernen via Video-Chat". |
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