"Open Access wird allmählich Alltag"
| 19. Juni 2018Für Guido Blechl, Leiter des Open Access Office der Universität Wien, ist Open Access das zeitgemäße Publikationsmodell des 21. Jahrhunderts. Im Interview spricht er über seine Arbeit und die Möglichkeiten für WissenschafterInnen der Uni Wien.
uni:view: Herr Blechl, Sie leiten das Open Access Office der Universität Wien, das 2013 an der Universitätsbibliothek eingerichtet wurde. Wie erklären Sie Open Access in wenigen Worten?
Guido Blechl: Open Access bedeutet freier Zugang zu wissenschaftlicher Information im Internet. Das betrifft in erster Linie Publikationen, aber auch das Thema Forschungsdaten gewinnt zunehmend an Bedeutung. Einer der Vorteile von Open Access ist, dass damit alle WissenschafterInnen weltweit Zugriff auf aktuelle Forschungsergebnisse haben. Aber auch die Gesellschaft profitiert, wenn sie auf die Ergebnisse von Studien zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen, etwa Klimawandel, Umwelt oder Migration, zugreifen kann.
uni:view: Klassisches Subskriptionsmodell und Open Access-Publikation – wo sind die Unterschiede?
Blechl: Das derzeit noch vorherrschende Geschäftsmodell ist das klassische Subskriptionsmodell: WissenschafterInnen publizieren ihre Forschungsergebnisse bei einem Verlag, die dann Closed Access angeboten werden. Das heißt, die Artikel können nur jene Personen lesen, die dafür bezahlen. Deshalb kauft die Universitätsbibliothek bei den großen Verlagen wie Elsevier, Springer oder Wiley Lizenzen, damit alle Angehörigen der Universität Wien elektronisch auf die Publikationen zugreifen können. Das ist das klassische Modell.
Das Open Access-Modell dreht das Ganze um, eine Open Access-Publikation ist für jedermann weltweit frei zugänglich. Heute bieten fast alle großen Wissenschaftsverlage dieses Modell parallel zum klassischen Subskriptionsmodell an. Aber es gibt auch schon eine Reihe von Verlagen, die nur noch das Open Access-Modell anbieten. Da die Verlage die einzelnen Publikationen in diesem Fall nicht verkaufen können, weil sie eben frei zugänglich sind, müssen AutorInnen bzw. deren Institutionen oder Fördergeber häufig Publikationsgebühren bezahlen.
Seit 2017 läuft unter der Leitung der Universitätsbibliothek Wien das Projekt "Austrian Transition to Open Access". Das Projekt, an dem alle 21 Universitäten Österreichs beteiligt sind, hat eine Laufzeit von vier Jahren. Ziel ist es, die Transformation von Closed zu Open Access bei wissenschaftlichen Publikationen mitzutragen. Mehr Informationen
uni:view: Die Universität Wien bietet verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten an …
Blechl: Ja, wir haben zwei Förderschienen. Die erste betrifft Gold Open Access Journals, also Zeitschriften, bei denen der gesamte Content frei zugänglich ist. Wenn WissenschafterInnen darin veröffentlichen möchten, können sie einen Förderantrag stellen und wir unterstützen sie mit unserem Open Access-Publikationsfonds bei den Gebühren.
Die zweite Förderschiene läuft über unsere Verlagsabkommen, die wir als Universität Wien mit einer Reihe von großen Wissenschaftsverlagen abgeschlossen haben. Diese Verträge ermöglichen es, dass AutorInnen der Uni Wien auch in sehr renommierten Subskriptionsjournals Open Access veröffentlichen können, ohne dass für sie Kosten anfallen.
uni:view: Wie können WissenschafterInnen der Uni Wien diesen Service nutzen?
Blechl: Wenn unsere WissenschafterInnen bei einem der großen Verlage, mit denen wir Abkommen haben, publizieren, sollten sie vom Verlag automatisch als Uni Wien-WissenschafterInnen erkannt und gefragt werden, ob sie ihren Artikel auch Open Access veröffentlichen möchten. Die Kosten dafür werden durch den Gesamtvertrag mit der Universität Wien abgedeckt.
uni:view: Welche anderen Möglichkeiten gibt es, falls es kein Verlagsabkommen gibt und Gold Open Access nicht möglich ist?
Blechl: Als weitere Variante steht den Forschenden natürlich auch noch Green Open Access zur Verfügung, also eine Zweitveröffentlichung von wissenschaftlichen Artikeln. Die meisten Verlage erlauben es, die akzeptierte Manuskriptversion von Artikeln – meist nach Ablauf von sechs oder zwölf Monaten nach der Erstveröffentlichung – auf fachlichen oder institutionellen Dokumentenservern online zu stellen. An der Universität Wien ist dies u:scholar, wo die ForscherInnen ihre Publikationen als Zweitveröffentlichung Open Access zugänglich machen können.
Open Library of Humanities (OLH)
Die OLH ist ein Journalportal im Internet, das rund 20 geisteswissenschaftliche Journals Open Access anbietet – ohne Publikationsgebühren für die AutorInnen. Dieses sogenannte Library Subsidy Model wird von Bibliotheken weltweit finanziert, auch die Universitätsbibliothek Wien unterstützt die OLH.
Mehr Informationen
uni:view: Wie wird Open Access von den WissenschafterInnen der Universität Wien angenommen?
Blechl: Wir spüren eine zunehmend höhere Akzeptanz – es wird allmählich Alltag. Besonders in den Natur- und Lebenswissenschaften ist Open Access bereits Normalität, und auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften ist eine stetige Zunahme zu verzeichnen. Das spiegelt sich auch in der Anzahl von Open Access-Journals wider: Im Jahr 2003 waren im DOAJ, dem Directory of Open Access Journals, rund 500 Zeitschriften verzeichnet, heute sind es über 11.000.
uni:view: Wie schätzen Sie die unmittelbare Entwicklung von Open Access ein?
Blechl: Meiner Meinung nach wird Open Access früher oder später zum Standard-Modell des Publizierens, einfach weil es das zeitgemäße Modell des 21. Jahrhunderts ist. Bereits heute sind unter den Top 20 der publikationsstärksten Journals acht Open Access-Journals. Die ersten drei Plätze werden mit PLOS ONE, Scientific Reports und RSC Advances bereits von Open Access Journals eingenommen. Wir bewegen uns gerade in der Übergangsphase von Closed zu Open Access. Ich glaube, dass diese Phase noch eine gewisse Zeit andauern wird. Unser Open Access Büro wird es daher wohl noch länger geben.
uni:view: Vielen Dank für das Gespräch! (td)