Physik in luftiger Höhe

Nicht alles, was in der Luft schwebt, ist gleich Luft. Jene "Nicht-Luftteilchen" interessieren die Aerosolphysikerinnen von der Universität Wien. Diese Partikel – u.a. für Feinstaub und Wolkenbildung verantwortlich – werden am Dach in der Boltzmanngasse erforscht. uni:view hat sich hinaufgewagt.

Ausnahmsweise öffnet Anna Wonaschütz, Postdoc der Aerosolphysik und Umweltphysik an der Universität Wien, die Jalousien im Turmlabor. "Die Klimaanlage, die die Geräte während der Sommerhitze kühl hält, strengt sich ganz schön an, so müssen die Jalousien stets unten bleiben", erklärt die Physikerin während unseres Dachbesuches. Kurz können wir die fantastische Rundumaussicht auf Wien genießen, während die Geräte vor sich hin brummen.

Im Turmlabor und auf der Terrasse werden Aerosole erforscht. Das sind komplexe Systeme, die aus Teilchen verschiedenster chemischer Zusammensetzung und einem Trägergas bestehen. Sie können u.a. auch als Kondensationskerne für die Wolkenbildung dienen, sprich: ohne Aerosolpartikel keine Wolkenbildung. Im Bild erklärt Wonaschütz eines der Geräte, die die Aerosolpartikel über Wien messen und analysieren.

Die chemische Zusammensetzung und die Größe der Aerosolpartikel sind dafür verantwortlich, ob ein solcher Partikel als Wolkenkondensationskern dienen kann oder nicht. Wenn die Partikel aus löslichen Substanzen bestehen, können sie Wasserdampf aufnehmen und es entsteht ein Wolkentröpfchen. Wenn die Partikel allerdings aus wasserunlöslichem Material bestehen, funktioniert es nur, wenn die Partikel sehr "groß" sind – einige Zehntausendstel Millimeter.

Auf der Dachterrasse stehen Pumpen inklusive Filter; hier werden also die Wiener Aerosolpartikel angesaugt. Anna Wonaschütz ist von ihrem Forschungsstandort recht begeistert. "Wir haben hier kein direktes Verkehrsaufkommen, aber dennoch einen zentralen urbanen Standort. Würden wir an einer Straße liegen, wäre jedes vorbeifahrende Auto in unseren Messungen sichtbar. Wir wollen keine lokalen Quellen messen, sondern den urbanen Hintergrund", erklärt sie und fügt schmunzelnd hinzu: "Nur die RaucherInnen am unteren Balkon müssen wir noch überzeugen, woanders zu rauchen, da wir jede Zigarette auf unseren Monitoren sehen und die Ergebnisse so verfälscht werden können."

Wie steht es nun um die Wiener Luft – abgesehen vom erhöhten lokalen Nikotinvorkommen? "Gar nicht schlecht", sagt die Physikerin: "Über die letzten Jahrzehnte hinweg hat sich die Wiener Luft eindeutig positiv entwickelt. Verantwortlich dafür ist unter anderem der erhöhte Einsatz von Fernwärme anstatt Kohle- oder Ölheizung. Im Winter sehen wir anhand der Werte, auch wie viel Holzrauch in der Luft ist. Die Verbrennung von Feststoffen macht eindeutig mehr Dreck."

Bevor unser kleiner Dachrundgang in der Boltzmanngasse zu Ende ist, werfen wir noch einen kurzen Blick über Wien – passenderweise sehen wir von hier gut das markante, von Hundertwasser gestaltete, Fernwärmewerk Wien. (Text: Theresa Dirtl, Fotos: Universität Wien)

Für unsere Sommerserie haben wir uns auf den Dächern der Universität Wien umgeschaut und berichten wöchentlich von unseren Entdeckungen. Zum Dossier "Sommer am Dach"