Gute Vorsätze: Warum es so schwer ist, sich zu ändern

Wer kennt es nicht: Dieses Jahr mache ich mehr Sport, verbringe weniger Zeit am Smartphone, esse gesünder. Ein neues Jahr startet mit guten Vorsätzen. Warum der gute Wille oftmals nur wenige Wochen anhält und wie es gelingen kann, an Vorhaben festzuhalten, erklärt Psychologin Barbara Schober.

uni:view: Warum braucht es einen Neuanfang wie den Jahreswechsel, um Veränderungen anzugehen?
Barbara Schober: Unser Alltag ist oftmals voll mit Aufgaben und Routinen. Vieles funktioniert, weil wir eine ganze Reihe gut eingespielter Abläufe haben. Wir stellen uns und unser Tun nicht ständig in Frage. In vielerlei Hinsicht ist das sehr sinnvoll, da es uns handlungsfähig macht. Dennoch gibt es Dinge, die wir grundsätzlich gerne anders machen würden. Solche Änderungen kosten aber Energie. Sie versprechen zudem erst längerfristig spürbaren Erfolg und bringen Anforderungen mit sich, die uns nicht immer leicht fallen.

Um diese Themen – trotz aller Anstrengungen – in unserer Absichtshierarchie nach oben zu bringen, braucht es Anlässe. Das sind manchmal Notwendigkeiten wie körperliche Beschwerden oder Krankheiten, FreundInnen, die mit gutem Beispiel voran gehen, oder eben das Symbol des Neubeginns zum Jahreswechsel. Neujahr ist ein Anstoß, um über sich nachzudenken. Abgesehen davon hilft sicher auch die weihnachtsferienbedingte Pause von der Hektik des Alltags, um Veränderungen anzupacken.

uni:view: Warum brechen wir die guten Vorsätze oftmals bereits nach wenigen Wochen?
Schober: Schuld daran ist meist nicht die grundlegende Unwilligkeit zur Veränderung. Das Problem ist viel mehr, dass es nicht leicht ist, sich zu ändern, dass wir uns zu hohe und unklare Ziele setzen oder keine Strategien dazu überlegt haben, wie wir sie erreichen wollen. Der Alltag braucht dann schnell wieder alle Zeit und Energie und wir haben uns nicht konkret genug überlegt, wie die Umsetzung unseres Vorsatzes darin Platz finden kann. Der Vorsatz "Ich will mehr Sport machen" verspricht nicht viel Erfolg. Aus psychologischer Sicht steigt die Chance auf erfolgreiche Umsetzung , wenn uns die Änderungen wirklich wichtig sind, wenn wir daran glauben, die Umsetzung konkret planen und uns die Ziele so setzen, dass wir auch Erfolge spüren können. Es geht also viel um die Kompetenz zur Selbstregulation.

uni:view: Stichwort Selbstregulation – was können wir tun, damit wir "am Ball" bleiben?
Schober: 1) Man sollte sich nur Dinge vornehmen, die einem selbst wirklich ein Anliegen sind. Wenn wir Vorhaben aus einer Laune heraus angehen oder uns für andere Menschen verändern wollen, hält die nötige Energie selten an. 2) Man sollte sich nicht zu viel vornehmen. Es reichen ein oder zwei Dinge, deren Umsetzung wir für realistisch halten. 3) Es ist empfehlenswert, Vorsätze in kleine Häppchen zu zerlegen, in konkrete Teilziele, die uns Erfolge spüren lassen und uns aufzeigen, dass wir gut unterwegs sind. 4) Es ist wichtig, sich gut zu überlegen, wie die kleinen Ziele erreicht werden, also konkret darüber nachdenken, was wann getan werden kann bzw. muss. 5) Rückschläge von vorneherein einkalkulieren ist notwendig. Wie verhalte ich mich, wenn ich dann z.B. doch wieder eine Tafel Schokolade gegessen habe? Dann geht es darum, gnädig mit sich selbst zu sein und trotzdem dabei zu bleiben. 5) Man muss sich Zeit lassen und Zeit einplanen.

uni:view: Die Erfolgsquote von Neujahrsvorsätzen ist gering – warum fassen wir sie trotzdem jedes Jahr wieder?
Schober:
Zum einen ist es einfach ein Ritual, an dem sich viele – manchmal mehr, manchmal weniger ernsthaft – beteiligen. Zum anderen brauchen Vorsätze oft mehrere Versuche. Eingespielte Verhaltens- und Denkmuster ändern – das geht schon mal schief. Und so gesehen ist es sehr positiv, wenn wir den Jahreswechsel als Anstoß wahrnehmen. "Neues Jahr, neuer Versuch und diesmal mit einem besseren Plan" – aus meiner Sicht spricht diese Herangehensweise für Glauben an die Veränderung, Selbstvertrauen, Ausdauer und die Ernsthaftigkeit. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass der grundsätzliche Glaube an Veränderbarkeit – auch von den eigenen Eigenschaften – ein sehr wichtiger Prädiktor ist, um erfolgreich Veränderungen durchzusetzen und mit Misserfolgen umzugehen.

uni:view: Vielen Dank für das Gespräch! (hm)

Barbara Schober ist Professorin für Psychologische Bildungs- und Transferforschung am Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft an der Fakultät für Psychologie der Universität Wien. In dieser Funktion lehrt und forscht sie zu verschiedenen Themen der Bildungspsychologie und leitet verschiedenste Forschungsprojekte. Seit 2016 ist sie Dekanin der Fakultät für Psychologie. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Lebenslanges Lernen, Motivationsentwicklung und -förderung, Selbstregulation, Geschlechtsspezifische Bildungsverläufe sowie Entwicklung, Evaluation, Transfer und Implementierung evidenzbasierter Interventionen. (Foto: Margit A. Schmid)